Alle zellulären Prozesse beruhen auf Arbeit, und ATP liefert die dafür nötige Energie. Dieses wichtige Molekül enthält unter anderem drei Phosphate, die über energiereiche Bindungen miteinander verknüpft sind. Eben diese Energie ist es, die bei Spaltung des ATP-Moleküls frei wird und anderweitig genutzt werden kann. So entstehen zuerst das Adenosindiphosphat (ADP) mit zwei verbleibenden und dann das Adenosinmonophosphat (AMP) mit nur noch einem einzigen Phosphatrest. Aus beiden Formen kann ATP regeneriert werden. Dies ist unter anderem möglich über die so genannte Elektronentransportphosphorylierung. In Halobacterium salinarum absorbiert dazu das Bacteriorhodopsin Photonen, also sichtbares Licht, und baut einen Protonenkonzentrationsunterschied auf. "Die so gewonnene Energie treibt dann die Rückgewinnung von ATP aus seinen Spaltprodukten an", so Riedle. "Bei Bacteriorhodopsin handelt es sich also um eine photonengetriebene Protonenpumpe." Dem Team um Riedle ist nun gelungen, die ersten Schritte dieses Protonentransfers im Bacteriorhodopsin mit extrem kurzer Zeitauflösung von nur 170 Femtosekunden direkt darzustellen. "Bei unseren Experimenten diente die Emission von Terahertz-Strahlung als Messsignal", berichtet der Physiker. "Unsere Ergebnisse zeigen, dass diese Technik eine völlig neuartige Perspekte auf den Prozesse des Ladungsträgertransports in einem biologischen Molekül liefert." Ein Terahertz entspricht 1012 Hz, der gesamte Bereich liegt zwischen der Infrarot- und der Mikrowellenstrahlung. Ursache der Terahertz-Emission ist der seit 1886 bekannte Hertzsche Dipol, ein elektromagnetischer Strahler, mit dessen Hilfe etwa Rundfunksender und auch fluoreszierende Atome und Moleküle beschrieben werden können. Die Grundlage bilden hierbei die Maxwell-Gleichungen, die vorhersagen, dass eine bewegte Ladung ein zeitlich veränderliches elektrisches Feld abstrahlt. "In einer herkömmlichen Antenne bilden negativ geladene Teilchen im Material der Antenne, das sind die Elektronen, die Ladungsträger", sagt Jürgen Hauer, einer der Experimentatoren. "Im Falle des Bacteriorhodopsins bewegen sich nach der Anregung durch Licht aber Elektronen und Protonen, also beide elementaren Ladungsträger. Dabei geben sie Strahlung im Terahertz-Bereich ab." Damit sich die Emission der einzelnen Moleküle zur makroskopischen Beobachtung addieren kann, mussten die Forscher eine Probe mit orientiertem und regelmäßig angeordnetem Bacteriorhodopsin verwenden, die von den ungarischen Kooperationspartnern hergestellt wurde. Die Bewegung der Elektronen im Protein wird durch die großen Unterschiede der Ladungsverteilung vor und nach der Anregung durch die Lichtenergie verursacht. Der Teil des Signals, der aus der Bewegung der Protonen entsteht, bezieht sich direkt auf die biologische Rolle von Bacteriorhodopsin. Denn die Absorption eines Photons löst eine molekulare Strukturänderung eines zentralen Bestandteils des Proteins aus. Dabei wird ein Proton an eine neue Bindungsstelle gekoppelt, wodurch der biologisch so wichtige Protonenkonzentrationsunterschied entsteht. "Wir haben in dieser Untersuchung die Terahertz-Emission aus biologischen Proben erstmals erfasst", so Riedle. "Dabei wurde auch ihr Vorzug gegenüber konventionellen spektroskopischen Techniken der Absorptionsmessung deutlich: Durch die Erfassung der Terahertz-Emission wird der biologische Prozess, also die Verlagerung des Protons, direkt beobachtet. Die Technik an sich kann jetzt aber auch für ganz andere Fragestellungen, etwa in der biophysikalischen Chemie oder bei der Entwicklung von Materialien für Solarzellen, genutzt werden."
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