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Publiziert am 22.05.2010 Infos zum Internetchemie RSS News Feed

Röntgenblitze filmen molekulare Schalter


 
Choreografie der Moleküle: Einem Forscherteam der Max-Planck-Institute für biophysikalische Chemie, für medizinische Forschung und für Kernphysik sowie des European XFEL, der Universität Göttingen und des Deutschen Elektronen-Synchrotrons (DESY) ist es erstmals gelungen, Freie-Elektronen-Laser-Strahlung für die Untersuchung chemischer Kristallstrukturen einzusetzen. Die Aufnahmen erfolgten mit dem Freie-Elektronen-Laser FLASH am DESY. Wie die Experimente der Wissenschaftler zeigen, lassen sich strukturelle Momentaufnahmen der Moleküle ganz ohne Artefakte abbilden - trotz hoher Intensität des Röntgenlasers.

Die Lichtblitze des 260 Meter langen Freie-Elektronen-Lasers (FEL) am Deutschen Elektronensynchrotron sind nicht nur leistungsstark, sondern auch ultrakurz: Die kürzeste erreichte Wellenlänge ist gerade einmal sieben Nanometer (millionstel Millimeter). Ultrakurz ist auch die Dauer der Strahlungspulse, die zehn bis 50 Femtosekunden (billiardstel Sekunden) beträgt. Wie Wissenschaftler der Max-Planck-Institute für biophysikalische Chemie, für medizinische Forschung und für Kernphysik sowie des Deutschen Elektronen-Synchrotrons, der Universität Göttingen und des European XFELs zeigen, lassen sich damit ultraschnell Strukturen von Molekülen aufnehmen.

Die untersuchte Schalteinheit besitzt die Form von Nanoröhrchen

Die untersuchte Schalteinheit besitzt die Form von Nanoröhrchen, die durch fettsäureähnliche Komponenten aufgebaut ist.

[Bild: Techert / Max-Planck-Institut für biophysikalische Chemie]

Schematischer Aufbau des Beugungsexperiments

Schematischer Aufbau des Beugungsexperiments am Freie-Elektronen-Laser FLASH in Hamburg. Für das Experiment wurde weiche Röntgenstrahlung (Strahlung mit einer Wellenlänge von sieben Nanometern) genutzt. Mithilfe des Freie-Elektronen-Lasers wurden die periodischen Eigenschaften von fettsäureartigen Nanokristallen und deren strukturellen Änderungen unter dem Einfluss der Freie-Elektronen-Laser-Strahlung untersucht.

[Bild: Techert / MPIbpc]

Gewöhnlich entschlüsseln Forscher die Strukturen von Molekülen, indem sie daraus Kristalle züchten und diese mit Röntgenlicht durchleuchten - eine mitunter langwierige und nicht immer erfolgsgekrönte Prozedur. Nicht alle Moleküle lassen sich kristallisieren - schon gar nicht in den benötigten Mengen. Auch die Zeitauflösung solcher Experimente ist sehr begrenzt. Langsame Transportphänomene in Festkörpern oder biologische Prozesse ließen sich bisher nur fragmentarisch aufnehmen.


Stop and go - die Struktur molekularer Schalter in Echtzeit "filmen"

Strukturen extrem schnell schaltbarer Nanokristalle mit ultraschnellen Freie-Elektronen-Laser-Pulsen aufzunehmen, gelang jetzt dem Wissenschaftlerteam um Simone Techert, Leiterin der Forschungsgruppe "Strukturdynamik (bio)chemischer Systeme" am Max-Planck-Institut für biophysikalische Chemie.

Wissenschaftler erhoffen sich von molekularen Schaltern unter anderem ein wirksames Werkzeug, um chemische und biochemische Prozesse gezielt steuern und regulieren zu können. Neben ihrer Anwendung in der Optoelektronik könnten molekulare Schalter auch in der Molekularmedizin Einsatz finden. "Mittels Röntgenlaser könnte man beispielsweise einen "Live-Mitschnitt" vom Wirkprozess eines medizinischen Wirkstoffs mit seinem molekularen Partner aufnehmen", erklärt die Chemikerin Techert.

Doch die Stärke des Freie-Elektronen-Lasers ist zugleich seine Schwäche. Denn die hoch ionisierende Röntgenstrahlung kann zu Strahlenschäden führen; Messartefakte wären die Folge. Dass sich gefürchtete Artefakte vermeiden lassen, zeigen die Ergebnisse der Forscher eindrucksvoll. "Mit einer Pulslänge von 20 Femtosekunden sind die Aufnahmen "im Kasten", bevor der Zerstörungsprozess der Moleküle durch die weichen Röntgenstrahlen einsetzt", erklärt Techert. Die Arbeiten wurden durch die Advanced Study Group der Max-Planck-Gesellschaft sowie den SFB 602 ("Complex structures in condensed matter from atomic to mesoscopic scales") und den SFB 755 ("Nanoscale photonic imaging") der Deutschen Forschungsgemeinschaft unterstützt.

Durch die hohe Intensität der FEL-Strahlung ließen sich selbst kleinste Mengen eines Molekülkristalls untersuchen. Mit Freie-Elektronen-Lasern könnten so Strukturinformationen auch aus Nano-Teilchen beziehungsweise Nano-Kristallen gewonnen werden, die sich momentan herkömmlichen Strukturbestimmungsmethoden mit Röntgenstrahlung verweigern. "Mit härterer Röntgenstrahlung der Wellenlänge von weniger als einem Nanometer könnte es zukünftig möglich sein, chemische Strukturen in kristallografischer Manier im Angstrom-Bereich zu bestimmen. Bis zu welcher strukturellen Auflösung dies möglich sein wird, bleibt mit Spannung zu erwarten", so Max-Planck-Forscherin Techert. Die Ergebnisse der Forscher lassen hoffen, dass Freie-Elektronen-Laser künftig Einsatz finden könnten, um kleine Strukturänderungen molekularer Wirkstoffe oder Proteine "live" in Aktion zu filmen. [cr/st]

Die untersuchte Schalteinheit besitzt die Form von Nanoröhrchen

Die untersuchte Schalteinheit besitzt die Form von Nanoröhrchen, die durch fettsäureähnliche Komponenten aufgebaut ist (links). Die mittlere Abbildung zeigt das zu erwartende Röntgenbild, die rechte Abbildung das gemessene Signal. (Bild: Techert / MPIbpc)


 

Quellen und Artikel:

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I. Rajkovic, G. Busse, J. Hallmann, R. Moré, M. Petri, W. Quevedo, F. Krasniqi, A. Rudenko, T. Tschentscher, N. Stojanovic, S. Düsterer, R. Treusch, M. Tolkiehn, and S. Techert:
Diffraction Properties of Periodic Lattices under Free Electron Laser Radiation.
In: Physical Review Letters; Volume 104, Issue 12, 125503, 25. März 2010
DOI: 10.1103/PhysRevLett.104.125503
URL: direct link

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I. Rajkovic, J. Hallmann, S. Grübel, R. More, W. Quevedo, M. Petri, and S. Techert:
Development of a multipurpose vacuum chamber for serial optical and diffraction experiments with free electron laser radiation.
In: Review of Scientific Instruments; Rev. Sci. Instrum. 81, 045105; 12. April 2010
DOI: 10.1063/1.3327816
URL: direct link

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Forschungsgruppe Simone Techert: Strukturdynamik (bio)chemischer Systeme

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Quelle: Max-Planck-Institut für biophysikalische ChemieMPIBPC, (Karl-Friedrich-Bonhoeffer-Institut), Göttingen

 

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