Als Theoretische Chemiker simulieren Prof. Dr. Stefan Grimme und Prof.
Dr. Ernst-Ulrich Würthwein Reaktionen am Computer. Prof. Würthwein
erläutert: "Experimente sind häufig sehr aufwändig und teuer.
Theoretiker können bereits sehr präzise Vorhersagen darüber treffen,
wie einzelne Moleküle miteinander reagieren oder sich verändern." Die
Praktiker können anhand der Vorhersagen ihre Experimente effizienter
planen.
"Indem Molekülen eine feste Orientierung gegeben wird, kann man
selektive Reaktionen, aber auch bestimmte Eigenschaften erzeugen",
erklärt Prof. Dr. Hartmut Redlich. "In der Natur gibt es dafür
komplexe Enzyme. Wir Chemiker überlegen uns, wie auf einfachere Art
Moleküle so strukturiert werden, dass sie in gewünschter Weise
wechselwirken."
Struktur und Anordnung einzelner Moleküle entscheiden über Qualität
und Festigkeit eines Kunststoffs. Ihre Verknüpfungsreaktion wird durch
Katalysatoren, die reaktive Metalle enthalten, gesteuert. Die Chemiker
Prof. Dr. Gerhard Erker und Prof. Dr. Ekkehardt Hahn entwickeln
neuartige Metallkomplexe mit stark orientierender, katalytischer
Aktivität, wodurch Moleküle derart verknüpft werden, dass Kunststoffe
mit verbesserten Eigenschaften entstehen.
Die Strukturierung von Oberflächen ist ein weiterer Schwerpunkt im
SFB. "Solche zweidimensionalen Schichten verändern ihre Eigenschaften
in ausgeprägter Weise, wenn sie fluorierte Gruppen in den
Schichtmolekülen enthalten", gibt Prof. Dr. Günter Haufe Einblick in
eine Möglichkeit, die Struktur und Funktion von Oberflächen zu
beeinflussen.
Biochemiker untersuchen das "Lungensurfactant", das die Lungenbläschen
im menschlichen Körper als wässrige Schicht überzieht und für den
Gasaustausch beim Atmen nötig ist. Die Lipide und Proteine in dem Film
erfahren beim Atmungsvorgang eine spezifische Orientierung. "Wir
wollen ein künstliches Lungensurfactant herstellen und hoffen, damit
eine verbesserte Therapie für zu früh geborene Kinder, denen der
lebenswichtige Film noch fehlt, zu entwickeln", so Prof. Dr.
Hans-Joachim Galla, dessen Arbeitsgruppe eng mit Physikern um Prof.
Dr. Harald Fuchs zusammenarbeitet.
Die Physiker machen die Moleküle in dem von den Chemikern erzeugten
Film durch so genannte Nanosonden (Rasterkraft- bzw.
Rastertunnelmikroskope) sichtbar. "Wir analysieren Moleküle im
zweidimensionalen Raum, also die Molekülschichten auf Oberflächen und
an Grenzflächen. Die zweidimensionale Welt ist von großer Bedeutung,
sowohl in der Biologie als auch in der Technik bei
Oberflächenbeschichtungen, wie sie für Regenbekleidung oder in
Autokatalysatoren eingesetzt wird", erklärt Prof. Fuchs.
Der SFB 424 wird Ende 2008 aufgelöst, da dann die maximal mögliche
Förderungsdauer von zwölf Jahren durch die Deutsche
Forschungsgemeinschaft (DFG) ausgeschöpft ist. Die DFG hat den SFB 424
seit 1996 mit mehr als 14 Millionen Euro unterstützt; zusammen mit
Landesmitteln standen den beteiligten Arbeitsgruppen rund 18 Millionen
Euro zur Verfügung. Prof. Hoppe blickt in die Zukunft: "Wir sind durch
den Erfolg des SFB 424 ermutigt und es gibt bereits Initiativen, einen
neuen SFB auf die Beine zu stellen."
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