Als es James Watson und Francis Crick 1953 gelang, die Struktur der
Erbsubstanz (der DNA) aufzuklären, war nur wenig darüber bekannt, wie
diese in den Zellen zusammengebaut wird. Erst acht Jahre später
entdeckten Wissenschaftler mit der Ribonukleotid-Reduktase (RNR) ein
erstes Protein, welches für den Bau der DNA von entscheidender
Bedeutung ist. Von den Bakterien bis hin zum Menschen übernimmt die
RNR den letzten Schritt bei der Bildung der einzelnen DNA-Bausteine.
Dabei schließen sich häufig zwei RNR-Proteine zu einem Komplex
zusammen. Doch ist die Funktionsweise dieses Proteinkomplexes noch
nicht vollständig verstanden - nicht zuletzt deshalb, weil sich die
RNR-Proteine nicht ohne weiteres in Aktion beobachten lassen.
Dr. Marina Bennati, Forschungsgruppenleiterin am Göttinger
Max-Planck-Institut für biophysikalische Chemie, gelang es nun, den
Proteinkomplex direkt in Aktion zu vermessen. Dazu arbeitete die
Wissenschaftlerin eng mit Kollegen der Universität Frankfurt und des
Max-Planck-Instituts für Bioanorganische Chemie zusammen. Erstmalig
setzten die Forscher eine neue hochsensitive Methode der
Hochfeld-Elektronenspinresonanz-Spektroskopie ein, um die Bewegung und
die Struktur der RNR zu untersuchen. "Mit Hilfe dieser neuen Technik
können wir aktive Proteinkomplexe unter nahezu natürlichen Bedingungen
messen, wie sie auch in der lebenden Zelle vorliegen", erklärt Bennati.
Dabei machen sich die Wissenschaftler zunutze, dass der Proteinkomplex
in seinen beiden aktiven Zentren je eine aktivierte Aminosäure
enthält. "Mit Hilfe der Elektronenspinresonanz-Spektroskopie messen
wir nicht nur den Abstand zwischen den beiden aktivierten Aminosäuren,
sondern sehen auch ihre relative Orientierung", erklärt die
Projektleiterin. Die Methode gibt den Wissenschaftlern dabei nicht nur
ein genaueres Bild der Proteinstruktur, sondern erlaubt ihnen auch
neue Einblicke in die Funktionsweise des Proteinkomplexes. Entwickelt
wurde das dazu verwendete Spektrometer in der Arbeitsgruppe von
Professor Thomas Prisner an der Universität Frankfurt.
Mit der neuen Methode der
Hochfeld-Elektronenspinresonanz-Spektroskopie gelang es Dr.
Marina Bennati und ihren Kollegen, die Ausrichtung der beiden
aktiven Zentren eines lebenswichtigen Proteinkomplexes zu
vermessen. Das dazu eingesetzte Spektrometer wurde in der
Arbeitsgruppe von Prof. Thomas Prisner an der Universität
Frankfurt entwickelt. |
Proteine in aktivem Zustand in hoher räumlicher und zeitlicher
Präzision zu studieren, ist nicht nur für die Grundlagenforschung von
Bedeutung. Auch für die medizinische und pharmazeutische Forschung
liefert sie wichtige Erkenntnisse bei der Entwicklung neuer
Medikamente. Da die RNR immer dann gebraucht wird, wenn die Zelle sich
teilt oder wenn DNA-Schäden repariert werden müssen, ist das Protein
Gegenstand zahlreicher Untersuchungen für die Entwicklung von
Medikamenten gegen Krebs. Von einem verbesserten Verständnis der
Funktionsweise und Struktur des Proteins könnte zukünftig auch die
medizinische und pharmazeutische Forschung bei der Weiterentwicklung
dieser Krebsmedikamente profitieren. [cr]
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