Die Eigenschaften der belebten wie der unbelebten Materie werden von den Molekülen bestimmt, aus denen sie aufgebaut ist. Moleküle wiederum bestehen aus Atomen, welche aus positiv geladenen Atomkernen sowie negativ geladenen Elektronen aufgebaut sind. Elektronen besitzen aber außer ihrer Ladung noch eine "Drehrichtung" (englisch: "spin"), durch die jedes einzelne Elektron wie ein kleiner Stabmagnet wirkt. In Molekülen treten diese kleinen Stabmagneten fast immer in Paaren auf, bei denen die Magnete gegenläufig angeordnet sind, so dass im Endeffekt kein Magnetismus mehr überbleibt. Neue chemische und physikalische Eigenschaften entstehen durch Elektronen, die als "Einzelgänger" - also ungepaart - auftreten. Der neu eingerichtete Sonderforschungsbereich 813 spricht dann von "Spinzentren". Diese Spinzentren zeichnen sich neben ihren besonderen magnetischen Eigenschaften vor allem durch eine hohe chemische Reaktivität aus, also der Tendenz, chemische Umwandlungen einzugehen. Wichtige Rolle in Natur und Industrie Spinzentren spielen in vielen natürlichen Vorgängen eine wichtige Rolle, so etwa in der Funktion von Vitamin B12 oder in der pflanzlichen Photosynthese. In der chemischen Industrie spielen sie ein wichtige Rolle in der Herstellung von Kunststoffen oder Solarzellen. Die hohe Reaktionsfreude von Spinzentren birgt aber auch Gefahren. So sind die gesundheitsschädigenden Wirkungen der "freien Radikale" wohlbekannt, die etwa im Zigarettenrauch oder bei intensiver Sonneneinstrahlung entstehen und Krankheiten oder Tumoren auslösen können. Die Bonner Forscher haben sich in ihrem Sonderforschungsbereich zum Ziel gesetzt, Spinzentren gezielt zu erzeugen und zur Reaktion zu bringen, um so ihr einzigartiges chemisches Potenzial nutzbar zu machen. So sollen umweltfreundliche elektrochemische Syntheseverfahren, neue Materialien für photovoltaische Anwendungen oder gleichermaßen leitende wie magnetische Stoffe entwickelt werden. Um diese hohen Ziele zu erreichen, bedarf es einer koordinierten Forschungsinitiative. Ausgehend von theoretischen Konzepten sollen neue experimentelle Methoden entwickelt, die Mechanismen der Umwandlungen von Spinzentren aufklärt und die gewonnenen Erkenntnisse in die gezielte Synthese der gewünschten Materialien umsetzt werden. Sonderforschungsbereiche werden in der Regel bis zu zwölf Jahre lang finanziert und unterliegen regelmäßiger strenger Begutachtung. Mit dem jetzt bewilligten Verbundprojekt fördert die DFG an der Universität Bonn elf Sonderforschungsbereiche. Bundesweit gibt es nur 13 Sonderforschungsbereiche mit Schwerpunkt Chemie, zwei davon an der Universität Bonn - ein weiterer Ausweis für die wissenschaftliche Leistungsfähigkeit der Bonner Fachgruppe Chemie.
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