
Fruchtkörper von Bakterien der Art Sorangium
cellulosium. Um ihn zu bilden, müssen die Bakterien miteinander
kommunizieren. Die dabei eingesetzten chemischen Signale
interessieren Naturstoffforscher besonders
Abbildung: Gerth/helmholtz-hzi.de
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Neben seiner Fähigkeit zu einer sehr
vielseitigen Wirkstoffproduktion fällt Sorangium cellulosum durch eine
weitere Besonderheit auf: Es zeigt ein so genanntes pseudosoziales
Verhalten. Darunter verstehen Wissenschaftler die Fähigkeit der
Mikroorganismen, gemeinsam Strukturen aus zahlreichen Bakterien zu
bilden. Diese als Fruchtkörper bezeichneten Formen dienen dem
Überleben der Art bei Nahrungsmangel und erinnern an echte
Fruchtkörper niederer Pilze.
Die Fähigkeit von Sorangium cellulosum zur Fruchtkörperbildung
fasziniert gerade Grundlagenwissenschaftler ganz besonders. Sie zeigt,
dass auch vergleichsweise einfache Organismen wie Bakterien die
Fähigkeit zur Kommunikation und zu koordinierter Aktion haben. Die
dafür verantwortlichen chemischen Substanzen können ebenfalls in
Medizin und Pharmazie von Bedeutung sein. "Das Verständnis der
genetischen Grundlagen der Naturstoffbildung", so hofft Müller, "kann
zur Entdeckung neuer Wirkstoffe und damit zur Entwicklung neuer
Medikamente beitragen."
Koordiniert wurde das internationale und interdisziplinäre Projekt
durch das an der Universität Bielefeld angesiedelte Kompetenzzentrum
eines bundesweiten Genomforschungsnetzwerks unter der Leitung von
Prof. Alfred Pühler. Beteiligt waren neben Prof. Müller am
Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung Dr. Helmut Blöcker und Dr.
Klaus Gerth.
Eine natürliche Quelle für Medikamente
Eine große Anzahl der in der Medizin seit vielen Jahren und mit großem
Erfolg zur Behandlung von Krankheiten eingesetzten Wirkstoffe wird von
Mikroorganismen natürlicherweise gebildet. Einem bundesdeutschen
Forschungskonsortium unter Federführung des Arbeitskreises von Prof.
Rolf Müller an der Universität des Saarlandes ist es nun gelungen, die
Erbsubstanz des Bodenbakteriums Sorangium cellulosum, eines überaus
vielseitigen Naturstoffproduzenten, zu entschlüsseln. Koordiniert
wurde das Projekt durch das an der Universität Bielefeld angesiedelte
Kompetenzzentrum eines bundesweiten Genomforschungsnetzwerks unter der
Leitung von Prof. Alfred Pühler. Beteiligt war darüber hinaus auch das
Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung (Dr. Helmut Blöcker und Dr.
Klaus Gerth). Die Ergebnisse der Auswertung durch ein
interdisziplinäres und internationales Wissenschaftlerteam wurden nun
in der Fachzeitschrift Nature Biotechnology veröffentlicht. Das
Verständnis der genetischen Grundlagen der Naturstoffbildung, so
hoffen die Forscher, kann zur Entdeckung neuer Wirkstoffe und damit
zur Entwicklung neuer Medikamente beitragen.
"Sorangium cellulosum produziert eine Vielzahl von Wirkstoffen, die in
der Medizin, der pharmazeutischen Industrie, aber auch in der
Agrochemie Verwendung finden können. Dazu gehören zum Beispiel die
Epothilone, denen Mediziner enormes Potenzial als Krebsmedikamente
zutrauen", erklärt Prof. Rolf Müller, Wissenschaftler an der
Universität des Saarlandes. "Da wir nun die Erbinformation kennen,
können wir in Zukunft sehr viel gezielter nach neuen Wirkstoffen
suchen und deren Produktion verbessern."
Insgesamt fanden die Wissenschaftler im Bakteriengenom fast 10.000
Gene, welche die Grundlagen für die Produktion der Wirksubstanzen
darstellen. Mit einer Rekordgröße von mehr als 13 Millionen
Basenpaaren besitzt Sorangium cellulosum das größte Bakteriengenom,
das bisher entschlüsselt wurde. Diese Anzahl von Genen übertrifft
sogar die Genausstattung der Bäckerhefe, eines einfachen höheren
Organismus, um das eineinhalbfache. Die Genomgröße, die etwa dem
vierfachen der Größe eines durchschnittlichen Bakteriengenoms
entspricht, stellte auch eine enorme Herausforderung für die
bioinformatische Auswertung der Daten dar, die am Bielefelder
Kompetenzzentrum durchgeführt wurde, wie Prof. Pühler erläutert.
Neben seiner Fähigkeit zu einer faszinierend vielseitigen
Wirkstoffproduktion fällt Sorangium cellulosum auch noch durch eine
weitere Besonderheit auf. Sorangium cellulosum zeigt pseudosoziales
Verhalten und ist zur Ausbildung multizellulärer Strukturen in der
Lage, eine Eigenschaft, die aus grundlagenwissenschaftlicher Sicht von
besonderem Interesse ist. Diese als "Fruchtkörper" bezeichneten Formen
(siehe Abbildung) dienen dem Überleben der Art bei Nahrungsmangel und
erinnern an echte Fruchtkörper niederer Pilze.
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