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Karl Scheidt synthetisierte den anticancerogenen
Naturstoff Neopeltolid, der zuvor aus einem Tiefsee-Schwamm aus
der Familie der Neopeltidae isoliert wurde.
Abbildung © Harbor Branch Oceanographic Institution. |
Die gewonnenen Erkenntnisse über die Neopeltolid-Struktur
wird Wissenschaftlern dazu verhelfen, die Wirkungsweise dieser
Substanz zu verstehen, was wiederum zur Entwicklung sehr wirksamer
Krebsmedikamente führen kann.
Über das Potenzial der neu entdeckten Substanz bemerkt Karl A. Scheidt,
dass die beobachtete biologische Aktivität phantastisch sei, im
Vergleich zum Taxol®, einer ebenfalls natürlich
vorkommenden Verbindung der pazifischen Eibe, bei
einigen Krebsarten etwa zwei bis drei Größenordnungen effektiver.
Einige Tierarten (und auch Pflanzen) bilden verschiedene chemische
Abwehrmechanismen aus, besonders, wenn sie wie im Fall des
vorliegenden Tiefsee-Schwamms, sich nicht bewegen und vor Fressfeinden
fliehen können. Für Forscher sind diesen natürlichen chemischen
Fabriken besonders interessant, weil sie eine Vielzahl von Anregungen
liefern, Ideen für pharmazeutische Wirkstoffe und selbst Wege zur
Entwicklung von Krebsmedikamenten aufzeigen. "Die Natur ist die
Apotheke überhaupt", bemerkt Scheidt hierzu.
Beeindruckt von dieser Arbeit zeigte sich Amy Wright, die das
Neopeltolid aus einem Schwamm isolierte, den sie 1993 von Jamaika
mitbrachte. In ihrem Artikel beschreibt sie Neopeltolid als wirksamen
Hemmstoff bei Zellen der Lungenadenokarzinom-Linie A549, bei
der Leukämie-P388-Zelllinie und anderen sowie als wachstumshemmend auf
Zellen des pathogenen Pilzes Candida albicans.
Laut Scheidt stoppt Neopeltolid die Zellteilung an ungewöhnlichen
Stellen, und auch die Aktivität unterscheidet sich von anderen
allgemein bekannten und verwendeten Chemotherapeutika: "Wir wissen,
dass etwas anderes bei diesem neuen Molekül passiert, und wir wollen
es herausfinden, wenn diese Wirkung einer neuer Weg zur
Krebsbekämpfung ist."
Neopeltolid-Synthese
Der wesentliche Schritt der Bindungsbildung in Scheidt`s Synthese ist
eine Lewissäure-katalysierte intramolekulare Cyclisierung, die zur
gleichzeitigen Bildung des Tetrahydropyranringes und des Makrocyclus
führt. Diese Art der Cyclisierung wurde hier erstmals angewandt und
führt effektiv zum gezeigten Kohlenstoff-Grundgerüst.
Gleichzeitig und unabhängig voneinander arbeitete ein weiteres Team um
James S. Panek von der Universität Boston an der Synthese und
der Strukturaufklärung des Neopeltolids 3). Auch diese
Wissenschaftler korrigierten die von Wright publizierte Struktur. Die
Synthese dieser Forschergruppe erfolgte unter anderem über eine
modifizierte Evans-Tischtschenko-Reduktion zur Einführung des
Stereozentrums C11, eine [4+2]-Anellierung zum Pyransystem und eine
Still-Gennari-Olefinierung zum Aufbau der Oxazol-Seitenkette.
Neopeltolid wird chemisch den Makroliden [auch: Makrolaktone]
zugeordnet. Makrolide sind nach Woodward [Angewandte Chemie 69
(157) Seite 50 bis 58] makrocyclische Verbindungen, die eine
Lactongruppierung enthalten. Bekannte Vertreten dieser Gruppe sind die
Makrolidantibiotika (z. B. Erythromycin; Clarithromycin; Azithromycin;
Roxithromycin; ...); Antimykotika wie Nystatin und Natamycin; Topische
Immunsuppressiva; das Mykotoxin Zearalenon u. a.
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