Atomare Hanteln im Zinkantimon-Kristallgitter
verringern dessen Wärmeleitfähigkeit. Das erklärt die guten
thermoelektrischen Eigenschaften dieser Legierung, fanden
Festkörperforscher des Forschungszentrums Jülich heraus. Blaue
Kugeln: Antimonatome, rote Kugeln: Zinkatome.
Bild: Forschungszentrum Jülich
|
Thermoelektrische Materialen erzeugen eine
elektrische Spannung, wenn sie einem Temperaturgefälle ausgesetzt
sind. Dieses Phänomen wird in thermoelektrischen Generatoren genutzt,
um elektrische Energie zu produzieren. Noch ist der Wirkungsgrad der
Materialien bei der Umwandlung in Strom recht schlecht und liegt bei
maximal 8 Prozent. Zum Vergleich: Kohlekraftwerke haben einen
Wirkungsgrad von bis zu 45 Prozent. Das begrenzt den Einsatz der
Generatoren bisher auf spezielle Anwendungen, etwa in der Raumfahrt.
Um einen besseren Wirkungsgrad zu erzielen, sind Materialen nötig, die
elektrischen Strom gut leiten, Wärme dagegen schlecht. Die
Herausforderung besteht darin, dass gute Stromleiter in der Regel
ebenso gute Wärmeleiter sind. Solche Materialien zeichnen sich auf
atomarer Ebene durch eine regelmäßige Gitterstruktur aus. Elektrizität
breitet sich darin in Form von Elektronenströmen aus, Wärme in Form
von Gitterschwingungen, die sich wellenförmig durch das Material
bewegen. Unregelmäßigkeiten in der Gitterstruktur, etwa fehlende
Atome, können zwar die Wärmeleitfähigkeit verringern, beeinträchtigen
aber auch die elektrische Leitfähigkeit.
Schweika und Hermann haben nun entschlüsselt, wie der atomare Bauplan
eines altbekannten guten thermoelektrischen Materials die Kombination
der scheinbar unvereinbaren Eigenschaften ermöglicht. Die Jülicher
Forscher haben mit Hilfe von Neutronenstreuexperimenten und
Wärmekapazitätsmessungen die Ursache für die geringe
Wärmeleitfähigkeit einer Zinkantimon-Legierung untersucht. Dabei
stießen sie auf eine bisher unbekannte Form so genannter dynamischer
Unordnung, die die Ausbreitung von Wärme in diesem Halbmetall
behindert: Zinkantimon hat eine regelmäßige Kristallstruktur, in der
atomare Hanteln mit relativ großem Gewicht lose eingebettet sind. Wenn
Wärmewellen durch das Material wandern, werden auch die Hanteln in
Schwingung versetzt. Auf die Wärmewellen hat das einen ähnlich
störenden Effekt wie Wellenbrecher vor einer Küste auf das Meerwasser.
Der Clou: Die elektrische Leitfähigkeit wird nicht behindert.
Bereits 2003 konnte Hermann nachweisen, dass einzelne Atome,
eingefangen in kristallinen Käfigstrukturen, unabhängig von den
Kristallgittern schwingen und die Wärmeleitfähigkeit verringern. Jetzt
erbrachten er und seine Kollegen den Beweis, dass käfigartige
Strukturen keine Voraussetzung für solche lokalisierten Schwingungen
sind.
Neutronenstreuung in der Forschung:
Neutronen sind elektrisch neutrale Bausteine der Atomkerne. Sie werden
in Forschungsreaktoren oder Spallationsneutronenquellen erzeugt und
auf die zu untersuchenden Proben gelenkt. An den Atomen und Molekülen
der Proben "prallen" sie ab; dabei können sie ihre Richtung und
Geschwindigkeit ändern. Die Art dieser "Streuung" gibt Auskunft über
die Anordnung und Bewegung der Atome in der Probe.
Anwendungen der Thermoelektrizität:
Die wichtigsten thermoelektrischen Phänomene wurden in der ersten
Hälfte des 19. Jahrhunderts von Thomas Seebeck und Jean Peltier
entdeckt. Der Seebeck-Effekt beschreibt die Entstehung einer
elektrischen Spannung entlang eines Temperaturgradienten über zwei
unterschiedlichen miteinander verbundenen Halbleitern, der
Peltier-Effekt die Entwicklung von Wärme oder Kälte an der
Verbindungsstelle zweier unterschiedlicher Halbleiter, wenn Strom
hindurchfließt. Die Effekte können technisch genutzt werden, um mit
thermoelektrischen Generatoren und Thermoelementen Strom zu erzeugen,
Temperaturen zu messen und zu kühlen. Solche Vorrichtungen sind
kompakt, leise und verschleißfrei, da sie keine beweglichen Teile
enthalten. Trotz dieser Vorteile ist die Anwendung zur
Energiegewinnung bisher Nischen vorbehalten, etwa der Stromversorgung
von Raumschiffen auf Missionen zu den äußeren Planeten unseres
Sonnensystems, wo nicht genügend Licht für Solarenergie vorhanden ist.
Energiequelle ist in diesen Fällen das Wärmegefälle zwischen einer
radioaktiven Hitzequelle im Raumschiff und der Kälte des Weltraums.
Peltier-Elemente werden zur Kühlung etwa in Kühlboxen eingesetzt.
Das größte Hindernis für eine weite Verbreitung thermoelektrischer
Energierückgewinnung ist der zu geringe Wirkungsgrad der bisher
bekannten Materialien. Doch das Interesse an effizienten Systemen ist
groß. Im Fokus sind zum Beispiel Autos. Ihr Bedarf an Elektrizität
wächst stetig, und derzeitige Verbrennungsmotoren nutzen nur 25
Prozent der eingesetzten Energie für Fortbewegung und Zubehör.
|