Epstein-Barr Viren verändern die Eigenschaften eines
Signalproteins ihrer Wirtszellen.
Viren versuchen mit zahlreichen Tricks, Gewalt über ihre Wirtszellen zu
gewinnen und sie zu ihrem eigenen Vorteil umzuprogrammieren. Dr. Arnd
Kieser und seine Mitarbeiter in der Abteilung Genvektoren des Helmholtz
Zentrums München konnten nun in einer aktuellen Publikation in PloS
Biology zeigen, wie es Epstein-Barr Viren gelingt, ein Signalprotein
ihrer Wirtszellen, das normalerweise den programmierten Zelltod - die
Apoptose - vermittelt, zur Vermehrung der Zellen auszunutzen.
Epstein-Barr Viren, kurz EBV, sind humanpathogene Erreger aus der
Familie der Herpesviren. Fast jeder Erwachsene trägt EBV in sich; mit
einer Durchseuchungsrate von über 90 Prozent zählt EBV zu den
erfolgreichsten Viren überhaupt. Sie besitzen doppelsträngige DNA als
Erbmaterial und gehören zu den wenigen bisher bekannten Viren, die
beim Menschen unter bestimmten Bedingungen Krebs auslösen können.
Hierzu gehören Lymphome, also Lymphknotenkrebs, aber auch Karzinome
des Nasen-Rachenraums und Magenkrebs.
Ein durch das Virus kodiertes Protein, das latent membrane protein 1,
kurz LMP1, wird für die unkontrollierte Vermehrung der EBV-infizierten
Zellen und damit die Entstehung von Krebs benötigt. Arnd Kieser und
sein Team untersuchen im Detail die molekulare Wirkungsweise dieses
EBV-Proteins. LMP1 ist ein membranständiges Onkoprotein, das bestimmte
Signalmoleküle der Wirtszellen bindet und so zur Transformation der
Zellen beiträgt. Eines dieser Signalproteine ist der Faktor TRADD.
TRADD steht für TNF-receptor 1-associated death domain protein. Die
Wissenschaftler konnten mit eigens dafür hergestellten
TRADD-Knockout-Zelllinien, bei denen beide Allele des Gens aus dem
Genom menschlicher B-Zellen entfernt worden waren, zeigen, dass TRADD
ein essentieller Faktor für LMP1 ist: Ohne TRADD kann LMP1 einen für
die Zelltransformation wichtigen Signalweg nicht mehr aktivieren.
Allerdings induziert TRADD normalerweise auch Apoptose, den
programmierten Zelltod. Dies ist jedoch für die Epstein-Barr Viren
kontraproduktiv, da sie ja selbst vom Tod ihrer Wirtszellen nachteilig
betroffen wären. Und tatsächlich beobachteten die Wissenschaftler,
dass TRADD, das durch virales LMP1-Protein aktiviert wurde,
erstaunlicherweise keine Apoptose mehr induziert.
Aber wie gelingt es den Epstein-Barr Viren, speziell die
Apoptose-Funktion von TRADD auszuschalten? Kieser und Mitarbeiter
entdeckten, dass das virale LMP1-Protein eine einzigartige
Bindungsdomäne besitzt, die an das zelluläre TRADD-Protein bindet und
dessen Struktur so verändert, dass das Apoptose-Signal nicht mehr
übermittelt werden kann - LMP1 maskiert also die Apoptose-Aktivität
von TRADD. Diese TRADD-Bindungsdomäne wird von den 16
carboxyterminalen Aminosäuren des LMP1-Proteins gebildet und kann auch
auf zelluläre Rezeptorproteine übertragen werden, wo sie den gleichen
Effekt zeigt.
Epstein-Barr Viren haben in ihrer Entwicklung also eine Möglichkeit
gefunden, eine unerwünschte Eigenschaft eines ansonsten für sie
notwendigen zellulären Proteins gezielt auszuschalten und damit dieses
Protein ihren eigenen Bedürfnisse anzupassen. Dies bietet aber auch
die Chance für einen therapeutischen Ansatz. Dazu Arnd Kieser: "Da die
spezielle Struktur der LMP-TRADD-Interaktion wahrscheinlich nur in
EBV-infizierten Zellen vorkommt, könnte sie eventuell eine
Zielstruktur zur Entwicklung von spezifischen Inhibitoren darstellen,
die die transformierende Signalkette des LMP1-Onkogens unterbrechen."
Quellen und Artikel:
-
Open Access Article:
Schneider, F., Neugebauer, J., Griese, J., Liefold, N., Kutz, H.,
Briseño, C., Kieser, A.: The Viral Oncoprotein LMP1 Exploits TRADD for Signaling by
Masking Its Apoptotic Activity.
In: PLoS Biology January 2008, Vol. 6, Issue 1;
doi: 10.1371/journal.pbio.0060008.