Als Katalysator für chemische Reaktionen werden poröse Strukturen
schon jetzt kommerziell eingesetzt. Zudem aber entstehen in Kanälen
von wenigen Nanometern Dicke Nanodrähte, die als Bausteine für die
Sensorik der Zukunft dienen sollen. Nicht zuletzt sind der gezielte
Transport und die Freigabe von therapeutischen Substanzen im Körper
denkbar. Ein wichtiger Fortschritt auf dem Weg zum Verständnis ist nun
dem LMU-Forscherteam gelungen, indem sie zwei Methoden kombinierten:
Die Struktur eines nanoporösen Festkörpers nahmen sie mit einem
Transmissionselektronenmikroskop auf. Die Wege einzelner
fluoreszierender Moleküle darin bildeten sie aber mittels optischer
Mikroskopie ab und überlagerten anschließend beide Bilder mit einer
Genauigkeit von wenigen 10 Nanometern. Diese Methode eröffnet neue
Wege zum Verständnis der realen porösen Struktur mit all ihren
auffälligen und versteckten Defekten, sowie deren Einfluss auf die
Bewegungen der eingeschlossenen Moleküle.
Materialien mit periodisch geordneten Poren im Nanometerbereich,
insbesondere mesoporöse Feststoffe mit Porendurchmessern von zwei bis
50 Nanometern, können eine Vielzahl verschiedener Strukturen annehmen.
Zur Herstellung nutzt man dabei die Selbstorganisation
oberflächenaktiver Moleküle ("Template"). Das funktioniert ähnlich wie
bei Seifenmolekülen in Wasser. Diese ordnen sich von selbst in so
genannten Mizellen an, winzigen Kügelchen, die sich an ihrer
Oberfläche mit dem Wasser verbinden und in ihrem Inneren Fette
aufnehmen können. Molekulare Bausteine lagern sich um diese Template
herum und bilden durch Vernetzung einen Festkörper, der mit
templatgefüllten Hohlräumen durchzogen ist. Diese Hohlräume können die
Form von Kugeln, Kanälen oder auch von Schichten haben. Das kann zum
Beispiel so aussehen wie ein Bündel Makkaroni. Aufgrund ihrer über
weite Bereiche hinweg modifizierbaren Eigenschaften sind diese porösen
Materialien ideale Strukturen ("Wirte") für eine Fülle von
Anwendungen, etwa in der Katalyse, für die geschützte Aufnahme von
Proteinen und die gezielte Freisetzung von Arzneimitteln oder als
Matrix für die Herstellung von superdünnen Drähten für die
Nanoelektronik.
Da die Anordnung der Poren und Gänge in diesen Materialien besonders
die Bewegungen von Molekülen innerhalb des Systems beeinflusst, ist es
von großem Interesse, das Verhalten dieser Moleküle mit der lokalen
Struktur des Wirtssystems zu korrelieren. Diese Bewegungen lassen sich
zum Beispiel mit Hilfe der Einzelmolekülfluoreszenzmikroskopie
beobachten, die bereits detaillierte Einblicke in die Dynamik
verschiedenster biologischer Vorgänge in Zellen bis hin zur
heterogenen Katalyse geben konnte. Einzelne fluoreszierende
Farbstoffmoleküle kann man sich als leuchtende Sonden vorstellen, mit
denen man die Diffusionsprozesse im Inneren poröser Wirte verfolgen
kann. Aus den Wegen der Moleküle lassen sich dann Rückschlüsse auf die
Struktur des porösen Wirtsmaterials ziehen.
Die Einzelmolekülmikroskopie liefert dabei zwar eine deutlich höhere
Auflösung als die konventionelle optische Mikroskopie, nämlich bis zu
wenigen Nanometern. Durch das Verfolgen einzelner Moleküle kann man
aber nur indirekt die Kanalsysteme beobachten, in die das Molekül
eindringen kann. Die Transmissionselektronenmikroskopie, deren
Auflösung noch höher ist - sie liegt im atomaren Bereich - ist dagegen
in der Lage, die gesamte Struktur abzubilden. Sie liefert jedoch
keinerlei dynamische Informationen über die Bewegung der Gastmoleküle.
Daher war es bis jetzt nicht möglich, die Diffusion einzelner Moleküle
mit der realen nanoporösen Struktur ihrer Umgebung zu korrelieren.
Gemeinsam gelang nun den Arbeitsgruppen um Professor Christoph
Bräuchle und Professor Thomas Bein die Kombination von
Einzelmolekülfluoreszenzmessungen und elektronenmikroskopischen
Aufnahmen an derselben Position innerhalb einer mesoporösen Struktur.
Die Forscher zeigen, wie einzelne leuchtende Farbstoffmoleküle durch
geradlinige oder stark gekrümmte Bereiche eines mesoporösen
Kanalsystems wandern, wie sie an Domänengrenzen oder am Übergang zu
amorphen Gebieten zur Umkehr gezwungen werden, und sogar wie sie durch
Defektstellen in der Wand von einem Kanal zum nächsten schlüpfen
können. Außerdem konnten in verschiedenen Bereichen der Wirtsstruktur
unterschiedliche Diffusionsgeschwindigkeiten nachgewiesen werden -
abhängig von der vorherrschenden Struktur.
Der neue experimentelle Ansatz liefert den Forschern detaillierte
Informationen über die reale Defektstruktur poröser Materialien mit
einer hohen räumlichen Auflösung, die mit herkömmlichen
Beugungsmethoden nicht erreicht werden kann, da diese immer einen
Mittelwert über größere Bereiche hinweg abbilden. Ebenso erhalten sie
auf diese Weise lokal aufgelöste dynamische Informationen in Echtzeit,
die mit konventionellen Diffusionstechniken ebenfalls nicht erzielt
werden können. Die Forscher erwarten von dieser neuen Methode
detaillierte Einblicke in die reale Struktur und Dynamik vieler
poröser Materialien und wichtiger Wirt-Gast Systeme, beispielsweise
von bioaktiven Molekülen in porösen Materialien für den
zielgerichteten Transport von Arzneimitteln, von Reaktionspartnern in
porösen Katalysatoren, oder bei der Herstellung von Nanodrähten für
die Sensorik von morgen.
Die in Nature vorgestellten Arbeiten entstanden im Rahmen der
Exzellenz-Cluster "Nanosystems Initiative Munich" und "Center for
Integrated Protein Science Munich", die es sich zum Ziel gesetzt
haben, funktionale Nanostrukturen für Anwendungen in der Medizin und
in der Informationsverarbeitung zu entwickeln, zu erforschen und zum
Einsatz zu bringen.
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