
Abb. 1: Heidelberger Forscher haben die zeitliche
Entwicklung einer Molekülschwingung visualisiert [2]. Aufgetragen
ist der Abstand der zwei Atomkerne (R) im Molekül-Ion des schweren
Wasserstoffs (Deuterium) D2+ gegen die Zeit.

Abb. 2: Die Forscher haben die Schwingung eines
Deuterium-Molekül-Ions in ihre Frequenzen zerlegt. Sie zeigten,
welche Quantenzustände hierzu beitragen und wie Laserfelder die
Schwingung beeinflussen. (a) Frequenzspektrum der Quantenzustände,
aus denen sich die Molekülschwingung aufbaut. (b) Modellrechnung
der freien Schwingung (ohne Laserfeld): Die farbigen Streifen
entsprechen der charakteristischen Verteilung des Kernabstands in
den jeweiligen Quantenzuständen. Die weiße Kurve (Potentialkurve)
begrenzt hier die Schwingungsamplitude, die für das Molekül
erlaubt ist. An den möglichen maximalen bzw. minimalen
Kernabständen finden sich jeweils die höchsten
Wahrscheinlichkeiten. Denn die gegeneinander schwingenden Atome
verharren jeweils an ihrem Umkehrpunkt am längsten, und sind hier
somit am wahrscheinlichsten anzutreffen. (c) Experimentelles
Resultat: Die Wahrscheinlichkeitsverteilung für die Kerne ist hier
zu größeren Abständen hin verschoben. Außerdem bricht das
Laserfeld die molekulare Bindung bei bestimmten Quantenzuständen
auf. Die Potenzialwand öffnet sich hier. Die schwarze
Hintergrundfarbe deutet an, dass dort der Laserpuls nicht sensitiv
genug ist. Daher gibt es aus diesem Bereich auch keine Daten.
Bilder: © Max-Planck-Institut für Kernphysik
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Meereswellen überschlagen sich nie gleichmäßig
am Strand. Das eine Mal sind sie riesig, ein anderes Mal brechen sie
fast gar nicht. Zeitweise rollt keine Welle ans Ufer, manchmal kommen
sie sehr schnell hintereinander an. Dieses Phänomen ist leicht zu
erklären: Im Meer lagern sich viele Wellen unterschiedlicher
Frequenzen übereinander. Zum Beispiel werden große Wellen von Erdbeben
und kleine Wellen vom Wind angeregt. Dabei löschen sie sich manchmal
aus, sie können sich aber genauso gegenseitig verstärken.
Ob Meer oder Molekül
Nun verhalten sich Schwingungen aller möglichen Arten im Prinzip
gleich - ob das Meereswellen, also schwingendes Wasser, oder eine
Molekülschwingung ist. Auch sie besteht meist aus sich überlagernden
Schwingungen verschiedener Frequenzen. Dabei entspricht die Energie
dieser Frequenzen, der Energie, mit der die Schwingung angeregt wurde.
"Schon lange ist bekannt, dass die Frequenzen einer Molekülschwingung,
im Gegensatz zu den Wasserwellen, nicht beliebige Werte annehmen
können", sagt Bernold Feuerstein vom Max-Planck-Institut für
Kernphysik. Die Frequenzen einer Molekülschwingung beziehungsweise
ihre Energien sind "gequantelt". Deshalb sprechen Physiker hier auch
von Quantenzuständen. Der akustische Vergleich veranschaulicht das:
Ein Musikakkord entsteht, indem sich Töne, also Schallwellen,
verschiedener Frequenzen überlagern. Da die Töne zu einer Tonleiter
gehören, haben sie nur bestimmte Frequenzen. Genauso können Atome in
einem Molekül nur in bestimmten Frequenzen schwingen, die sich dann
überlagern und schließlich die gesamte Molekülschwingung erzeugen.
Kein Ohr für Quanten
Ein geschultes Ohr kann einzelne Töne eines Akkords einfach
heraushören. Um Bewegungen der Quantenwelt - der Welt nanometerkleiner
Moleküle, Atome und Elektronen - wahrzunehmen, besitzen wir kein
Organ. Auch ein Mikroskop vermag die Bewegungen von Quanten nicht
festzuhalten. Die Wissenschaftler des Heidelberger
Max-Planck-Instituts für Kernphysik haben sich deshalb spezieller
Hilfsmittel bedient. Zusammen mit der Theorie-Gruppe von Uwe Thumm an
der Kansas State University haben sie jetzt erstmals die Schwingung
eines Wasserstoffmoleküls auf seine Quantenzustände hin analysiert.
Grundlage dafür war, dass die Max-Planck Forscher schon vor einiger
Zeit die Schwingung des Moleküls D2+ (Deuterium = schwerer
Wasserstoff) in extremer Zeitlupe visualisiert hatten (Abb. 1). Dazu
benutzten sie zwei ultrakurze Laserpulse, um die extrem schnelle
Bewegung der Atomkerne erst anzustoßen und dann abzulichten. Der Film
zeigt, wie sich die Kernabstände und das Muster der Schwingung
zeitabhängig verändern. Im Prinzip würde so auch ein Film von
Meereswellen aussehen. Einmal ist die Schwingung der Kerne deutlicher
zu sehen, ein anderes Mal sind diese Wellenmuster verschwommen, je
nachdem welche der sich überlagernden Frequenzen sich gerade
auslöschen oder verstärken.
Weil jede Frequenz in eindeutiger Weise zu dem Wellenmuster beiträgt,
können Wissenschaftler sie ermitteln, wie ein Musiker auch die Töne
eines Akkords erkennt. Hierzu verwenden die Forscher eine
mathematische Methode, die Fourier-Transformation, die eine Schwingung
wie ein "virtuelles Gehör" in ihre Frequenzen zerlegt. So haben die
sie die Daten aus der zeitlichen Entwicklung der Molekülschwingung
komplett einer Fourier-Transformation unterzogen. "Zum ersten Mal
haben wir auf diese Weise die Quantenzustände einer Molekülschwingung
genau ermitteln können", sagt Bernold Feuerstein.
Klare Ergebnisse
Das erste Ergebnis ist eine Stufenleiter (Spektrum) der Frequenzen,
also der Quantenzustände, welche die molekulare Schwingung aufbauen
(Abb. 2a). Um beim akustischen Vergleich zu bleiben: die Töne des
Akkords. "Bemerkenswert ist, dass wir so klare und eindeutige
Ergebnisse für die Quantenzustände erhalten haben", sagt Feuerstein.
Als die Heidelberger Forscher die Schwingung mit Laserpulen
abgelichtet hatten, hatten sie aber nicht nur die Frequenz, sondern
auch die Abstände der schwingenden Deuteriumkerne zeitabhängig
bestimmt. Die Wissenschaftler verknüpften nun die Information über die
Kernabstände mit den Frequenzen in einem Diagramm (Abb. 2b,c): Die
Ergebnisse zeigen, dass jede Frequenz, also jeder Quantenzustand, für
eine charakteristische Verteilung des Kernabstands verantwortlich ist.
Um zu untersuchen, wie die Laserpulse die Schwingung beeinflussten,
fertigten die Forscher zusätzlich noch eine Modellrechnung an, bei der
sie von einer ungestörten Schwingung ausgingen.
Die Schüssel und die Murmel
Bei der Modellrechnung ist die Schwingungsamplitude durch ein
Potential begrenzt. Das Potential des Moleküls hängt dabei vor allem
von der Stärke der Molekülbindung ab. Je nachdem welche
Quantenzustände zur Molekülschwingung beitragen, kann also nur eine
bestimmte Amplitude erreicht werden. Veranschaulichen lässt sich das
Potential durch eine Schüssel, in der eine Murmel hin und her rollt.
Je stärker die Kugel angestoßen wird, also je mehr Energie im System
steckt, umso größer ist die Auslenkung der Murmel. Wie groß die
Auslenkung der Murmel werden kann, hängt hier vom Potential der
Schüssel ab, also wie steil sie ist.
Das Potential der Schwingung flacht sich zu höheren Energien hin ab,
da immer weniger Energie aufgebracht werden muss, damit die Atome
weiter auseinander schwingen. Irgendwann reißen die Kerne auseinander.
Das lässt sich mit einer Schüssel vergleichen, die nach oben hin
weniger steil ist. Wird die Kugel schließlich stark genug angeschubst,
fliegt sie aus der Schüssel heraus.
Löchrige Schüssel
Bei der realen experimentellen Situation beeinflussen die Laserpulse
die Schwingung deutlich. Nach außen hin öffnet sich bei bestimmten
Frequenzen ein "Fenster" in der Potentialwand. Die Bindung des
Moleküls wird hier aufgebrochen: Der Laserpuls, der die Schwingung
anregt, erhöht bei diesen Quantenzuständen die Wahrscheinlichkeit,
dass das Molekül aufbricht und die Kerne auseinander fliegen. Wenn das
im Experiment passierte, fand der zweite Laserpuls entweder keine
Kerne mehr vor oder lichtete sie gerade beim auseinanderfliegen ab.
Die charakteristische Verteilung der Kerne ist hier deshalb auch zu
größeren Abständen hin verschoben. Dass das Molekül aufbricht, ist im
Prinzip eine einfache chemische Reaktion, welche hier durch das
Lichtfeld ausgelöst wird. Zieht man als Vergleich wieder die Murmel in
der Schüssel heran, hat die Schüssel hier ein Loch. Mit einer
bestimmten Wahrscheinlichkeit rollt die Murmel direkt in das Loch und
fliegt aus der Schüssel.
Manipulation als Ziel
"Interessant ist nun, dass wir sehen bei welchen Quantenzuständen das
Laserfeld die Schwingung beeinflusst und wie stark es sie verändert",
erklärt Bernold Feuerstein. "Bei einem schwächeren Laserfeld würde
sich das Fenster in der Potentialwand zum Beispiel erst bei höheren
Quantenzuständen öffnen." Daraus können die Forscher Schlüsse ziehen,
wie bestimmte Laserfelder chemische Reaktionen beeinflussen und welche
Quantenzustände zu einer bestimmte Reaktion beitragen. "Die Methode
ist generell auf andere Quantensysteme anwendbar und - auch für
komplexere Moleküle" sagt Feuerstein. "Wir hoffen, dass wir mit diesen
Informationen zum Beispiel irgendwann einmal die Aktivität eines
Enzyms durch Laserfelder gezielt manipulieren können."
Hörbar
Zur Veranschaulichung haben die Forscher die Schwingung noch in ein
akustisches Signal (Schallwellen) umgesetzt und sie hörbar gemacht.
Sie haben die Schwingung so in einen Musikakkord verwandelt. Das
Lauter- und Leiserwerden der Tonsignale (Schwebung) entspricht dabei
dem Abstand der gegeneinander schwingenden Atomkerne des Moleküls. Die
hörbaren Schwebungen entstehen durch Überlagerung verschiedener
Tonhöhen (Frequenzen), also den Quantenzuständen, welche die
Molekülschwingung aufbauen.
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