"Zwar lässt sich ein Zusammenhang zwischen mediterraner Kost und
geringerer Herzinfarktrate statistisch eindeutig nachweisen", so
Krieglstein, "doch zu mediterraner Kost gehören viele verschiedene
Komponenten." Dass es ausgerechnet das Olivenöl ist, das so
gesundheitsfördernd wirkt, sei niemals nachgewiesen worden. Im
Gegenteil: Klumpp und Krieglstein konnten jetzt zeigen, dass einige
einfach ungesättigte Fettsäuren wie die Ölsäure aus Olivenöl die
Aktivität der Proteinphosphatase Typ 2C (PP2C) massiv steigern und
damit das Risiko von Arteriosklerose und ernsthaften
Herz-Kreislauf-Erkrankungen eher erhöhen.
Abbildung: Ölsäure
Proteinphosphatsen regulieren beispielsweise Enzyme, indem die
Seitengruppen eines Proteins über Phosphatmolekül modifiziert werden,
was zu einer Aktivierung oder zur Signalübermittlung genutzt wird. Sie
spielen damit eine zentrale Rolle in der Zellfunktion. Eine erhöhte
Aktivität von PP2C führt zur so genannten Apoptose, dem programmierten
Zelltod. Allerdings sind dafür relativ hohe Konzentrationen von
einfach ungesättigten Fettsäuren nötig. Diese kann in den Zellen, die
die Gefäßinnenwand auskleiden, den so genannten Endothelzellen,
durchaus erreicht werden. Das bedeutet, dass größere Mengen an
Olivenöl entsprechend große Mengen an Ölsäure freisetzen, die dann zum
vermehrten Untergang von Endothelzellen beitragen.
Die Gefäßwand wird damit durchlässiger für die Fettpartikel und weißen
Blutkörperchen, die eine Arteriosklerose verursachen, indem sie sich
anlagern und so genannte arteriosklerotische Plaques bilden. Wenn
diese platzen, erleidet der Mensch einen Herzinfarkt. Olivenöl könnte
so also die Entwicklung einer Arteriosklerose sogar fördern und nicht
- wie allgemein angenommen - eine Arteriosklerose hemmen.
Die im Labor von Klumpp und Krieglstein erzielten Ergebnisse sind
eindeutig, ungeklärt ist allerdings noch, wie die Vorgänge in einem
intakten Organismus ablaufen. Deshalb wurden gesunde Meerschweinchen
vier Monate lang mit einer ölsäurereichen Diät gefüttert. Danach
konnte allerdings keine Arteriosklerose nachgewiesen werden. "Das kann
aber auch daran liegen, dass Meerschweinchen grundsätzlich nur selten
Arteriosklerose entwickeln", so Krieglstein.
Allerdings hatten die mit Oleat gefütterten Meerschweinchen
statistisch signifikant kleinere und leichtere Herzen als die der
normal gefütterten Kontrollgruppe. Nachgewiesen wurden auch häufiger
geschädigte Herzmuskelzellen. Um ganz sicher zu gehen, dass Ölsäure
auch Herzmuskelzellen und nicht nur die Endothelzellen schädigen kann,
züchtete das Team um Klumpp sie in Zellkultur und behandelten sie
unter definierten Bedingungen mit Ölsäure. Auch hier zeigte sich eine
eindeutige Schädigung von Herzmuskelzellen. "Die landläufige Meinung,
dass Olivenöl gesund ist, muss wohl revidiert werden", so Krieglstein.
"Sicher muss vor einer endgültigen Aussage die Wirkung von Olivenöl
beim Menschen geprüft werden. Aber schon jetzt darf man berechtigte
Zweifel an den so einseitig gepriesenen Vorteilen von Olivenöl haben."
Die Wissenschaftler interessierte in diesem Zusammenhang natürlich
auch die Wirkung mehrfach ungesättigter Fettsäuren. Die
anti-arteriosklerotische Wirkung von so genannten Omega-3-Fettsäuren,
wie sie in Fischöl vorkommen, ist vielfach nachgewiesen. Deshalb
mussten in den experimentellen Modellen von Klumpp auch mehrfach
ungesättigte Fettsäuren untersucht werden. Auch diese Fettsäuren
konnten die Aktivität der Proteinphosphatase steigern, allerdings nur
in einer Konzentration, wie sie im menschlichen Organismus nicht
erreichbar ist. In niedrigen Konzentrationen, wie sie im Körper
vorkommen, konnten die Wissenschaftler dagegen eine schützende Wirkung
einer solchen Fettsäure, der 3-Docosahexaensäure, auf Endothelzellen
nachweisen. Dagegen konnte für Ölsäure und andere einfach ungesättigte
Fettsäuren kein derartiger protektiver Effekt bei niedrigen
Konzentrationen festgestellt werden.
Gesättigte Fettsäuren heben die schädigende Wirkung der einfach
ungesättigten Fettsäuren teilweise wieder auf. Krieglstein und Klumpp
raten zu einer ausbalancierten Zusammensetzung der Ernährung aus
ungesättigten Fettsäuren, die eher in flüssigen Fetten, und
gesättigten Fettsäuren, die eher in festen Fetten wie Butter zu finden
sind.
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