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Publiziert am 03.03.2008 Infos zum Internetchemie RSS News Feed

Tuberkulose-Erreger ist doppelt verpackt


 
3D-Aufnahmen zeigen erstmalig, dass Mykobakterien an ihrer Oberfläche von einer Doppelmembran umgeben sind.

Martinsrieder Wissenschaftler beenden eine lange wissenschaftliche Diskussion um den äußeren Schutzschild der Bakterien und eröffnen neue Wege für die Entwicklung von Medikamenten gegen Tuberkulose. Im März 1882 berichtete Robert Koch erstmalig über den Erreger der Tuberkulose und beschrieb die damalige Situation: "Die Statistik lehrt, dass 1/7 aller Menschen an Tuberkulose stirbt ..." Noch immer erkranken jährlich zehn Millionen Menschen an Tuberkulose, und jeden Tag sterben etwa 4000 mit Mycobacterium tuberculosis infizierte Patienten. Die medikamentöse Behandlung ist langwierig und der Schutz durch Impfung nach wie vor unzureichend. Deshalb befassen sich weltweit Forschergruppen mit der Untersuchung der "säurefesten Stäbchen", die durch eine komplexe und für die meisten Moleküle schwer überwindbare Zellwand geschützt sind. Ihr verdanken die Mykobakterien die besondere Unempfindlichkeit gegenüber äußeren Einflüssen und antibakteriellen Substanzen.

Lichtmikroskopische und elektronentomographische Aufnahmen von Mycobacterium bovis BCG. Oben links: Mehrere Mykobakterien bei ca. 1000-facher Vergrößerung im Lichtmikroskop. Oben rechts: Längsschnitt durch die dreidimensionale, im Computer rekonstruierte Struktur einer 1,5 µm langen Bakterienzelle. Die Bilddaten wurden im Elektronenmikroskop mit der Technik der Kryo-Elektronentomographie aufgenommen. Der weiße Maßstab entspricht 100 Nanometer oder 0,1 Mikrometer. Bild unten: 3D-Struktur eines Ausschnitts aus der Zellhülle des Mykobakteriums. Die einzelnen Komponenten sind farblich hinterlegt. In Gelb ist links die innere und rechts die äußere Lipid-Doppelmembran dargestellt. Blau kennzeichnet polymere Zellwandbestandteile, an die die Mykolsäuren gebunden sind. Die Zellhülle ist etwa 35 Nanometer (0,035 Tausendstel Millimeter) dick.

Copyright: Christian Hoffmann/Harald Engelhardt, MPI für Biochemie, Martinried.

Es ist schon länger bekannt, dass langkettige, fest gebundene Fettsäuren - die Mykolsäuren - zur Erhaltung der Widerstandsfähigkeit der Zellwand notwendig sind. Doch hat man vom Aufbau der Zellhülle auch gut 125 Jahre nach Kochs Entdeckung noch unvollständige und zum Teil widersprüchliche Vorstellungen. So nahmen Forscher bislang an, dass die Mykolsäuren eine geschlossene Schicht bilden, oder dass sie den inneren Teil einer definierten Doppelschicht stellen, die besonders dick und asymmetrisch gestaltet ist. Harald Engelhardt und seine Gruppe am Max-Planck-Institut für Biochemie konnten nun erstmalig direkt nachweisen, dass die äußere Zellwandschicht der Mykobakterien aus einer klar strukturierten Lipid-Doppelmembran besteht. Ihre Struktur ist allerdings mit den bisherigen Annahmen kaum in Einklang zu bringen.

Christian Hoffmann untersuchte als Doktorand unter Anleitung von Harald Engelhardt die äußere Zellwand von Mycobacterium smegmatis und Mycobacterium bovis BCG, einem engen Verwandten des Tuberkulose-Erregers, im Elektronenmikroskop. Die am Institut entwickelte Technik der Kryo-Elektronentomographie ermöglichte es den Wissenschaftlern erstmalig, 3D-Aufnahmen der Doppelmembran-Struktur bei intakten Zellen zu gewinnen. Bei dieser Technik werden von schockgefrorenen Zellen Projektionen aus verschiedenen Winkeln aufgezeichnet, wobei für Anzahl, Schärfe und Kontrast der Aufnahmen ein Optimum gefunden werden muss. Die bei -190 °C gekühlte Probe kann dem Elektronenstrahl zeitlich nur sehr begrenzt ausgesetzt werden, um einer Zerstörung vorzubeugen. Die Aufnahmen sind deshalb stark verrauscht und kontrastarm. Die Abteilung Molekulare Strukturbiologie von Professor Wolfgang Baumeister - in diesem Projekt besonders Jürgen Plitzko - leistet Pionierarbeit in der Entwicklung der Kryo-Elektronentomographie, die zur Aufklärung von Zellstrukturen im lebensnahen Zustand beiträgt.

Hoffmann und seine Kollegen beobachteten in ihren tomographischen Daten entgegen den Erwartungen eine eher symmetrische und wesentlich dünnere Struktur der äußeren mykobakteriellen Membran. Die Forscher haben deshalb ihre Ergebnisse auch an 35-millionstel Millimeter dünnen Schnittpräparaten eingefrorener und sonst unbehandelter Zellen überprüft und bestätigt. Sie können jetzt auch die Einbettung der Porenproteine in die äußere Membran von Mycobacterium smegmatis befriedigend erklären. Die molekulare Struktur der Proteine hatte bislang nicht zu den bekannten Zellwandmodellen gepasst.

Harald Engelhardt, der Leiter des Forschungsprojekts, stimmt mit den bisherigen Vorstellungen in soweit überein, dass die Mykolsäuren die äußere Membran in der Zellwand verankern. "Doch die Membran ist wohl nicht so gebaut, wie man annahm. Die Mykol- und übrigen Fettsäuren müssen in der Lipidmembran anders angeordnet sein als gedacht." Die Martinsrieder Mikrobiologen und Strukturforscher halten jetzt eine genauere Untersuchung der äußeren Membran von Mykobakterien für notwendig. Die jetzigen Ergebnisse sind eine wesentliche Voraussetzung dafür. Denn nun können gezielt Studien zum Stofftransport durch die äußere Membran durchgeführt werden, die auch für die Entwicklung von Chemotherapeutika von Bedeutung sein werden. " Schließlich müssen die Medikamente möglichst gut durch die mykobakterielle Zellwand an ihren Wirkungsort gelangen, und dafür ist ein besseres Verständnis der Zellhülle hilfreich", so Engelhardt. - [HE/EMD/BA]

 

Quellen und Artikel:

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Open Access Article: Christian Hoffmann, Andrew Leis, Michael Niederweis, Jürgen M. Plitzko, and Harald Engelhardt: Disclosure of the mycobacterial outer membrane:
Cryo-electron tomography and vitreous sections reveal the lipid bilayer structure.
In: Proceedings of the National Academy of Sciences USA, 11. März 2008, Onlinepublikation vorab; DOI-Nummer: 10.1073/pnas.0709530105

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MPI for Biochemistry - Dept. of Molecular Structural Biology

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Artikel: Bakterien mit Magnetsinn [MPG]

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WHO-Studie: "Anti-tuberculosis drug resistance in the world" Report No. 4.

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Quelle: Max-Planck-Institut für Biochemie

 

Weitere Informationen:

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