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Publiziert am 20.10.2008 Infos zum Internetchemie RSS News Feed

Alles geht kaputt


 
Zwei Berliner Mathematikerinnen untersuchen, wann Materialien brechen und wie sie länger halten.

95 000 Kilometer ist der winzige Riss im Radreifen schon unbemerkt mitgefahren. Der Defekt ist nicht zu hören und nicht zu spüren. Doch plötzlich ist er so groß, dass der Reifen bricht: der Zug entgleist. Aus einem winzig kleinen Riss wurde 1998 in Eschede das größte deutsche Zugunglück. Seitdem gibt es immer wieder Unsicherheiten, weil Risse in Radreifen von ICEs entdeckt werden.

Wann entstehen solche Schäden im Material? Wie lange geht es gut, und wann kommt es zum Bruch? Dr. Dorothee Knees und Dr. Christiane Kraus vom Weierstraß-Institut für Angewandte Analysis und Stochastik in Berlin wollen diese Prozesse mit mathematischen Methoden modellieren, damit es gar nicht erst zur Katastrophe kommt. Kraus erläutert das Ziel: "Wenn wir die Mechanismen kennen, kann die Industrie von vornherein haltbarere Materialien einsetzen und bessere Konstruktionen verwenden - und wo das nicht möglich ist, kann die Lebensdauer von Bauteilen besser abgeschätzt werden." Knees ergänzt: "Nicht jeder Materialbruch führt zu Gefahren für Menschen und Umwelt, aber es entsteht insgesamt ein immenser volkswirtschaftlicher Schaden, zum Beispiel durch das Versagen von Elektrogeräten. Ursache hierfür sind oft Mikrorisse in Lötverbindungen."

Wenn ein Bauteil kaputtgeht, spielt sich das fast immer auf die gleiche Weise ab: Der Werkstoff zerbricht nicht von einem Moment auf den anderen, sondern vorher treten winzige Risse und Hohlräume auf. Bei Beton sind sie ein bis zehn Zentimeter groß, bei Lötmaterialien ein Tausendstel Millimeter und kleiner. Diese mikroskopischen Schäden entstehen meistens an solchen Stellen im Bauteil, an denen verschiedene Materialien zusammentreffen. Chemische Reaktionen und Entmischungen, aber auch Temperatureinflüsse und äußere Belastungen, rufen an diesen Stellen sehr hohe mechanische Spannungen hervor, die zu einer lokalen Schädigung des Bauteils führen. Wenn die Risse wachsen und sich vereinigen, wird der Werkstoff weniger stabil, bis er schließlich bricht. Bisher kann man oft nicht präzise genug vorhersagen, wie lange ein Bauteil trotz kleiner Risse noch hält. Üblicherweise werden mikroskopische Schädigungsprozesse und makroskopische Bruchmechanismen isoliert voneinander analysiert. "Uns interessiert vor allem der Übergang: Wann geht die Schädigung in einen Bruch über?", erläutert Christiane Kraus.

Damit die Forscherinnen Schädigungsprozesse mit mathematischen Methoden beschreiben können, betrachten sie den Übergang zwischen den Bereichen "total geschädigt" und "ungeschädigt" zunächst nicht als scharfe Bruchfläche, sondern als einen Bereich, in dem die Zustände stetig ineinander übergehen. In das Modell, das die Schädigung beschreibt, fließen Größen wie die mittlere Länge der Mikrorisse, deren Anzahl und Orientierung ein. Die Evolution des Schädigungsprozesses beschreiben dann spezielle Gleichungen, die partiellen Differentialgleichungen. Um zum makroskopischen Bruchmodell zu kommen, lassen die Mathematikerinnen in ihrem Modell den stetigen Übergang immer kleiner werden, so dass er verschwindend klein wird und als scharfe Bruchfläche erscheint.

Das Projekt der beiden Mathematikerinnen wird vom Senatsausschuss Wettbewerb der Leibniz-Gemeinschaft im Schwerpunkt "Frauen in wissenschaftlichen Leitungspositionen" gefördert. Damit können die Wissenschaftlerinnen für drei Jahre eine Arbeitsgruppe zur mathematischen Modellierung finanzieren. Durch zusätzliche Drittmittel wollen sie ihr Team mit Experten aus anderen Fachbereichen verstärken, da beim Modellieren von Schädigungsprozessen auch Materialwissenschaften, Thermodynamik und Chemie eine wichtige Rolle spielen.

 

Quellen und Artikel:

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Weierstraß-Institut für Angewandte Analysis und Stochastik

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Quelle: Forschungsverbund Berlin e.V.

 

Weitere Informationen:

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