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Die Surfactin-Thioesterase-II (Abb.: aI) und ihr Reaktionspartner, die T-Domäne (Abb.: aI) wirken zusammen (Abb. b)
Bildquelle: Philipps-Universität Marburg, AG Marahiel
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Dreidimensionale Struktur des Pannenhelfers bei
der Antibiotika-Synthese, Thioesterase II.
Bildquelle: Alexander Koglin
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Bakterien nutzen spezielle Enzymkomplexe, um Peptide zu synthetisieren, das sind kurze Aminosäureketten mit mannigfaltiger biologischer Aktivität. Zu den Enzymkomplexen gehören zwei Typen von Thioesterasen, die sich strukturell ähneln, aber unterschiedliche Funktionen erfüllen. Die Thioesterase-II ist dafür verantwortlich, einen an der Synthese beteiligten Kofaktor wiederherzustellen, wenn er eine falsche Seitengruppe trägt, was vermutlich bei vier von fünf Molekülen der Fall ist. Die Bedeutung der Thioesterase-II wird deutlich, wenn man das zugrunde liegende Gen ausschaltet: Die Ausbeute der Peptidsynthese vermindert sich dadurch um 84 Prozent. Die Wissenschaftler um Professor Dr. Mohamed A. Marahiel von der Philipps-Universität und seinen Frankfurter Kollegen Professor Dr. Volker Dötsch beschreiben nun die dreidimensionale Struktur des Reparaturenzyms. Auffällig sind die markanten Unterschiede zu der ansonsten sehr ähnlichen Thioesterase vom Typ I, die sich auf die andersartigen Funktionen zurückführen lassen. Die Biochemiker zeigen, dass die von ihnen untersuchte Thioesterase-II in zwei verschiedenen Konformationen vorliegt. Nur eine davon interagiert mit derjenigen Untereinheit des Enzymkomplexes, an die der fehlerhafte Kofaktor gebunden ist, der T-Domäne. Die Autoren vermuten, dass es sich bei den beiden Konformationen um einen offenen und einen geschlossenen Zustand der Thioesterase-II handelt. Dabei ist das aktive Zentrum des Enzyms in eine flache Grube eingebettet. Dem vorgeschlagenen Modell zufolge befindet sich der Kofaktor eingekeilt zwischen Thioesterase-II und T-Domäne, wie bei einem Sandwich. "Die Form folgt der Funktion", erläutert Mitverfasser Marahiel: Das vergleichsweise frei zugängliche aktive Zentrum "ermöglicht eine eher unspezifische, aber unverzichtbare Reparaturfunktion."
Die ebenfalls
beteiligte Universität Frankfurt schreibt zu den Ergebnissen:
Mikroorganismen sollen maßgeschneiderte Wirkstoffe produzieren:
FRANKFURT. Die meisten Antibiotika werden von
Mikroorganismen produziert, die sich in der Natur mithilfe dieses
Gifts gegen Konkurrenten durchsetzen. Auf der Suche nach neuen
Antibiotika versuchen Forscher die Synthesewege in Mikroorganismen zu
nutzen und dabei so zu verändern, dass maßgeschneiderte Wirkstoffe
entstehen. "Die zunehmende Resistenz vieler für den Menschen
gefährlicher Bakterien gegen fast alle zugelassenen Antibiotika macht
diese Suche dringender denn je", erklärt Prof. Volker Dötsch vom
Exzellenzcluster Makromolekulare Komplexe der Goethe-Universität.
Theoretisch genügt es, in dem modular aufgebauten Syntheseweg ein
Modul gegen ein anderes auszutauschen, um einen neuen Wirkstoff zu
erhalten. In der Praxis war dieser Ansatz aber bisher wenig
erfolgreich, weil das Zusammenspiel der einzelnen Module kaum
erforscht ist. Dötsch's Gruppe, die am Institut für Biophysikalische
Chemie seit Jahren Bausteine dieses Puzzles zusammenträgt, ist es
jetzt gelungen, einen Pannenservice zu entschlüsseln, der eingreift,
wenn die Antibiotika-Produktion ins Stocken gerät.
Vor zwei Jahren hatte das Team bereits einen
"Shuttle-Dienst" entdeckt, mit dessen Hilfe das Antibiotikummolekül
während der Synthese von einem Modul zum anderen weitergereicht wird.
Kleine, zwischen die Synthesemodule geschaltete Transporteiweiße (Peptidyl-Carrier-Proteine,
PCP) befördern das entstehende Molekül von einem Modul zum anderen.
Doch wie bei allen linearen Syntheseprozessen besteht auch hier die
Gefahr, dass der Ausfall nur eines Moduls die gesamte Produktionskette
lahm legt. Besonders anfällig für Störungen sind dabei die
Transporteiweiße. Um die kontinuierliche Produktion der für die
Mikroorganismen wichtigen Substanzen zu garantieren, hat die Natur
daher einen Reparaturservice eingerichtet, der wie ein Pannenservice
auf der Autobahn nach defekten Modulen Ausschau hält und wieder
instand setzt. Über die molekularen Details dieses wichtigen
Reparaturservices, ohne den die Produktion von Antibiotika in den
Mikroorganismen um etwa 80 Prozent reduziert wäre, berichtet ein
internationales Forscherteam unter der Leitung von Dötsch in der am
14. August erscheinenden Ausgabe der Fachzeitschrift "Nature".
Mit Hilfe der Magnetischen Kernspinresonanz (NMR)
konnten die Forscher die Struktur und Funktionsweise des
Reparatureiweißes Thioesterase II sowie eines Komplexes dieses
Proteins mit einem Transporteiweiß aufklären. "Pannen" entstehen, wenn
die "Andockstelle" des Transporteiweißes, ein bestimmter Kofaktor, von
Molekülen blockiert wird, die nichts mit der Antibiotikasynthese zu
tun haben. Doch wie unterscheidet der Pannenhelfer Thioesterase II
zwischen einem falsch angedockten Molekül und der wachsenden
Antibiotikumkette? Diese Frage konnten die Forscher beantworten,
nachdem sie die Struktur der Thioesterase II aufgeklärt hatten. Der
Pannenhelfer ist ein großes Eiweißmolekül, dessen aktives Zentrum, in
dem die "Reparaturen" stattfinden, sich in einer flachen Mulde
befindet. Diese ist gerade groß genug, um den Ko-Faktor, modifiziert
mit einem kleinen Molekül aufzunehmen. Größere Moleküle, wie die
gerade entstehende Antibiotikumkette, passen in diese mobile
Reparaturwerkstatt nicht hinein und werden daher auch nicht
angetastet.
Pressemitteilung der Volkswagen-Stiftung:
Pannenhilfe der Antibiotikumproduktion entschlüsselt
Lichtenberg-Professor Peter Güntert legt
gemeinsam mit Forscherkollegen neue Erkenntnisse zur Wirkweise von
Antibiotika vor.
Seit der Entdeckung des Penizillins in den 1920er
Jahren versuchen Wissenschaftler unaufhörlich, weitere Antibiotika aus
Mikroorganismen zu isolieren - zumeist aus Pilzen oder Bakterien. Da
viele krankheitserregende Bakterienstämme zunehmend Resistenzen
ausbilden gegen die bekannten und zugelassenen Antibiotika, kommt der
Suche nach neuen, geeigneten Substanzen mit antibakterieller Wirkung
heute hohe Bedeutung zu. Allerdings ist das Auffinden bisher
unbekannter Mikroorganismen, die solche Substanzen synthetisieren, nur
ein möglicher Weg, um neuer Antibiotika habhaft zu werden.
Ein anderer Weg ist, benötigte Antibiotika direkt
herzustellen. Dazu muss man allerdings wissen, wie diese molekular
aufgebaut sind und wie sie funktionieren - mithin auch, wie sich ihr
molekularer Aufbau verändern lässt. Viele dieser Substanzen bestehen
aus einer Kette einzelner Bausteine. Durch Austausch einzelner Module
nun kann ein Baustein in dem Antibiotikum gezielt verändert und somit
ein neues, maßgeschneidertes Molekül mit neuen Eigenschaften erzeugt
werden. Man erhält also ein Antibiotikum, das im Erfolgsfall anders
wirkt. Soweit die Theorie.
In der Praxis hat dieser Ansatz bisher nur sehr
begrenzten Erfolg gehabt. Dies liegt daran, dass man nicht genau weiß,
wie das Zusammenspiel der einzelnen Module während der Synthese
funktioniert. Vor zwei Jahren entdeckte ein Forscherteam an der
Universität Frankfurt am Main einen Mechanismus, mit dessen Hilfe das
Antibiotikum-Molekül während der Synthese sozusagen von einem Modul
zum anderen weitergereicht wird. Dabei übernehmen kleine
"Transport-Eiweiße" - genauer: zwischen die Synthesemodule geschaltete
Peptidyl-Carrier-Proteine (PCP) - quasi die Aufgabe eines
Förderbandes: Sie gewährleisten so das Weiterreichen. Um nun wiederum
die kontinuierliche Produktion dieser für die Mikroorganismen so
wichtigen Substanzen zu garantieren, hat die Natur sicherheitshalber
einen "Pannenservice" für die Peptidyl-Carrier-Proteine, eingerichtet.
Er hält nach defekten Modulen Ausschau und setzt diese wieder instand.
Soweit die Vorgeschichte.
Die molekularen Details dieses wichtigen
Reparaturservices, ohne den die Produktion von Antibiotika in den
Mikroorganismen wohl um rund 80 Prozent reduziert würde, hat jetzt ein
internationales Forscherteam um Professor Dr. Volker Dötsch und den
von der VolkswagenStiftung mit 1,25 Millionen Euro geförderten
Lichtenberg-Professor Dr. Peter Güntert von der Goethe Universität
Frankfurt am Main und dem Frankfurt Institute of Advanced Studies (FIAS)
aufgeklärt. Die Ergebnisse werden am 14. August 2008 in der
Zeitschrift Nature veröffentlicht. Den Wissenschaftlern ist es
gelungen, zum ersten Mal Einzelheiten der Funktionsweise des
Pannenservices zu klären.
Mit Hilfe der NMR-Spektroskopie (Nuclear Magnetic
Resonance-Spektroskopie) ermittelten sie die Struktur des
Reparatur-Eiweißes Thioesterase II sowie eines Komplexes dieses
Proteins mit einem Peptidyl-Carrier-Protein. Der wichtigste Teil des
PCP-Transporteiweißes ist dabei ein spezieller Ko-Faktor (4'-Phosphopantethein),
an den die Syntheseprodukte der einzelnen Module gebunden werden.
Durch ihn kann die Weitergabe zum nächsten Modul erfolgen. "Durch die
Aufklärung der Funktionsweise und der strukturellen Unterschiede
zweier essenzieller Komponenten der Antibiotika-Synthesekette sind wir
nun der gezielten Synthese neuer, maßgeschneiderter Substanzen wieder
ein Stück näher gekommen", bringt es Professor Peter Güntert auf den
Punkt.
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