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Publiziert am 24.07.2008 Infos zum Internetchemie RSS News Feed

Moderne Werkstoffe nach antikem Muster


 
In einem Lasergitter mit quasikristalliner Struktur beobachteten Forscher ein Muster, das einer so genannten Archimedischen Kachelung ähnelt und sowohl kristalline als auch quasikristalline Elemente vereint.

In der islamischen Architektur finden sich Ornamente, die streng geordnet, aber nicht periodisch sind. Solche Strukturen treten auch in bestimmten Materialien, so genannten Quasikristallen auf. In einem Lasergitter mit quasikristalliner Struktur haben Physiker der Universität Stuttgart und des Max-Planck-Instituts für Metallforschung nun eine Lage von Kolloidteilchen, winzigen Plastikkügelchen, gefangen. Dabei hing das Muster, das die Teilchen formten, von der Stärke des Lichtgitters ab. Bei mittlerer Laserintensität beobachteten die Forscher zu ihrer eigenen Überraschung ein Muster, das einer sogenannten Archimedischen Kachelung ähnelt und sowohl kristalline als auch quasikristalline Elemente vereint. Da sich Quasikristalle und Kristalle in ihrem physikalischen und chemischen Verhalten deutlich unterscheiden, ist zu vermuten, dass die neue Phase interessante und bislang unbekannte Eigenschaften besitzt. Über die Entdeckung berichtete die Zeitschrift Nature in ihrer Ausgabe vom 24. Juli 2008.

Archimedische Kachelung

Überlagerung von fünf Laserstrahlen zu einer quasikristallinen Struktur. Bei bestimmten Lichtintensitäten bildet sich ein Muster (rote Linien), das der Archimedischen Kachelung ähnelt.

Bildquelle: Ingrid Schofron, MPI für Metallforschung, Jules Mikhael, Universität Stuttgart

Wer versucht, ein Badezimmer mit fünfeckigen Kacheln zu fliesen, wird die Wand nicht lückenlos bedecken können. Das gelingt nur mit dreieckigen, viereckigen oder sechseckigen Fliesen. Lange schien es, als halte sich auch die Natur an dieses Prinzip. Im Jahr 1984 jedoch berichtete der israelische Physiker Dan Shechtmann erstmals über fünfzählige Kristalle. Die Oberflächen solcher Quasikristalle lassen sich aus Kacheln unterschiedlicher Form - darunter auch fünfeckigen - zusammensetzen. Nun haben Physiker der Universität Stuttgart und des Max-Planck-Instituts für Metallforschung Strukturen entdeckt, die kristallin und quasikristallin zugleich sind.

Die Forscher haben durch Überlagerung von fünf Laserstrahlen ein Lichtgitter mit quasikristalliner Struktur erzeugt. In den Mulden dieses Gitters fingen sie eine einzelne Lage drei Mikrometer großer, in Wasser schwebender Kunststoffkügelchen, die sich mit einem Mikroskop direkt beobachten lassen. Bei hohen Intensitäten und entsprechend tiefen Potenzialmulden zwang das Lichtgitter die Kügelchen in eine quasikristalline Ordnung mit fünfeckigen, stern- und rautenförmigen Grundelementen. Bei niedrigen Intensitäten dagegen spürten die Teilchen, die negativ geladen waren, das Lichtgitter kaum. Unter diesen Bedingungen positionierten sie sich streng periodisch, wobei jedes Teilchen von sechs Nachbarn im gleichen Abstand umgeben ist. Soweit verhielten sich die Mikroteilchen nicht anders, als es die Wissenschaftler erwartet hatten.

"Überrascht hat uns dagegen eine neuartige Struktur, die wir bei mittleren Intensitäten beobachtet haben", sagt Prof. Clemens Bechinger, Leiter des 2. Physikalischen Instituts der Universität Stuttgart und Fellow des Max-Planck-Instituts für Metallforschung. Die Kunststoffkügelchen ordneten sich in einer Richtung streng periodisch wie in einem Kristall an. "Senkrecht zu dieser Richtung sind die Teilchen zwar ebenfalls geordnet, aber nicht wie in einem Kristall, sondern wie in einem Quasikristall", erklärt Doktorand Jules Mikhael. Offenbar führt der Wettstreit zwischen der Wechselwirkung der Teilchen untereinander und deren Wechselwirkung mit dem Lichtfeld dazu, dass sich eine Struktur formt, die gleichzeitig kristalline als auch quasikristalline Aspekte aufweist. Deutlich zu erkennen sind darin Bänder von Quadraten, die in nichtperiodischem Rhythmus mal von einer einzelnen und mal von einer doppelten Reihe aus gleichseitigen Dreiecken getrennt werden.

Diese Struktur ähnelt einer bestimmten Form der archimedischen Kachelung, die bereits von Archimedes erwähnt und im Jahr 1619 von Johannes Kepler vollständig beschrieben wurde. Archimedische Kacheln erfüllen zwei Bedingungen: Alle ihre Kanten sind zum einen gleich lang, egal ob es sich um Fliesen mit drei, vier oder mehr Ecken handelt. Zum anderen muss die lokale Umgebung jedes Eckpunkts, an dem Kacheln aneinanderstoßen, identisch sein. Nach diesem Bauprinzip lassen sich elf verschiedene Kachelungen konstruieren, mit denen sich Oberflächen komplett bedecken lassen. In einer davon wechseln sich Reihen aus Quadraten und gleichseitigen Dreiecken ab. "Das Muster, das wir gefunden haben, ist auf kurzen Abständen mit dieser Kachelung völlig identisch, auf größeren Längenskalen weicht es davon allerdings ab, da sich das streng periodische Archimedische Muster andernfalls nicht mit der quasiperiodischen Struktur des Lichtgitters vertragen würde", sagt Clemens Bechinger.

Da Kristalle und Quasikristalle völlig unterschiedliche Materialklassen darstellen und deutlich voneinander abweichende physikalische und chemische Eigenschaften besitzen, ist die beobachtete Mischstruktur zunächst erstaunlich. "Die Kombination kristalliner und quasikristalliner Elemente lässt erwarten, dass die von uns beobachtete Mischstruktur interessante neue Materialeigenschaften zeigt", sagt Clemens Bechinger.

 

Quellen und Artikel:

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Jules Mikhael, Johannes Roth, Laurent Helden & Clemens Bechinger:
Archimedean-like tiling on decagonal quasicrystalline surfaces.
In: Nature 454, 501-504 (24 July 2008); DOI: 10.1038/nature07074

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Fachbereich Physik, Uni Stuttgart

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Quelle: Universität Stuttgart

 

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