Fehlerhaftes Verhalten von Enzymen im eigenen Körper verursacht so
genannte lysosomale Stoffwechselerkrankungen und zahlreiche andere
Krankheiten mit schwerwiegenden Folgeschäden für die Patienten. Leidet
eine Person etwa am so genannten Gaucher-Syndrom, ist der Körper nicht
mehr selbst in der Lage, bestimmte zuckerhaltige Fettstoffe abzubauen.
In der Folge schwellen die Organe des Patienten an, irreparable
Schäden entstehen. "Bei bestimmten Stoffwechselerkrankungen kann der
Körper Speicher- und Botenstoffe wie zuckerhältige Fettstoffe nicht
mehr abbauen, der Stoffwechsel im Organismus wird gestört. In der
Kohlenhydrat-Chemie arbeiten wir an Wirkstoffen, die falsch
funktionierende Enzyme außer Kraft setzen oder wieder funktionsfähig
machen", erklärt Tanja Wrodnigg vom Institut für Organische Chemie der
TU Graz. Mit ihrer Forschung will sie Grundlagen für eine bessere
Diagnose und Therapie verschiedener Stoffwechselkrankheiten schaffen.
Von der Bienenwabe zu den Vorteilen des Fünfecks
Ein entscheidender Durchbruch in ihrer Arbeit ist der Chemikerin nun
gelungen: Wrodnigg entwickelte einen neuartigen fünfringigen
Zucker-Wirkstoff, der kleiner, aber zugleich dennoch weit einfacher
herzustellen ist als bisher bekannte Molekülverbindungen. Der Fünfring
soll zudem deutlich weniger Nebenwirkungen verursachen als bisher
bekannte Wirkstoffe: "Die meisten Zucker liegen im Körper als
Sechsring vor, den man sich als regelmäßiges Sechseck ähnlich einer
Bienenwabe vorstellen kann. Ist der Wirkstoff selbst ebenfalls ein
Sechsring, besteht die Gefahr von unerwünschten Nebenwirkungen",
erläutert die Forscherin. "Die Struktur unseres Wirkstoffs hilft also,
eine zielgerichtetere Wirkung herbeizuführen", zeigt sich Wrodnigg
optimistisch.
Grundlagenforschung an der Schwelle zur Anwendung
Die Funktionsweise des neuen Moleküls der Grazer Forscherin war bisher
nicht bekannt. Mittels Röntgenstrukturanalyse, einem bildgebenden
Verfahren auf atomarer Ebene, ist es den Wissenschaftern nun gelungen
zu beweisen, dass der entwickelte Fünfring von einem wichtigen
repräsentativen Enzym - das heißt, einem Enzym, dessen Arbeitsweise
und Struktur Modellcharakter für zahlreiche weitere Enzyme hat -
erkannt wird. Zudem bindet der Grazer Fünfring mit denselben
Aminosäuren wie der natürliche Sechsring. "Wir hoffen, durch unsere
Erkenntnisse Biochemikern und Klinikern kompetente Hilfestellung geben
zu können, die zur Linderung einiger unheilbarer Krankheiten
beitragen", schließt Wrodnigg, deren Forschung damit an der Schwelle
zur Anwendung steht.
|