Elektronen sind kleine, geladene Magnete, die sich in einem Magnetfeld ausrichten lassen. Die Spinelektronik nutzt diese Eigenschaft der Elektronen aus. Wenngleich diese Technologie schon Einzug in unseren Alltag gehalten hat - die Funktion der Festplatten-Leseköpfe basiert auf dem Elektronenspin -, steht ihr großer Durchbruch noch aus.
Voraussetzung für diesen Durchbruch ist die Integration der Spinelektronik mit der gewöhnlichen, auf Halbleitern basierenden Mikroelektronik.
Wie die Zeitschrift Nature Materials in einer Online-Ausgabe berichtet [vgl. Hinweis unten], sind Physiker am Zentrum für Elektronische Korrelationen und Magnetismus (EKM) der Universität Augsburg zusammen mit Kollegen der Pennsylvania State University, der Forschungsneutronenquelle Heinz Maier-Leibnitz und der Cornell University dieser Integration jetzt einen großen Schritt näher gekommen.
"Wir sehen jetzt die Möglichkeit, Silicium-basierte Bauelemente zu realisieren, die über ihre elektrische Ladung hinaus auch den elektronischen Spin zur Informationsspeicherung und -verarbeitung nutzen", so. Dr. Andreas Schmehl. "Es ist uns gelungen, den ferromagnetischen Halbleiter Europiumoxid im direkten Kontakt mit Silicium herzustellen und nachzuweisen, dass dieses neue Material mit einer parallelen Ausrichtung von über 90 Prozent der Elektronen hochgradig spinpolarisiert ist."
Die heutige, auf Halbleitern basierte Mikroelektronik zieht ihre Funktionalität ausschließlich aus der elektrischen Ladung der Elektronen. Elektronen besitzen neben ihrer Ladung aber auch noch eine weitere, für die Informationsverarbeitung hochinteressante Eigenschaft, ihren Spin nämlich. Der Spin eines Elektrons gleicht der Magnetisierung einer Kompassnadel, die sich bezüglich eines Magnetfelds nur parallel (up) oder antiparallel (down) ausrichten kann.
Bislang ungenutzte Elektroneneigenschaft
Die alltägliche Halbleiterelektronik ignoriert den Spin bislang. So sind in einem iPod 50 Prozent der Spins "up" und 50 Prozent "down" ausgerichtet, aber weder der iPod noch seine Benutzer ziehen daraus irgendeinen Nutzen. Hier setzt das junge Forschungsfeld der Spinelektronik an, das diese beiden Elektronensorten unterscheidet und in Bauelementfunktionen einsetzt. Hierzu bedarf es aber Materialien, die einerseits nur eine Spinsorte - "up" oder "down" - zur Verfügung stellen und andererseits mit der Halbleitertechnologie vereinbar sind.
Polarisierte EuO-Elektronen gelangen ohne Ausrichtungsverlust ins Silicium
Die Augsburger Physiker haben es geschafft, mit Europiumoxid (EuO) - einer Verbindung aus dem Metall Europium und Sauerstoff - ein solches Material direkt auf Silicium, dem "Arbeitspferd" der Halbleiterindustrie, herzustellen. Wie die Physiker zeigen konnten, weisen dabei 90 Prozent der elektronischen Spins des Europiumoxids in eine Richtung, deutlich mehr als in Konkurrenzmaterialien wie Eisen oder Kobalt. EuO ist in vielen Eigenschaften Silicium außerordentlich ähnlich, so dass die Verbindung dieser beiden Materialien erstmals die Möglichkeit eröffnet, die polarisierten Elektronen effizient und direkt in das Silicium zu leiten, ohne dass sie dabei ihre Ausrichtung zu verlieren.
Schutzschichten verhindern EuO-Zerfall
Das große Potential, das in Europiumoxid steckt, ist seit langem bekannt. Da EuO aber in Luft nicht stabil ist und zerfällt, konnte dieses Material bisher nicht in breitem Umfang genutzt werden. Durch die Entwicklung spezieller Schutzschichten und Bearbeitungsverfahren konnten die Augsburger Physikern dieses Problem lösen und damit die Tür zur Silicium-basierten Spinelektronik ein weites Stück aufzustoßen.
Zusatzinformationen:
Andreas Schmehl, Venu Vaithyanathan, Alexander Herrnberger, Stefan Thiel, Christoph Richter, Marco Liberati, Tassilo Heeg, Martin Röckerath, Lena Fitting Kourkoutis, Sebastian Mühlbauer, Peter Böni, David A. Muller, Yuri Barash, Jürgen Schubert, Yves Idzerda, Jochen Mannhart, Darrell G. Schlom:
Epitaxial integration of the highly spin-polarized ferromagnetic semiconductor EuO with silicon and GaN.
In: Nature Materials; online erschienen am 16. September 2007, DOI 10.1038/nmat2012
Quelle: Universität Augsburg
Aktualisiert am 27.09.2007.
Permalink: https://www.internetchemie.info/news/2007/sep07/halbleiter aus europiumoxid und silicium.php
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