
Schnappschuss der Evolution: Die mit modernster
Tunnelmikroskopie erstellte Aufnahme zeigt die Selbstorganisation
von nanometergroßen, molekularen Komponenten auf einer
Kupferoberfläche - einmal als Simulation (im Hintergrund), einmal
als experimentelles Abbild der Moleküle selbst (im Vordergrund).
Deutlich erkennbar ist die größenabhängige Anordnung zweier
Molekülarten (dunkel- und hellblau) in leiterartigen
Teilstrukturen. Der Abstand zwischen den molekularen "Sprossen"
beträgt ca. einen Nanometer (1 Milliardstel Meter).
Bild: Forschungszentrum Karlsruhe und
Max-Planck-Institut für Festkörperforschung Stuttgart
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Das spontane Entstehen von Ordnung aus
zufälligen Gemischen unbelebter, meist molekularer Bausteine heraus
ist ein Schlüsselschritt in der Evolution biologischer Materialien.
Gesteuert wird diese Selbstorganisation der Materie von den
spezifischen Eigenschaften der nur wenige Nanometer großen Moleküle (1
Nanometer = 1 Milliardstel Meter). In der "Kommunikation" der Moleküle
wirken diese Eigenschaften wie elementare Algorithmen, die, ähnlich
wie in einem Computerprogramm, "ausgelesen" werden können. "Die
Fähigkeit von Molekülen, sich über Schlüsselprozesse wie aktive
Selektion, Selbsterkennung und Fehlerkorrektur zu hoch organisierten
Strukturen zu ordnen, ist eine grundlegende Voraussetzung für die
Bildung molekularer Systeme bis hin zu biologischen Organismen wie
Zellen oder Membranen", sagt Klaus Kern, Direktor der Abteilung für
Nanowissenschaft am Max-Planck-Institut für Festkörperforschung in
Stuttgart.
Die Gruppe um Klaus Kern platzierte die Moleküle auf hochreinen
Kupferoberflächen und erhitzte die Mischung, um die Beweglichkeit der
Bausteine sicherzustellen. "Die Molekülbewegung auf der Oberfläche hat
den Vorteil, dass wir die nanoskaligen molekularen Anordnungen
mithilfe modernster, höchstempfindlicher Mikroskopieverfahren direkt
wahrnehmen können", erläutert Alexander Langner vom Stuttgarter
Max-Planck-Institut die Versuchsanordnung. Die Erzeugung derart
winziger Anordnungen, die zum Teil 50 000-mal kleiner sind als ein
Haar, ist keine einfache Aufgabe: "Mit konventionellen Verfahren wäre
die Fertigung außerordentlich teuer und aufwändig gewesen", sagt sein
Kollege Steven Tait. "Unsere Strategie besteht darin, von uns
’programmierte’ Bausteine zu verwenden, die sich dann in Eigenregie zu
den gewünschten Strukturen anordnen."
Für die Planung dieses Selbstorganisationsprozesses war die Karlsruher
Forschergruppe um Mario Ruben, Gruppenleiter am Institut für
Nanotechnologie des Forschungszentrums Karlsruhe, verantwortlich.
Durch gezieltes Design "programmierten" die Helmholtz-Wissenschaftler
die Moleküle mit denjenigen Informationen, die im
Selbstorganisationsprozess zum Zuge kommen sollten. "Eine gezielte,
sich selbst organisierende Ordnung chaotischer Molekülgemische gelingt
nur dann", so Mario Ruben, "wenn die in die Moleküle eingebauten
Programme sorgfältig angelegt und überdies robust genug sind, um die
Mechanismen der Selbstselektion, der Selbsterkennung und der aktiven
Fehlerkorrektur in Gang zu setzen." Das in der Studie erfolgreich
erprobte, der Natur abgeschaute Design von Molekülen gibt wichtige
Impulse für das Verständnis der biologischen Evolution. Darüber hinaus
eröffnet es vielversprechende Möglichkeiten einer programmierbaren
Manipulation der Materie auf molekularer Ebene mitsamt der darauf
aufbauenden Fertigung gänzlich neuartiger Materialien und Komponenten.
Die Online-Version der Studie von Alexander Langner, Steven Tait, Nian
Lin, Klaus Kern (alle MPI für Festkörperforschung Stuttgart) sowie
Chandrasekar Rajadurai und Mario Ruben (beide Forschungszentrum
Karlsruhe) kann unter der unten genenannten URL
abgerufen werden.
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