Einem Team von LMU-Forschern unter der Leitung von PD Dr. Steffen Dietzel gelang nun in Zusammenarbeit mit einem amerikanischen Kollegen der Nachweis, dass sich bei Säugern die von den Eltern vererbten Gensätze in den Körperzellen in der Regel wohl durchmischen. "Dieses aus epigenetischer Sicht interessante Ergebnis wirft aber neue Fragen auf", berichtet Dietzel. "So weiß man etwa, dass in bestimmten Mäusezellen die genetischen Anlagen sehr wohl getrennt vorliegen. Warum dies so ist und wie dies erreicht wird, bleibt zunächst unklar." Seit mehr als 100 Jahren stellen sich Forscher die Frage, ob sich das von Mutter und Vater vererbte genetische Material in den Körperzellen der Nachkommen durchmischt oder nicht. "Dieses Rätsel ist damit fast so alt wie die Entdeckung der Chromosomen selbst", so Dietzel. "Ebenso lange gibt es die Vermutung, dass eine Trennung vorliegt, wie man es später bei bestimmten Pflanzenhybriden tatsächlich beobachtet hat. Bei der Taufliege dagegen lagern sich die jeweils entsprechenden Chromosomen aus dem mütterlichen und väterlichen Material aneinander - was eine räumliche Trennung ausschließt." Bei Wirbeltieren, etwa bestimmten Mäusen, konnte nach der Verschmelzung der Keimzellen in den sehr frühen Stadien der Embryonalentwicklung zunächst eine Trennung der elterlichen Chromosomen beobachtet werden, die sich später verliert. Es gab aber Hinweise, dass bestimmte Zelltypen diesen Zustand beibehalten oder ihn in manchen Phasen ihres Lebens wiedergewinnen. Eine Untersuchung an Körperzellen erwachsener Säugetiere scheiterte bislang allerdings an der Technik: Väterliche und mütterliche Chromosomen sind sich so ähnlich, dass sie sich normalerweise nicht unterscheiden lassen. Maultiere lieferten dem Team um Dietzel nun aber das passende Material: Diese Tiere haben eine Pferdestute als Mutter und einen Esel als Vater, deren Chromosomen sich - mit Hilfe der von Dietzels Team entwickelten Methodik - unterscheiden lassen. "Wir haben Blutzellen und zum Vergleich Bindegewebszellen des Maultiers untersucht", berichtet der Biologe. "In beiden konnten wir keine Hinweise auf eine räumliche Trennung finden. Ganz im Gegenteil: Unsere Beobachtungen zeigen eine deutliche Durchmischung des elterlichen genetischen Materials. Wir können also eine Trennung der Chromosomen als generelles Phänomen ausschließen. In die gleiche Richtung zeigen auch Versuche an einem menschlichen Blutzelltyp, an dem sich Teilaspekte der Chromosomenverteilung untersuchen lassen. Dieses Ergebnis ist wichtig in Hinsicht auf ein Verständnis der dreidimensionalen Anordnung der Chromosomen im Zellkern und der epigenetischen Regulation der Gene." Das Projekt wurde im Rahmen des Sonderforschungsbereichs (SFB) 684 "Molekulare Mechanismen der normalen und malignen Hämatopoese" durchgeführt. Die Arbeitsgruppe gehört außerdem zum "BioImaging Network Munich", einem Teil des LMUinnovativ-Prozesses. (suwe)
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