Neuer Entstehungsmechanismus der Glasknochenkrankheit entdeckt
Mutation treibt knochenbildende Zellen in den Selbstmord.
Eine starke Muskelanspannung, ein Husten - winzige Belastungen k�nnen
Menschen, die unter Osteogenesis imperfecta leiden, bereits die
Knochen brechen. Verursacht wird die Glasknochenkrankheit, wie die
seltene Erbkrankheit umgangssprachlich genannt wird, durch
verschiedene Gendefekte, die die Synthese von Kollagen behindern. Die
Folgen sind eine reduzierte Knochendichte, extrem br�chige Knochen und
oft auch eine verringerte Lebenserwartung (siehe Foto).
Wissenschaftler des GSF - Forschungszentrums f�r Umwelt und Gesundheit
deckten nun einen bisher v�llig unbekannten Krankheitsmechanismus auf:
Fehlerhaft gefaltete Prokollagene versetzen knochenbildende Zellen in
solchen Stress, dass sie in den programmierten Zelltod getrieben
werden, die Apoptose.
"Wir konnten durch chemisch ausgel�ste Mutationen eine Mauslinie
erzeugen, deren Kollagensynthese durch einen Defekt im Gen f�r das
Prokollagen proa1(I) gest�rt ist", erz�hlt Prof. Martin Hrab� de
Angelis, der Leiter des GSF-Instituts f�r Experimentelle Genetik.
Kollagen ist das h�ufigste Strukturprotein des Bindegewebes und das
wichtigste Baumaterial der Knochen - bei der Maus ebenso wie beim
Menschen. Normalerweise winden sich in der Zelle drei proa1(I)-Ketten
umeinander und bilden so einen Dreifachstrang, der an die
Zelloberfl�che transportiert wird. "Durch die Mutation ist die
Proteinfaltung so gest�rt, dass sich dieser Dreifachstrang nicht
bilden kann, und das Kollagen bleibt quasi in der Zelle stecken",
erkl�rt Hrab� de Angelis.
Zur �berraschung der Wissenschaftler wirkte sich dieser Defekt nicht
nur direkt negativ auf die Knochenbildung aus, weil weniger
funktionsf�higes Kollagen gebildet wird, sondern es wird noch ein
anderer Mechanismus ausgel�st: Die missgefalteten Proteine reichern
sich im endoplasmatischen Reticulum (ER) der Zelle an und setzen dort
eine hoch komplexe zellul�re Stressreaktion in Gang, die sogenannte "unfolded
protein response" (UPR). Durch die UPR werden Enzyme aktiviert, die
den programmierten Zelltod der knochenbildenden Zellen (Osteoblasten)
verursachen - was br�chige Knochen zur Folge hat. Die Wissenschaftler
sch�tzen, dass dieser Prozess zu etwa 30 Prozent an der
Glasknochenkrankheit beteiligt ist.
"Diese Ergebnisse sind hochinteressant, weil sie ein v�llig neues
Fenster f�r Therapien �ffnen", betont Hrab� de Angelis, "man k�nnte
sich f�r die Zukunft beispielsweise vorstellen, anti-apoptotische
Stoffe zu entwickeln und einzusetzen". Zudem ist die neu gewonnene
systemische Einsicht wichtig, um die Krankheit besser zu verstehen,
denn Osteogenesis imperfecta ist keine reine Knochenkrankheit: bei den
Mausmutanten sind auch Lunge, Herz und Stoffwechsel betroffen. Um
diese Aspekte n�her zu untersuchen, sind weitere Studien geplant.
Quellen und Artikel:
-
Open Access Article:
Thomas S. Lisse, Frank Thiele, Helmut Fuchs, Wolfgang Hans, Gerhard
K. H. Przemeck, Koichiro Abe, Birgit Rathkolb, Leticia
Quintanilla-Martinez, Gabriele Hoelzlwimmer, Miep Helfrich, Eckhard
Wolf, Stuart Ralston, Martin Hrab� de Angelis: ER stress-mediated apoptosis in a new mouse model of osteogenesis
imperfecta.
In: PLoS Genetics, e7.eor
doi: 10.1371/journal.pgen.0040007.eor.