Bioinformatiker Dr. Uwe Hobohm befasst sich in
Fallanalysen mit Spontanheilungen von Krebs.
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Tatsächlich fand Hobohm dann die Bestätigung
in etlichen verstreuten epidemiologischen Studien: eine persönliche
Krankengeschichte mit vielen Infekten senkt das Krebsrisiko. Diese
"reinigende Wirkung" kann sich auch entfalten, nachdem Krebs
entstanden ist: ein Infekt nach einer Krebsoperation kann den Erfolg
der Operation deutlich verbessern. Diese Befunde wurden 2005 im
renommierten "British Journal of Cancer" zusammenfassend diskutiert.
Daraus ergeben sich weitreichende Konsequenzen. Es stellt sich z.B.
die Frage, ob man jede Kinderkrankheit wegimpfen und jeden grippalen
Infekt mit Antibiotika und fiebersenkenden Mitteln behandeln sollte.
Inzwischen hat man auch eine plausible biochemische Erklärung
gefunden: durch bakterielle Produkte, so genannte PAMP (Pathogen
Associated Molecular Pattern), findet eine Stimulation des angeborenen
Immunsystems statt. Das angeborene Immunsystem war bislang ein
Stiefkind in der Krebsimmunologie. Man konzentriert sich bis heute -
auch in der Impfstoffforschung - vor allem auf das adaptive
Immunsystem, das imstande ist, Antikörper und T-Zellen herzustellen.
Jedem Impfstoff sind so genannte Adjuvantien beigefügt, von denen man
lange Zeit lediglich wusste, dass sie die Immunantwort um ein
Vielfaches verstärken. Erst kürzlich hat man erkannt, dass Adjuvantien
in Impfstoffen auf dieselben Proteine im menschlichen Körper wirken
wie PAMP-Substanzen: auf die so genannten Toll-Rezeptoren. Das sind
essentielle Bestandteile des angeborenen Immunsystems, die zu einer
viel stärkeren Immunantwort gegen Krebszellen führen. Fieber verstärkt
diese Wirkung wahrscheinlich auf vielfältige Weise. Man weiß
beispielsweise, dass Krebszellen oft hitzeempfindlicher sind als
normale Körperzellen. Hobohms Hypothese von 2001 gilt inzwischen als
weitgehend bestätigt.
Mit den Professoren John Grange und John Stanford aus London hat der
Gießener Bioinformatiker nun einen weiteren Artikel in der angesehenen
Zeitschrift "Critical Reviews in Immunology" publiziert. Darin wird
die derzeitige Anwendung von PAMP in Frage gestellt. Die wenigen
vorliegenden klinischen Studien zu PAMP waren bislang nicht sehr
erfolgreich, nach Ansicht des Autorentrios eine Folge falscher
Anwendung. Anstatt einzelne PAMP über kurze Zeiträume bei
austherapierten Patienten zu testen, so die Verfasser, sollte man
einen Cocktail von PAMP über längere Zeit an nicht entsprechend
vorbehandelten Patienten unter Fieber anwenden. Nur dann könne das
volle Potential von PAMP gefunden werden. Über Hobohms Hypothesen hat
der "New Scientist" im Januar 2008 berichtet. Auch der "American
Scientist" hat Interesse an einem Übersichtsartikel angemeldet -
beides populärwissenschaftliche Zeitschriften mit einem
Millionenpublikum.
In einem gemeinsamen Forschungsprojekt mit der Universität Gießen soll
nun an Mäusen geprüft werden, ob die Verabreichung von PAMP-Substanzen
unter gezielter Fiebererzeugung tatsächlich die Wirkung dieser
Krebstherapie verbessern kann.
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