
Abb. 1: Struktur des "Chromosomalen Passenger
Complex". Die drei zentralen Komponenten binden als Monomere dicht
aneinander: Borealin (rot), INCENP (grün) und Survivin (blau).
Bild: Max-Planck-Institut für Biochemie/U.Klein

Abb. 2: Borealin ist ein essentieller Bestandteil
des chomosomalen passenger complexes. Zellen, die normales
Borealin synthetisieren, teilen sich fehlerfrei (links). Zellen,
die eine veränderte Form des Borealin Proteins aufweisen, welches
nicht mehr im "Chromosomalen Passenger Complex" gebunden ist,
können keine Zellteilung mehr durchführen (gekennzeichnet durch
den Pfeil, rechts). Blau: DNA, rot: Spindel, grün: Borealin.
Bild:Max-Planck-Institut für Biochemie/A.
A.Jeyaprakash
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Am Anfang steht immer eine Zelle - bei Mensch
oder Wurm. Erst durch die Zellteilung oder "Zytokinese", ein
Wunderwerk der Natur, wird die Vermehrung zu einem vielzelligen
Organismus möglich. Eine menschliche Zelle erstellt vor ihrer Teilung
während der Mitose identische Kopien der 46 Chromosomen, sodass die
neuen Tochterzellen einen kompletten Satz der genetischen Information
erhalten. Werden die Chromosomen bei der Zellteilung ungleich
verteilt, können Krebs oder schwere genetische Erkrankungen entstehen.
Eine zentrale Rolle bei der richtigen Aufteilung der Chromosomen
spielt der so genannte "Chromosomale Passenger Complex" (CPC). Dieser
Protein-Komplex bindet bei der Zellteilung zunächst an den zentralen
Ankerpunkt (Centrosom) der Chromosomen und später an die zentralen
Spindelfasern, welche die Chromosomen bei der Aufteilung auf die
Tochterzellen auseinander ziehen. Bisher war bekannt, dass der Wächter
der Zellteilung aus vier Komponenten besteht - INCENP, Survivin,
Borealin und Aurora A -, die nur gemeinsam zum Erfolg der korrekten
Chromosomen-Aufteilung führen. Um die Kooperation dieser Komponenten
zu verstehen und detaillierter untersuchen zu können, muss ihre
Molekül-Struktur betrachtet werden. Wissenschaftlern des
Max-Planck-Instituts für Biochemie und des "European Molecular Biology
Laboratory" (EMBL) ist es jetzt gelungen, die zentralen Strukturen der
Untereinheiten des Chromosomen-Transporters aufzuklären.
Die Feinregulation der Chromosomen-Aufteilung
Die Struktur- und Zellbiologen zeigen, welche Molekül-Abschnitte
notwendig sind, damit der Transport-Service der Chromosomen
funktioniert und die Zellteilung korrekt abläuft. Mit der
Kristallisation und Röntgenstruktur-Analyse des CPC aus Bakterien E.
coli konnte Arockia Jeyaprakash am EMBL die Struktur aufklären. Der
Zellbiologe Ulf Klein erzeugte anschließend Mutanten in Hefezellen und
menschlichen HeLa-Zellen, bei denen Teile der für CPC verantwortlichen
Gene ausgeschaltet wurden. Damit konnte er exakte Aussagen machen,
welche Aminosäuren für die Funktion des CPC und damit für die korrekte
Zellteilung unbedingt notwendig sind.
Für die Erforschung der Zellteilung ist die Arbeit von Jeyaprakash und
Klein ein wesentlicher Beitrag, um die Feinregulation der
Chromosomen-Aufteilung bei der Zellteilung (Mitose) zu verstehen. So
konnten sie die bisherige Lehrmeinung widerlegen, dass die vier
Proteine INCENP, Survivin, Borealin und Aurora B selbstständige
Regulatoren der Zellteilung sind. Die vier Proteine bilden eine
Einheit, bei der helikale Teilbereiche der Passenger-Proteine sehr eng
miteinander verbunden sind und mehrere Kontaktstellen zwischen den
Aminosäuren bestehen (Abb. 1). "Wir waren sehr über die enge
Verzahnung der Kooperationspartner des 'Chromosomalen Passenger
Complexes' überrascht. Wir verstehen jetzt, dass durch das Fehlen
eines Partners die gesamte Struktur nicht mehr aufrecht erhalten
werden kann und damit die Bindung des CPC an die Mitose-Spindel
unmöglich wird", sagt Ulf Klein, der die Studie im Rahmen seiner
Doktorarbeit durchführte.
Geeignetes Zielmolekül für Krebstherapeutika
Die Wissenschaftler fanden darüber hinaus heraus, dass Survivin, das
in der separaten Kristallstruktur des Komplexes ein Doppel-Molekül (Dimer)
ist, im gesamten chromosomalen Komplex nur als einfaches Molekül
vorkommt und das zweite Passenger-Protein Borealin stattdessen in
einer Art Mimikry an das vorhandene Einzelmolekül bindet. Hier können
die Martinsrieder und Heidelberger Wissenschaftler die Diskussion um
die Rolle von Survivin ebenfalls beilegen. Bisher hatten Studien zur
Funktion von Survivin gezeigt, dass es unbedingt im Zytoplasma der
Zellen als Dimer (Doppelmolekül) vorhanden sein muss, um dem Zelltod (Apoptose)
entgegenzuwirken. Jeyaprakesh konnte jetzt zeigen, dass es als Monomer
(Einzelmolekül) ein wichtiger Regulator der Zellteilung ist und
deshalb auch ein geeignetes Zielmolekül für Krebstherapeutika (Abb.
2).
Der "Chromosomale Passenger Complex" wandert während der Zellteilung
von den so genannten Centromeren, den Einschnürungsstellen der
Chromosomen, zu den Spindelfasern und trägt so zur Separation der
Chromosomen bei. Die jetzt bekannte Struktur eröffnet der
Zellteilungs-Forschung die Möglichkeit, die Kooperation mit weiteren
Bindungspartnern noch detaillierter zu verstehen.
Da Fehler der Chromosomen-Aufteilung während der Zytokinese häufig
auch Ursachen für verschiedene Krebsformen sind, ist die Kenntnis der
Struktur des zentralen Regulators natürlich auch wesentlich für die
Entwicklung von Therapeutika, die die Teilung von Tumorzellen hemmen
bzw. deren Zelltod wieder aktivieren können.
Arockia Jeyaprakash arbeitet seit einigen Wochen in der Abteilung
Zelluläre Strukturbiologie unter Leitung von Dr. Elena Conti, der
neuen Direktorin am Max-Planck-Institut für Biochemie in Martinsried.
Elena Conti wurde 2006 vom EMBL in die Max-Planck-Gesellschaft berufen
und hat vor einigen Wochen ihre Arbeit in Martinsried aufgenommen. Die
vorliegende Arbeit ist eine Kooperation mit der seit längerem am MPI
etablierten Abteilung Zellbiologie unter Leitung von Professor Erich
Nigg.
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