
Rohr vor dem Versuch im 32 Meter tiefen,
unterirdischen Prüfschacht der MPA.

Zerborstenes Rohr nach einer gezielten
Knallgasdetonation.
Bilder: © Universität Stuttgart/MPA.
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Bei Siedewasserreaktoren und in chemischen
Anlagen ist es theoretisch möglich, dass sich in Rohrleitungen ein
Wasserstoff/Sauerstoff-Gemisch (Knallgas) bildet, das sich entzünden
und zur Detonation im Rohr führen könnte. Im Rahmen des
Forschungsvorhabens führen die Wissenschaftler der MPA deshalb
experimentelle und numerische Untersuchungen zum Rohrleitungsverhalten
durch, in dem sie Situationen simulieren, bei welchen sich in
Rohrleitungen vorhandene Wasserstoff/Sauerstoff-Ansammlungen
entzünden. Als Versuchsmaterial verwenden die Forscher dünnwandige
Geradrohre mit einer Weite von 100 Millimetern mit und ohne
eingeschweißte Rohrkrümmer und bringen das Wasserstoff/Sauerstoff
Gemisch im stöchiometrischen Verhältnis von rund 66 Volumenprozent
Wasserstoff und 34 Volumenprozent Sauerstoff mit einem Fülldruck von
70 bar in die Rohre ein. Bei den Versuchen wird zusätzlich Stickstoff
in Anteilen zwischen null und 60 Prozent eingesetzt, so dass nach
gezielter Zündung unterschiedlich starke Gasreaktionen realisiert
werden. Je niedriger der Stickstoffanteil, desto mehr Energie wird
freigesetzt. Hierbei entstehen Druckspitzen von bis zu 1.500 bar, die
sich mit Überschallgeschwindigkeit von rund 3.000 Metern pro Sekunde
im Rohr ausbreiten (zum Vergleich: Die Schallgeschwindigkeit unter
normalen Umgebungsbedingungen beträgt 330 Meter pro Sekunde). Zu
derartigen hochdynamischen Rohrleitungsbelastungen gibt es bislang
noch kaum Versuchsergebnisse. Im Gegensatz zu den weitläufig
angewandten quasistatischen Berstversuchen können bei diesen
hochdynamischen Beanspruchungen Mehrfachlängsriss- und -bruchbildungen
bis hin zu Splitterbrüchen auftreten. Die Versuche werden im 32 Meter
tiefen Prüfschacht der MPA durchgeführt und mit modernster Messtechnik
aufgezeichnet. Eine moderne High Speed-Kamera filmt zudem die Abläufe
mit bis zu 100.000 Bildern pro Sekunde.
Die aufwändigen Versuche nutzen die Wissenschaftler nicht nur für die
experimentelle Analyse des Rohrleitungsverhaltens. Die Ergebnisse
dienen auch der Verifikation von numerischen Berechnungen zur
Beschreibung des Materialverhaltens bei derartig hochdynamischen
Beanspruchungen und fließen in die Entwicklung von Werkstoffgesetzen
mit ein.
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