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Evgeniy Kolesnikov fotografierte die gleiche Stelle 60 Jahre später. Die gefallenen Stämme liegen noch, dazwischen wächst die Taiga. Foto: Evgeniy M. Kolesnikov/ Lomonosov-Universität Moskau / UFZ
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Das Tunkuska-Ereignis gilt als eine der größten Naturkatastrophen der Neuzeit. Am 30. Juni 1908 ereigneten sich in der Nähe des Flusses Tunguska nördlich des Baikalsees eine oder mehrere Explosionen, die auf einem Gebiet von über 2000 Quadratkilometern rund 80 Millionen Bäume umknickten. Die Kraft der Explosion wird auf fünf bis 30 Megatonnen TNT geschätzt. Das entspricht mehr als dem Tausendfachen der Hiroshimabombe. Die kaum besiedelte Region Sibiriens wurde erst 1927 von Professor Leonid Alexejewitsch Kulik untersucht. Zu den Ursachen der Katastrophe existieren inzwischen verschiedenste Theorien. Die Mehrheit der Wissenschaftler geht jedoch von einer kosmischen Ursache wie dem Einschlag eines Meteoriten, Asteroiden oder Kometen aus. Wäre dieser damals knapp fünf Stunden später in der Atmosphäre explodiert, dann wäre aufgrund der Erdrotation die damalige russische Hauptstadt St. Petersburg komplett zerstört worden. Russische und italienische Forscher hatten 1998 und 1999 während zweier Expeditionen Torfprofile von verschiedenen Stellen im sibirischen Katastrophengebiet entnommen. Die untersuchte Moosart Sphagnum fuscum, die im Torfmaterial recht häufig vorkommt, bezieht ihre mineralischen Nährstoffe ausschließlich aus Luftaerosolen und kann dadurch irdischen und außerirdischen Staub speichern. Die Proben wurden später in den Laboren der Universität Bologna und des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung (UFZ) in Halle/Saale untersucht. Das UFZ hat sich unter anderem auf Isotopenanalysen von Boden und Wasser spezialisiert und wurde damals von den Moskauer Forschern um Dr. Evgeniy M. Kolesnikov um Mithilfe gebeten. Kolesnikov, der seit über 20 Jahren das Tunguska-Ereignis untersucht, war bereits zweimal als Gastwissenschaftler mit Unterstützung der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) in Leipzig, um sich mit den Isotopenexperten zu beraten. "Eine solche Einreicherung des schweren Kohlenstoff-Isotopes 13C direkt an der Grenze des Permafrostbodens von 1908, die wir wiederholt in mehreren Torfprofilen aus dem Katastrophengebiet registriert haben, ist mit keinem terrestrischen Prozess zu erklären. Die Schlussfolgerung liegt also nahe, dass die Tunguska-Katastrophe eine kosmische Ursache hat und dass wir auf die Spuren dieser Materie gestoßen sind", erklärt Dr. Tatjana Böttger vom UFZ. In Frage kommt dafür beispielsweise ein Asteroid vom Typ C wie Mathilde 253 oder ein Komet wie Borelly. Im Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung - UFZ erforschen Wissenschaftler die Ursachen und Folgen der weit reichenden Veränderungen der Umwelt. Sie befassen sich mit Wasserressourcen, biologischer Vielfalt, den Folgen des Klimawandels und Anpassungsmöglichkeiten, Umwelt- und Biotechnologien, Bioenergie, dem Verhalten von Chemikalien in der Umwelt, ihrer Wirkung auf die Gesundheit, Modellierung und sozialwissenschaftlichen Fragestellungen. Ihr Leitmotiv: Unsere Forschung dient der nachhaltigen Nutzung natürlicher Ressourcen und hilft, diese Lebensgrundlagen unter dem Einfluss des globalen Wandels langfristig zu sichern. Das UFZ beschäftigt an den Standorten Leipzig, Halle und Magdeburg 900 Mitarbeiter. Es wird vom Bund sowie von Sachsen und Sachsen-Anhalt finanziert. [Tilo Arnhold]
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