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Die Larven des Maiswurzelbohrers (vergrößertes Bild) verursachen
verheerende Schäden. Maispflanzen versuchen, sich zu wehren, indem sie den
Lockstoff (E)-beta-Caryophyllen in den Erdboden abgeben, sobald der Schädling
die Wurzeln attackiert. Dadurch werden Fadenwürmer (Nematoden) angelockt, welche
die Raupen des Maiswurzelbohrers befallen und töten. Maissorten, die diesen
Abwehrmechanismus nicht auslösen können, wurden mithilfe grüner Gentechnik
wieder in die Lage versetzt, den Lockstoff zu produzieren und so diese Art der
indirekten Verteidigung zu nutzen.
[Bildquelle: Matthias Held, Sergio Rasmann, Universität
Neuchâtel, Schweiz]
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ß-Caryophyllen, C15H24, ein bicyclisches
Sesquiterpen.
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Der Maiswurzelbohrer (Diabrotica virgifera virgifera)
ist in den USA der gefährlichste Maisschädling, sein Befall führt zu
hohen Ertragseinbußen. Die Bekämpfung erfolgt durch Insektizide,
Fruchtfolgen und durch - in Europa nicht zugelassene - gentechnisch
veränderte Bt-Maissorten. Auch in Deutschland ist der Schädling seit
dem Jahr 2007 auf dem Vormarsch. Die Larven des Käfers fressen die
Wurzelhaare und bohren sich in die Wurzeln der Maispflanzen. Die
Folgen sind verheerend: Der Mais nimmt weniger Wasser und Nährstoffe
auf, die Halme bleiben mickrig und knicken um. Wo der Maiswurzelbohrer
zur Plage werden könnte, errichtet das Bundesamt für Verbraucherschutz
und Lebensmittelsicherheit (BVL) Sicherheitszonen und verordnet den
Einsatz des Insektizids Chlothianidin. Im Frühling 2008 löste dieses
Insektizid eine ökologische Katastrophe aus: Das Pflanzenschutzmittel
haftete nicht ausreichend an den gebeizten Maiskörnern;
Clothianidin-kontaminierter Staub setzte sich auf Blüten ab und
vergiftete so rund 330 Millionen Honigbienen.
"Viel umweltfreundlicher als der Einsatz von Insektiziden wäre der von
natürlichen Fraßfeinden des Käfers", ist Jörg Degenhardt deshalb
überzeugt. Zusammen mit Sergio Rasmann und Ted Turlings von der
Universität Neuchâtel in der Schweiz und Jonathan Gershenzon vom
Max-Planck-Institut für chemische Ökologie in Jena hatte der kürzlich
an die Universität Halle berufene Wissenschaftler schon vor vier
Jahren herausgefunden, dass angefressene Maiswurzeln Wildarten
spezieller Würmer (Nematoden) anlocken, indem sie den Duftstoff
(E)-beta-Caryophyllen (EßC) in den Boden abgeben. Auffallend bei
diesen Versuchen war gewesen, dass die meisten nordamerikanischen
Maissorten trotz Maiswurzelbohrerbefall keine Nematoden mehr anlocken
konnten. Vermutlich ist im Verlauf konventioneller Maiszüchtung durch
den Menschen in diesen Sorten die Fähigkeit zur Abgabe des
Nematoden-Lockstoffes verloren gegangen. Die
Wissenschaftler widmeten sich daher einer Maissorte, die kein EßC
erzeugen konnte. Zusammen mit Monika Frey von der TU München
transformierte Jörg Degenhardt diese Maispflanzen mit einem Gen, das
ein EßC erzeugendes Enzym kodiert. Deren Wurzeln konnten nun
kontinuierlich EßC in den Erdboden abgeben. Ivan Hiltpold testete
daraufhin in Freisetzungsexperimenten zusammen mit Bruce Hibbard von
der Universität Missouri und dem United States Department of
Agriculture, wie die Pflanzen Maiswurzelbohrerattacken überstehen.
"Die Freilandstudien zeigten, dass EßC abgebende transgene Pflanzen
die Effektivität der nematodenvermittelten Bekämpfung von
Maiswurzelbohrerraupen deutlich erhöhten", so Hiltpold. In Parzellen
mit transgenen Maispflanzen, die EßC produzieren konnten, fand er
weitaus weniger Wurzelschäden und ein um 60 Prozent vermindertes
Auftreten von Diabrotica-Käfern im Vergleich zu Parzellen mit
nicht-transgenem Mais. Dieser Wirkungsgrad entspricht der Effizienz
der synthetischen, gegen Diabrotica eingesetzten Insektizide.
Zusätzlich im Labor durchgeführte Arbeiten haben bestätigt, dass
transgene Pflanzen, verglichen mit nicht transgenen, deutlich mehr
Nematoden anlocken konnten. "Die Nutzung dieser
indirekten Verteidigung ist eine attraktive Strategie, um die
Resistenz von Pflanzen gegenüber pflanzenfressenden Insekten zu
erhöhen und so weniger Pestizide ausbringen zu müssen", sagt
Degenhardt. "Die in diesen Versuchen verwendeten transgenen
Maispflanzen haben keinen kommerziellen Wert - sie dienten dem 'proof
of principle', also dem Nachweis, dass es das EßC ist, das vor
Maiswurzelbohrerbefall schützt". Das EßC-Merkmal
ist in anderen, meist europäischen Maissorten und auch in den
Vorfahren des Mais vorhanden. Daher könnte einerseits durch
konventionelle Züchtung das Merkmal wieder in EßC defiziente Pflanzen
eingekreuzt werden. Andererseits verspricht die Erzeugung von
EßC-Maissorten mithilfe der Gentechnik zusätzliche Vorteile: Sie ist
schneller und verhindert den Verlust wichtiger Ertragsmerkmale der in
der Landwirtschaft verwendeten Maissorten. In Kombination mit
traditionellen Fruchtfolgen, bei denen abwechselnd Mais und Weizen
angebaut werden, könnten drohende Maiswurzelbohrerplagen verhindert
oder zumindest begrenzt werden. In weiteren
Experimenten soll nun untersucht werden, wie diese indirekte EßC
Verteidigungsstrategie am sinnvollsten und ökologisch schonend für
Mais und andere Pflanzen angewendet werden kann. Ein Patent über diese
Arbeiten ist angemeldet. [JWK, BA]
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