Ein Protonenüberschuss treibt die gekoppelten
Rotor-Untereinheiten an (blau: Fo-Motor, hellblau und violett:
F1-Schrittmotor).
Abbildung: Universität Stuttgart, Börsch
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Die ATP-Synthase ist normalerweise in der
Membran von Zellorganellen integriert. Die Forscher fanden heraus,
dass das Enzym dort wie ein Doppelmotor funktioniert. Es besteht aus
einer Turbine im membrangebundenen Teil (Fo-Motor) und einem daran
gekoppelten Schrittmotor (F1-Motor). Betrieben wird der Doppelmotor
mit Protonen (Wasserstoff-Ionen: H+). Beim Durchgang von
Protonen von der Innenseite der Membran nach außen dreht sich die
Turbine. Dabei bewirkt ein Proton eine Zehnteldrehung der Turbine, das
heißt nach zehn Protonen hat sie wieder ihre Ausgangsstellung
erreicht. Bei jedem Drittelkreis, den die Turbine beschreibt, dreht
sich auch der Schrittmotor um ein Drittel mit und öffnet dabei eine
Bindungsstelle für ein ADP- und ein Phosphat-Molekül, baut es zu einem
ATP-Molekül zusammen und setzt es frei. Der Doppelmotor kann auch
rückwärts laufen. Das Forschungsprojekt im Rahmen des Kompetenznetzes
"Funktionelle Nanostrukturen" wird seit 2003 von der
Baden-Württembergischen Landesstiftung unterstützt. Seit 2006
versuchen die Forscher, in einem Folgeprojekt die Bewegung noch besser
zu verstehen. Physiker und Chemiker arbeiten gemeinsam daran,
Rückschlüsse auf biochemische Parameter zu erhalten und mögliche
Anwendungen in der Nanotechnologie zu erproben. Beispielsweise sollen
Wirkungsmechanismen von Inhibitoren (Hemmstoffen) der ATP-Synthase
untersucht werden, die wahrscheinlich einen Einfluss auf den Verlauf
von Autoimmunerkrankungen haben. Die Wissenschaftler binden das Enzym
als Ganzes oder zerlegt in die beiden Teilmotoren, um an diesem
immobilisierten Enzym genauere Untersuchungen durchzuführen, zum
Beispiel, wie die beiden Motoren auf Steuersignale ansprechen. Zudem
wollen sie das Enzym als ATP-Generator nutzen, um daran gekoppelte
Nanomotoren anzutreiben.
Die minimalen, exakten Bewegungen des Motors möchten die Physiker der
Uni Stuttgart auch für einen ganz anderen ihrer Arbeitsbereiche
nutzen, dabei versuchen sie, Diamanten als kleine Prozessoren in
sogenannte Quantencomputer einzusetzen. Die Wissenschaftler wollen den
F1-Motor der ATP-Synthase mit einem fluoreszierenden Nanodiamanten
verbinden, so dass dann einerseits der Nanodiamant als Marker der
Rotationsbewegungen dient, um diese genauer zu erfassen. Andererseits
wollen sie den Motor einsetzen, um den Diamanten mit einer Präzision
unterhalb des Nanobereichs zu bewegen. Damit ließe sich eine
Positionsbestimmung jenseits der Beugungsgrenze des Lichts, eine so
genannte optische Superresolution, erzielen.
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