Der Afrikanische Nacktmull (Heterocephalus glaber)
ist eines der außergewöhnlichsten Säugetiere der Erde. Zu seinen
vielen erstaunlichen Besonderheiten gehört, dass er keinen Schmerz
empfindet.
(Photo: Ewan St. J. Smith/Copyright: MDC)
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In früheren Arbeiten hatte Prof. Park
nachgewiesen, dass Afrikanische Nacktmulle zwei Botenstoffe, die
Schmerzsignale an das Gehirn weiterleiten, nicht bilden können: die
Substanz P und das Calcitonin Gene related Peptide (CGRP). Doch lässt
sich das mangelnde Schmerzverhalten der Tiere nicht allein durch das
Fehlen dieser Signalstoffe erklären.
Schmerzfühler vorhanden
Zwar sind Nacktmulle, wie alle Wirbeltiere, mit Schmerzfühlern (Nozizeptoren)
ausgestattet. Diese Fühler sind sensorische Nervenzellen, deren
Nervenendigungen in der Haut liegen. Sie nehmen potentiell gefährliche
Reize auf und leiten sie an das Gehirn weiter, das dem Körper einen
Schmerz signalisiert. Schmerzempfinden ist im Prinzip für alle
Lebewesen überlebensnotwendig, um zum Beispiel gefährliche Situationen
vermeiden zu können. Säure zum Beispiel ist ein sehr gefährlicher
Stoff, der normalerweise bei allen Säugetieren und damit auch beim
Menschen sowie bei Wirbeltieren wie Amphibien und Fischen sehr
schmerzhafte Verätzungen und Entzündungen auslöst.
Beim Afrikanischen Nacktmull ist das jedoch völlig anders. Er ist das
einzige Wirbeltier, das Säurereizungen überhaupt nicht wahrnimmt und
auch damit verbundene Entzündungen nicht spürt. Den Schmerzforschern
in Berlin und Chicago gelang es jetzt, den Grund für dieses
ungewöhnliche Verhalten nachzuweisen. Die Schmerzfühler in der Haut
der Nacktmullen werden überhaupt nicht aktiviert, wenn sie mit Säure
in Kontakt kommen. Auch dann nicht, wenn sie einen pH-Wert von unter
3,5 hat, was der stärksten Säure entspricht, die Chemiker in einem
Labor einsetzen.
Heftige Reaktion der Schmerzfühler auf Chilipfeffer
Im Gegensatz dazu reagieren die Schmerzfühler der Nacktmullen auf das
Capsaicin in Pfeffer- oder Chilischoten sehr heftig. Capsaicin löst
normalerweise Brennen und Hitzeempfinden im Mund aus, wenn man sehr
scharf isst, auf der Haut sind hohe Dosen dieses feurigen Stoffs sehr
schmerzhaft. Nicht so jedoch bei den Afrikanischen Nacktmullen. Obwohl
Capsaicin auf ihrer Haut die Schmerzfühler aktiviert, reagieren die
Tiere paradoxerweise überhaupt nicht darauf. Der scharfe Stoff macht
ihnen gar nichts aus.
Wie Prof. Lewin und Prof. Park jetzt herausgefunden haben, aktivieren
bei den Nacktmullen die auf Capsaicin reagierenden Schmerzfühler
andere Regionen im Gehirn als bei "normalen" Säugetieren, die über die
gleichen Schmerzsensoren verfügen. Die beiden Neurobiologen vermuten,
dass die Information "Schmerz" bei den Nacktmullen entweder ins Leere
läuft oder möglicherweise angenehme Gefühle weckt.
Extreme Lebensbedingungen
Weshalb der Nacktmull auf Säure überhaupt nicht reagiert, bei
Capsaicin aber sehr heftig und dennoch keinen Schmerz spürt, führen
die Forscher auf die Anpassung an seine extremen Lebensbedingungen
zurück. Nacktmulle leben in engen, dunklen Höhlengängen in den
Halbwüsten Zentralostafrikas dicht gedrängt in Kolonien mit bis zu 300
Tieren. Dadurch ist der Sauerstoffgehalt der Luft sehr gering, der
Kohlendioxidgehalt hingegen so hoch, dass ein Mensch in dieser Luft
kaum überleben könnte. Nacktmulle haben ihren Staat ähnlich wie Bienen
oder Termiten organisiert. Sie trinken nicht und ernähren sich nur von
Knollen. Auch ist der Nacktmull das einzig bekannte wechselwarme
Säugetier. Das bedeutet, er passt seine Körpertemperatur der Umgebung
an. Wird ihm zu kalt, muss er sich in wärmere Ecken seiner Höhle
verkriechen, ähnlich wie Eidechsen, die zum Aufwärmen in die Sonne
gehen. Darüber hinaus werden Nacktmulle im Vergleich zu Mäusen
geradezu steinalt. Während Mäuse eine natürliche Lebenserwartung von
etwa zwei Jahren haben, können Nacktmulle 25 Jahre alt werden.
Die Schmerzforscher weisen darauf hin, dass hoher Kohlendioxidgehalt
zu einer Daueraktivierung von Schmerzsensoren führt. Offenbar ist
dieser Mechanismus bei den Nacktmullen aber im Laufe der Evolution
stillgelegt worden und sicherte so den Stärksten von ihnen das
Überleben. Die Unempfindlichkeit gegenüber Entzündungsschmerz könnte
nach Ansicht der Forscher ein Nebenprodukt der Anpassung an die
extremen Lebensbedingungen sein.
Jetzt wollen Prof. Lewin und Prof. Park auch die molekularen und
zellulären Mechanismen für die Schmerzunempfindlichkeit der
Nacktmullen erforschen. Sie hoffen, dadurch auch Einblick in die
'normale' Schmerzwahrnehmung von Säugetieren und damit des Menschen zu
gewinnen.
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