Isocitronensäure aus Fermentation von Sonnenblumenöl - ein neuer
Pharma-Baustein?
Fast alle Zwischenprodukte des 1937 formulierten Citrat-Zyklus, eines
der wichtigsten Stoffwechselprozesse in unserem Körper, können heute
im Multigramm-Maßstab hergestellt werden, eine Ausnahme bildete bisher
die (2R,3S)-Isocitronensäure. Diese Lücke haben Athanassios Giannis
und sein Team von der Universität Leipzig nun geschlossen. Wie sie in
der Zeitschrift Angewandte Chemie berichten, geht ihr Verfahren, eine
Kombination aus einem biotechnologischen und einem chemischen Schritt,
von dem nachwachsenden Rohstoff Sonnenblumenöl aus. Isocitronensäure
und davon abgeleitere Verbindungen werden dabei im Kilogramm-Maßstab
zugänglich.
Im Citrat-Zyklus wird Acetyl-CoA, das beim
Abbau von Fetten, Zuckern und Aminosäuren entsteht, unter Freisetzung
von Kohlendioxid und Wasser zur Erzeugung von biochemisch für den
Organismus verfügbarer Energie genutzt. Benannt ist der Reaktionsweg
nach einem seiner Zwischenprodukte, dem Anion der Citronensäure.
In der Natur kommt die Isocitronensäure immer zusammen mit ihrem
Isomer vor, der Citronensäure. Der Unterschied zwischen den beiden
Verbindungen besteht lediglich darin, dass die die Hydroxygruppe (-OH)
an ein anderes Kohlenstoffatom des Moleküls gebunden ist. Eine
Trennung der beiden Isomere im großen Maßstab war bisher nicht
möglich. Auch eine fermentative Synthese der reinen Verbindung gelang
noch nicht.
Das Team um Giannis hat dies jetzt endlich geschafft. Dank eines Heers
von winzigen Helfern, der Hefe Yarrowia lipolytica, die aus
raffiniertem Sonnenblumenöl Isocitrat in bisher unerreichbarer
Ausbeute und in einem günstigen Mengenverhältnis von Isocitrat zu
Citrat herstellt. Nach dem Abfiltern der Biomasse werden mit Hilfe
einer Elektrodialyse die freien Säuren gewonnen. Um Citronensäure und
Isocitronensäure voneinander zu trennen, wenden die Forscher einen
Trick an: Sie setzen sie mit Methanol zu den jeweiligen Methylestern
um. Der Clou dabei: Während der Citronensäureester kristallisiert,
bleibt der Isocitronensäureester flüssig. Eine Trennung ist nun ein
Kinderspiel.
Warum war den Forschern die Isocitronensäure so wichtig?
Isocitronensäure ist eine Verbindung mit chiralen Zentren. Das sind
Kohlenstoffatome mit vier verschiedenen angebundenen Gruppen. Davon
gibt es immer zwei Varianten, die sich zueinander verhalten wie Bild
und Spiegelbild. Kleinere leicht zugängliche chirale Verbindungen sind
nützliche Synthesebausteine für den Nachbau komplexer Naturstoffe und
ein interessantes Ausgangsmaterial für die pharmazeutische Industrie.
Die Isocitronensäure eröffnet ein neues Sortiment solcher chiraler
Bausteine.
Quellen und Artikel:
-
Philipp Heretsch, Franziska Thomas, Andreas Aurich, Dr., Harald
Krautscheid, Prof. Dr., Dieter Sicker, Prof. Dr., Athanassios
Giannis, Prof. Dr.: Synthesen mit einem chiralen Baustein aus dem Citratzyklus:
(2R,3S)-Isocitronensäure aus einer Fermentation mit Sonnenblumenöl.
In: Angewandte Chemie; Published Online: 31 Jan 2008;
DOI 10.1002/ange.200705000. [siehe auch:
Zusatzinformationen zum Artikel]