Erythropoetin, kurz EPO, hat sich einen skandalträchtigen Namen gemacht als Dopingmittel für Radrennfahrer. Der Name leitet sich vom altgriechischen erythros "rot" und poiein "machen" ab, eine treffende Bezeichnung für diesen wichtigen körpereigenen Wachstumsfaktor, der für die Bildung roter Blutkörperchen verantwortlich ist. Biotechnologisch hergestelltes Erythropoetin wird, außer als Radlerdroge, vor allem zur Behandlung der Blutarmut von Dialysepatienten und nach aggressiven Chemotherapien eingesetzt.
Einem japanisch-britischen Team um Yasuhiro Kajihara ist es nun gelungen, Analoga dieses Faktors in einer halb biotechnologischen, halb chemischen Synthese herzustellen.
Wie die Forscher in der Zeitschrift Angewandte Chemie berichten [vgl. Literatur-Hinweis unten], könnte dieser Syntheseweg ein interessanter prinzipieller Ansatz zur Herstellung so genannter Glycoproteine sein - Eiweißen, die Seitenketten aus Zuckerbausteinen tragen.
EPO ist ein gut untersuchtes Glycoprotein mit einer bekannten, klar umrissenen biologischen Funktion. Daher ist es als Modell-Glycoprotein beliebt. 166 Aminosäuren bilden seinen Eiweißteil, an den vier komplexe Zuckerketten (Oligosaccharide) wie mehrendige Antennen gebunden sind. Sie verlängern die Lebensdauer des Proteins im Blut.
Glycoproteine sind wichtige pharmakologische Wirkstoffe. Ihre Produktion ist jedoch schwierig. In Zellkultur entstehen keine einheitlichen Zuckerketten. Bakterien sind zudem nicht in der Lage, die komplexen Zuckerketten von Säugerproteinen nachzubauen. Von der Alternative, der chemischen Synthese, erhofft man sich maßgeschneiderte, einheitliche Glycoproteine, die als Wirkstoffe und zur Erforschung der Funktion von Glycoproteinen dienen können. Allerdings ist diese sehr aufwendig.
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EPO-Doping: Bei Konzentrationen eines Erythropoietin(EPO)-Analogons über 50 pg mL-1 wurde Zellproliferation beobachtet. Das EPO-Analogon, das zwei humane Sialyloligosaccharide enthält (siehe Bild), wurde mithilfe einer Kombination aus chemischer Synthese und Proteinexpression in E. coli erhalten. Die beiden Sialyloligosaccharide stören nicht bei der Bindung des EPO-Analogons an einen Rezeptor. |
Das Team wählte einen Mittelweg: Sie erzeugten nur einen Teil der EPO-Eiweißkette biotechnologisch in einer Bakterienkultur. Den zweiten, kürzeren Teil der Eiweißkette mit den Zuckerantennen synthetisierten sie. Dazu fügten sie eine künstliche Verankerungsstelle ein, an der Zucker chemisch angeknüpft werden können. Bei der verwendeten Zuckerkette handelte es sich um ein verzweigtes komplexes Sialyloligosaccharid aus Eigelb. Im letzten Schritt verknüpften die Forscher die beiden Eiweißketten mithilfe einer Methode, die sich native chemische Ligation nennt.
Faltungsexperimente belegten, dass das künstliche EPO-Analogon wie das natürliche EPO eine helikale Struktur einnimmt. Zellteilungstests mit Knochenmarkszellen ergaben eine gleich hohe biologische Aktivität wie beim Original. In vivo konnte das Analogon allerdings die Zahl der roten Blutkörperchen nicht in der Weise erhöhen wie das richtige EPO. Die Forscher hoffen nun, durch Verwendung anderer, stärker verzweigter Zuckerketten Analoga zu kreieren, die auch in vivo eine hohe Bioaktivität zeigen.
Zusatzinformationen:
Kiriko Hirano, Prof. Dr. Derek Macmillan, Dr. Katsunari Tezuka,Prof. Dr. Takashi Tsuji, Prof. Dr. Yasuhiro Kajihara:
Design and Synthesis of a Homogeneous Erythropoietin Analogue with Two Human Complex-Type Sialyloligosaccharides: Combined Use of Chemical and Bacterial Protein Expression Methods.
In: Angewandte Chemie; online veröffentlicht am 01. Oktober 2009, DOI 10.1002/ange.200904376
Quelle: Angewandte Chemie, Presseinformation Nr. 41/2009
Aktualisiert am 21.10.2009.
Permalink: https://www.internetchemie.info/news/2009/oct09/glycoprotein-analoga.php
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