Ein wichtiger Schritt zum besseren Verständnis des Mechanismus ist nun Professorin Dr. Trese Leinders-Zufall vom Institut für Physiologie der Medizinischen Fakultät der Universität des Saarlandes gelungen. Seit dem Jahr 2008 erforscht die gebürtige Niederländerin im Rahmen einer von der VolkswagenStiftung mit rund 1,34 Millionen Euro ausgestatteten Lichtenberg-Professur die Grundlagen der Pheromonkommunikation bei Säugetieren am Vomeronasalorgan von Mäusen. Neue Erkenntnisse werden in der Dezemberausgabe des renommierten Fachmagazins Nature Neuroscience veröffentlicht. Sie sind jetzt vorab Online erschienen [siehe unten]. Bereits 2004 gelang Dr. Trese Leinders-Zufall der Nachweis, dass aus dem Immunsystem stammende Peptidmoleküle - das sind Ketten aus mehreren Aminosäuren - bei Mäusen als Pheromone fungieren. Diese werden von einer speziellen Untergruppe sensorischer Nervenzellen im vomeronasalen Organ erkannt und dienen als Individualitätssignal: eine Art duftender Fingerabdruck, der im Empfängerindividuum das Partnerwahlverhalten beeinflusst. Nun fanden die Wissenschaftlerin und ihre Kollegen heraus, dass diese Nervenzellen die Peptide nur dann erkennen können, wenn ein bestimmtes Gen, das Riech-Rezeptorgen V2r1b, in der Zelle aktiv ist. Schalteten die Forscher dieses Gen aus, funktionierte auch die Peptiddetektion nicht mehr. Außerdem konnten die Forscher zeigen, dass die untersuchten Nervenzellen äußerst sensitive Detektoren für Peptide sind: Schon geringste Konzentrationen des Botenstoffs (vergleichbar mit dem Zwanzigstel eines Salzkorns gelöst in einem wassergefüllten 50m-Schwimmbecken) reichen für eine Aktivierung der Nervenzelle. Zudem ist die Peptiderkennung hoch spezifisch. Die Neurone sind in der Lage, sogar Peptide voneinander zu unterscheiden, die in ihrer Kettenstruktur nur durch eine einzelne Aminosäure voneinander abweichen. Die gleichen Peptide, die von Neuronen im vomeronasalen Organ der Maus erkannt werden, finden sich auch auf der Oberfläche von Körperzellen, wo sie von spezialisierten Proteinkomplexen "präsentiert" werden. Anhand der Peptide können die Abwehrzellen des Immunsystems Freund von Feind unterscheiden - also körpereigene und gesunde von fremden oder infizierten Zellen. Dies spricht für einen gemeinsamen Ursprung und eine "Co-Evolution" der Erkennungsmechanismen bei Immunabwehr und Pheromonkommunikation. Bei ihren Forschungen arbeitet Dr. Trese Leinders-Zufall eng mit Professor Dr. Peter Mombaerts vom Max-Planck-Institut für Biophysik in Frankfurt am Main, Tomohiro Ishii von der Tokyo Medical and Dental University, Professor Dr. Thomas Boehm vom Max-Planck-Institut für Immunbiologie in Freiburg im Breisgau und Professor Dr. Frank Zufall vom Institut für Physiologie der Medizinischen Fakultät der Universität des Saarlandes zusammen. Mit den nun veröffentlichen Erkenntnissen haben die Wissenschaftler eine molekulare Grundlage für die Peptiderkennung im vomeronasalen Organ der Säugetiere gelegt, die für die weitere Forschung auf diesem Gebiet unerlässlich ist.
Die Universität des Saarlandes schreibt hierzu:
Wie Düfte den Partner anlocken
Wie attraktiv eine Maus als Geschlechtspartner für
ihre Artgenossen ist, hängt von ihrer "Duftnote" ab - spezifischen
körpereigenen Eiweißstoffen. Diese Botenstoffe geben Auskunft über ihr
Immunsystem und ihren Gesundheitszustand. Welche Vorgänge dabei im
Einzelnen ablaufen, war bisher weitgehend unbekannt. Dem
Professoren-Ehepaar Trese Leinders-Zufall und Frank Zufall von der
Medizinischen Fakultät der Universität des Saarlandes ist nun ein
entscheidender Schritt zum Verständnis der molekularen Abläufe
gelungen: In Riechzellen der Maus wiesen sie erstmals Rezeptoren nach,
die so sensibel sind, dass sie sogar einzelne Eiweißmoleküle, so
genannte MHC-Peptide, wahrnehmen können.
Chemische Botenstoffe, so genannte Pheromone, haben
für die Kommunikation zwischen Tieren enorme Bedeutung: Bei
Säugetieren steuern sie Verhaltensweisen wie Aggression, Nestbau oder
Sexualverhalten. Welche spezifischen Botenstoffe Mäuse wahrnehmen und
wie sich diese auf ihr Verhalten auswirken, erforscht das
Professoren-Ehepaar Trese Leinders-Zufall und Frank Zufall im Institut
für Physiologie der Universität des Saarlandes. Besonders interessiert
sind die Biologen an einer speziellen Gruppe von Pheromonen, den
MHC-Peptiden (MHC steht für major histocompatibility complex). Bekannt
ist, dass diese kurzkettigen Eiweiße eine wichtige Rolle bei der
Immunabwehr spielen, wo sie entweder als körpereigene oder
körperfremde Substanzen erkannt werden.
Dass die gleichen MHC-Peptide auch für die
spezielle Duftnote eines Individuums verantwortlich sind, zeigten
Trese Leinders-Zufall und ihre Kollegen bereits im Jahr 2004. Damals
gelang ihnen der Nachweis, dass Mäuse MHC-Peptide, die man bisher nur
mit dem Immunsystem in Verbindung brachte, auch mit der Nase
wahrnehmen. Sie können also das Immunsystem und den Gesundheitszustand
eines potenziellen Geschlechtspartners "erschnüffeln" - eine
entscheidende Information bei der Wahl des passenden Partners.
Inwieweit die menschliche Nase solche Peptide wahrnimmt, weiß man
bisher nicht.
Am Beispiel der Mäuse konnten die Wissenschaftler
ebenfalls zeigen, dass auch das Hormonsystem auf MHC-Peptide reagiert:
So kommt es bei trächtigen Mäuseweibchen zu einem
Schwangerschaftsabbruch, wenn sie in engen Kontakt mit fremden
Männchen kommen, ein Vorgang, der schon lange als "Bruce Effekt"
bekannt ist. Den Forschern gelang der Nachweis, dass der
Schwangerschaftsabbruch durch MHC-Peptide ausgelöst wird. Sie gehen
davon aus, dass diese Eiweißstoffe in Körperflüssigkeiten wie Schweiß
und Urin gelöst sind und durch direkten Körperkontakt zwischen den
Tieren übertragen werden.
In ihren jüngsten Untersuchungen gelang dem
Professoren-Ehepaar ein erster Durchbruch bei der Erforschung der
molekularen Grundlagen dieser Vorgänge. Während bisher lediglich die
beschriebenen Phänomene bekannt waren, konnten die Forscher nun
erstmals die beteiligten Rezeptormoleküle nachweisen: Sie tragen die
Bezeichnung V2r1b und sitzen in den Zellmembranen der Riechzellen des
Vomeronasalorgans, des wichtigsten Sinnesorgans für die Wahrnehmung
von Pheromonen bei der Maus. Damit die Peptide als Duftstoffe erkannt
werden, müssen sie an der Moleküloberfläche des Rezeptors gebunden
werden, wodurch die Riechzelle angeregt wird. Trese Leinders-Zufall
und Frank Zufall fanden heraus, dass die untersuchten Nervenzellen
bereits auf geringste Konzentrationen von MHC-Peptiden reagieren und
sogar einzelne Moleküle wahrnehmen. Damit handelt es sich um die
empfindlichsten Sinneszellen in der Nase, die bisher bekannt sind.
Die neuen Forschungsergebnisse liefern wichtige
Erkenntnisse für die weitere Grundlagenforschung. Möglicherweise kann
es mit ihrer Hilfe in Zukunft auch gelingen, künstliche hochsensible
Geruchssensoren zu entwickeln. Doch vor allem liefern die Ergebnisse
tiefere Einblicke in die Evolution: Sie beweisen, dass das
Nervensystem in diesem Fall ganz ähnliche Erkennungsmechanismen
benutzt wie das Immunsystem, woraus sich schließen lässt, dass
zwischen beiden eine Art Koevolution existiert. Ob dies letztlich dem
Zweck dient, möglichst gesunde Nachkommen zu erzeugen, darüber lässt
sich bisher nur spekulieren.
Welche molekularen Interaktionen zwischen dem
Nervensystem, dem Immunsystem und dem Hormonsystem existieren und wie
sich diese Mechanismen auf die Signalübertragung zwischen Zellen,
Organen und Individuen auswirken, wollen die Fachrichtungen
Physiologie und Biophysik der Medizinischen Fakultät der Universität
des Saarlandes in einem gemeinsamen Forschungsschwerpunkt untersuchen.
Für die Etablierung dieser bisher wenig untersuchten
Forschungsrichtung entsteht auf dem Homburger Campus in Kürze das neue
"Zentrum für Integrative Physiologie und Molekulare Medizin". Für
dieses Forschungszentrum konnten seine beiden Hauptinitiatoren,
Professor Frank Zufall und der Physiologe Professor Jens Rettig,
bereits etwa 31 Millionen Euro an Bundes- und Landesmitteln einwerben.
Die neue Arbeit von Professorin Trese
Leinders-Zufall und Professor Frank Zufall entstand gemeinsam mit
Professor Peter Mombaerts vom Max-Planck-Institut für Biophysik in
Frankfurt am Main, Dr. Tomohiro Ishii von der Tokyo Medical and Dental
University und Professor Thomas Boehm vom Max-Planck-Institut für
Immunbiologie in Freiburg.
Hintergrund Lichtenberg-Professuren Mit ihrer Förderinitiative "Lichtenberg-Professuren" gibt die VolkswagenStiftung einen Anstoß für die Eröffnung alternativer Qualifizierungs- und Berufungswege an deutschen Hochschulen. Der Leitgedanke hinter dieser Initiative lässt sich in einem Satz zusammenfassen: Ziel ist es, herausragende Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in Verbindung mit innovativen Lehr- und Forschungsfeldern zu fördern und damit auch zu einer Profilbildung der besten unter den deutschen Hochschulen beizutragen - im Interesse des Wissenschaftsstandortes Deutschland. Mit den Lichtenberg-Professuren sollen also in einem Zug sowohl thematische als auch strukturelle und forschungspolitische Akzente gesetzt werden. 25 solcher Professuren hat die Stiftung seit dem Jahr 2003 an 17 deutschen Hochschulen eingerichtet; zuletzt kamen im Sommer 2009 vier weitere hinzu, die ihre Arbeit allerdings noch nicht aufgenommen haben.
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