Vor etwa zwanzig Jahren hat Don Eigler, IBM Fellow am Almaden Research
Center in San Jose, in einem kleinen Labor, vollgestopft mit
technischen Geräten, auf den Hügeln über dem Silicon Valley einen
gewaltigen Durchbruch erzielt - die gezielte Anordnung von Atomen, die
die kleinsten stabilen Materieteilchen darstellen. Don Eigler und sein
Mitarbeiter Erhard Schweizer schrieben I-B-M mit Buchstaben aus
einzelnen Atomen des Edelgases Xenon.
Nun konnten Mitarbeiter des gleichen Labors in Kooperation mit der
Universität Regensburg die winzigen Kräfte messen, die beim
Verschieben der einzelnen Atome wirken. Die Ergebnisse der Studie sind
in einem heute (22.2.2008) erscheinenden Artikel des Journals Science
publiziert worden.
Das Verständnis der Kräfte, die beim Anordnen einzelner Atome auf
Oberflächen wirken, ist grundlegend für die Planung und den Bau
jeglicher Konstrukte atomarer Dimensionen. Zum Beispiel braucht man
für den Bau eines Motors auf der Nanoskala lose gebundene Atome für
bewegliche Teile wie Zahnräder, Hebel und Schalter. Für ein stabiles
Gehäuse dagegen wäre es wichtig, Atome zu finden, die fester an der
Oberfläche haften und nicht so leicht verschoben werden können.
Das Problem ähnelt den Hürden, die Wissenschaftler und Ingenieure bei
der Konstruktion und beim Bau makroskopischer Gebilde überwinden
mussten. Es wäre unmöglich, eine moderne Brücke zu bauen ohne eine
genaue Kenntnis der Stärke der verwendeten Baustoffe, der wirkenden
Kräfte und der gegenseitigen Wechselwirkungen.
"Dieses Resultat zeigt den Weg zu neuen Datenspeicherelementen und
wird auch das Verständnis biologischer Strukturen und molekularer
Wechselwirkungen verbessern", sagt Gian-Luca Bona, Senior Manager des
Bereichs Science & Technology am IBM Almaden Research Center.
In der Veröffentlichung "The Force Needed to Move an Atom on a Surface,"
zeigen die Wissenschaftler, dass eine Kraft von 210 Piconewton nötig
ist, um ein Kobaltatom über eine glatte Platinoberfläche zu bewegen,
während sich ein Kobaltatom auf einer Kupferoberfläche schon mit einer
Kraft von 17 Piconewton bewegen lässt. Zum Vergleich: Um einen
Euro-Cent mit einer Masse von etwa 3 Gramm auf einer Oberfläche zu
bewegen, muss eine Kraft von etwa 30 Milliarden Piconewton aufgewendet
werden.
Dieses Wissen gewährt ein tieferes Verständnis der Prozesse, die die
Grundlage der Nanotechnologie bilden und unterstützt den industriellen
Fortschritt auf Gebieten wie der Medizin und der Informationstechnik
auf der Nanoskala.
Der wohlbekannte Trend in der Computertechnik - die exponentiell
steigende Zahl von Transistoren die auf einer integrierten Schaltung
Platz finden - ist allgemein als Moore'sches Gesetz bekannt. Die
Verkleinerung der Transistoren verringert den Energieverbrauch und die
Kosten bei gleichzeitiger Erhöhung von Geschwindigkeit und
Zuverlässigkeit. Die Entwicklung neuer Methoden zur Herstellung
kleinster Schaltkreise ist die dringlichste Herausforderung der
Computerindustrie.
Wenn man diese Schaltkreise auf die kleinstmögliche Größe bringen
könnte - nur einige Atome - könnte man völlig neue Entwürfe und
Herstellverfahren ermöglichen. Genau dort füllt die Kenntnis der
Kräfte, die bei der atomaren Manipulation wirken, eine bedeutende
Wissenslücke: das Verstehen und Steuern des Baus von Nanostrukturen -
Atom für Atom.
Wieviel Kraft ist nötig, um ein einzelnes Atom zu bewegen?
Vor einem halben Jahrhundert fragte der Nobelpreisträger Richard
Feynman in seinem denkwürdigen Vortrag "There is plenty of room at the
bottom", welche Möglichkeiten sich eröffnen würden, wenn man einzelne
Atome nach Belieben anordnen könnte. Dieser Traum ist heute Realität,
und heute wird atomare Manipulation auf breiter Front in der
Wissenschaft angewendet um atomare Strukturen zu bauen, zu verändern
und zu vermessen. Die fundamentale Frage: "Welche Kraft brauchen wir,
um ein Atom zu verschieben" blieb dagegen bis heute der
experimentellen Erforschung verschlossen.
Im heute publizierten Artikel beschreiben die Wissenschaftler den
Einsatz eines empfindlichen Rasterkraftmikroskops, um sowohl die
Stärke als auch die Richtung der Kraft zu messen, die eine scharfe
Spitze beim Verschieben eines Atoms darauf ausübt. Das Team fand
heraus, dass die Kraft stark von der chemischen Identität des Atoms
und der Unterlage abhängt. Für ein kleines Molekül ergibt sich eine
ganz andere Kraft als für ein Metallatom.
Das Kraftmikroskop wurde vor mehr als 20 Jahren von Nobelpreisträger
und IBM Fellow Gerd Binnig, IBM Mitarbeiter Christoph Gerber und
Stanford-Professor Calvin Quate eingeführt und wurde bereits zur
Messung atomarer Kräfte eingesetzt, aber noch nie mit einer derart
hohen Präzision. "Es ist erstaunlich, dass die winzigen Kräfte die
beim Verschieben der Atome wirken mit einem Kraftsensor gemessen
werden können, der im Wesentlichen auf der Quarzstimmgabel beruht, die
in jeder handelsüblichen Quarzuhr schwingt", sagt Professor Franz
Gießibl von der Universität Regensburg, der Erfinder des
Stimmgabel-Kraftsensors.
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