Biologisches Werkzeug für Kohlenstoff-Nanoröhrchen
In der Biologie ist das Schlüssel-Schloss-Prinzip weit verbreitet.
Dresdner Forscher nutzen dieses Prinzip, indem sie einzelne DNA-Stränge
als Werkzeug zum Sortieren von Kohlenstoff-Nanoröhrchen einsetzen. Das
neue Hybrid-Material ist ein Schritt hin zu einem elektronischen
Nano-Bauelement. Hierzu erschienen bereits Artikel, die in der Fachwelt
Aufsehen erregten (z.B. in den Fachjournalen "European Physical Journal"
und "Nanotechnology", siehe unten).
In der DNA sind
die Erbinformationen durch die Aufeinanderfolge einzelner Eiweißstoffe
gespeichert. Sie sieht aus wie eine gedoppelte Wendeltreppe. Entfernt
man einen Strang, so bietet die offene Wendeltreppe eine lange Kette
winzigkleiner Schlüssel, die regelmäßig um einen röhrenförmigen Hohlraum
angeordnet sind. Ein Forscherteam von der Technischen Universität
Dresden (TUD) und vom Forschungszentrum Dresden-Rossendorf (FZD)
benötigt für die Entwicklung eines neuartigen Nano-Bauelements
Kohlenstoff-Nanoröhren mit wohldefinierten Eigenschaften.
Elektronische Wechselwirkung zwischen DNA und
Nanoröhre im Querschnitt (oben) und von der Seite (unten). Für die
kleinere Röhre links im Bild ist im Querschnitt zu erkennen, dass
die zentrale Röhre nur wenig beteiligt ist. Die größere Röhre
rechts wechselwirkt dagegen stark, vor allem mit mehreren
DNA-Strängen
(Abb.: A. Enyashin, TU Dresden)
Diese Röhrchen mit nur einigen Nanometern
Durchmesser entstehen nicht zuletzt beim Grillen im Garten. Im
industriellen Herstellungsprozess ist es - genauso wie beim Grillen -
bisher nicht möglich, größere Mengen an Röhrchen einer bestimmten
Größe sortenrein herzustellen. Man erhält vielmehr ein Gemisch aus
halbleitenden und metallischen Sorten mit unterschiedlichen
Strukturen. Hieraus nur die gewünschte Sorte herauszufiltern, ist
schwierig, weil die Röhrchen zu Bündeln zusammenkleben, die nahezu
unlöslich sind.
Wissenschaftler der TUD griffen die Idee auf, DNA-Ketten zur
Aussonderung von Nanoröhrchen aus dem unlöslichen Gemisch zu nutzen.
Die Größenordnung der offenen DNA-Wendeltreppe passt ideal für
Röhrchen mit einem Durchmesser von 0,3 bis 0,4 Nanometer (ein
Millionstel Millimeter). Gibt man aus Bakterien gewonnene oder
synthetische DNA-Ketten in das vorher kräftig geschüttelte Gemisch von
Nano-Röhren, so legen sich die DNA-Ketten wie Spiralen ganz gezielt
nur um passende Röhren. Die DNA-Schlüssel finden also nur bei
bestimmten Durchmessern die dazugehörigen Schlösser auf den Röhren und
es entsteht ein neues Hybrid-Material. Der Vorteil: die Röhrchen sind
nun wasserlöslich, was die Weiterverarbeitung enorm vereinfacht.
Theoretische Berechnungen begleiteten die Experimente. Forscher von
TUD und FZD erfassten erstmals systematisch auf quantenmechanischer
Ebene die Wechselwirkung zwischen den biologischen DNA-Molekülen und
den Kohlenstoff-Röhrchen. Für einige Fälle konnten sie nachweisen,
dass die Elektronen beider Systeme stärker wechselwirken als mit
einfacheren Modellen vorausgesagt. Dies ist ein Beleg für die
DNA-gesteuerte Auswahl bestimmter Röhrchentypen, die zuvor von
amerikanischen Wissenschaftlern berichtet wurde.
Kohlenstoff-Nanoröhrchen allein werden heute schon vielfältig
eingesetzt, etwa in der Sporttechnik oder in Sensoren. Werden die
Dimensionen jedoch kleiner, so ist ein wohldefiniertes
Herstellungsverfahren mit der Möglichkeit der gezielten Selektion von
leitfähigen Kohlenstoff-Nanoröhrchen unabdingbar. Die neuen
Berechnungen bilden eine wichtige Basis hierfür.
Bildung einer
Bio-Nano-Verbindung aus DNA-Strang und Kohlenstoff-Nanoröhre.
(Abb.: A. Enyashin, TU
Dresden).
Die von DNA-Ketten sortierten und eingehüllten
Kohlenstoff-Nanoröhrchen können definiert elektrischen Strom leiten.
Damit eignen sie sich ideal als zentraler Bestandteil für das geplante
nanoskalige Bauelement, einen Nano-Feldeffekt-Transistor. An solchen
Nanoröhrchen-basierten Transistoren wird derzeit weltweit intensiv
geforscht; das Besondere an der Dresdner Herangehensweise ist, dass
ein ferroelektrisches Trägermaterial eingesetzt wird. Ein solches
Trägermaterial ist aus geladenen Teilchen aufgebaut, deren Anordnung
durch externe Kräfte gezielt und reversibel verändert werden kann.
Damit soll es möglich werden, dass eine externe Krafteinwirkung auf
der Nanometerskala das elektrische Feld des Transistors ein- und
ausschaltet, was für Computer oder Nano-Maschinen der Zukunft von
Vorteil sein könnte. Dr. Michael Mertig von der TUD und seinen
Mitarbeitern ist es bereits gelungen, einen Transistor auf der Basis
von DNA-eingehüllten Nanoröhren herzustellen und in der Gruppe von
Prof. Lukas Eng wurden bereits einzelne Elemente des noch kleineren
ferroelektrischen Nano-Feldeffekt-Transistors realisiert.
Prof. Gotthard Seifert, Dr. Andrey Enyashin (TUD) und Dr. Sibylle
Gemming (FZD) konnten mit quantenmechanischen Berechnungen die
Wechselwirkungen zwischen biologischem und physikalisch-chemischem
System erstmals systematisch unter Berücksichtigung der elektronischen
Effekte analysieren. Dabei ergaben sich Belege für die besonders große
Selektivität einiger DNA-Schlüssel für ganz bestimmte Röhrchentypen.
Für diese Arbeiten wurde Dr. Enyashin vor kurzem zum
Nachwuchswettbewerb "1nside Edge" der Firma Samsung Electro-Mechanics
nach Incheon (Korea) eingeladen und dort mit der Bronzemedaille
ausgezeichnet.
Quellen und Artikel:
-
S. Gemming, R. Luschtinetz, I. Chapylgin, G. Seifert, C. Loppacher,
L.M. Eng, T. Kunze, C. Olbrich: Polymorphism in ferroic functional elements.
In: European Physical Journal, Special Topics 140, S. 145 -
171 (2007);
doi 10.1140/epjst/e2007-00248-x.
S. Taeger, M. Mertig: Self-assembly of high-performance multi-tube carbon nanotube
field-effect transistors by ac dielectrophoresis.
In: International Journal of Materials Research 98, 742-748
(2007);
DOI: 10.3139/146.101530.