Bei einer Infektion mit neuen, dem Körper unbekannten Grippeviren kann das menschliche Immunsystem rasch einen angeborenen Schutzmechanismus gegen die Erreger aktivieren. Dabei spielt ein Protein, kurz "Mx" (Myxovirus-Resistenz) genannt, eine wichtige Rolle. Es hindert die Viren daran, sich ungehemmt zu vermehren. Wie, das haben Forscher bislang nicht herausfinden können.
Jetzt haben Virologen vom Freiburger Institut für Medizinische Mikrobiologie und Hygiene und Strukturbiologen vom Berliner Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin (MDC) die Struktur des "Mx"-Proteins zum Teil entschlüsselt. Damit können sie klären, wie das "Mx"-Protein seine antivirale Wirkung entfaltet.
Neue Influenzaviren können ohne Vorwarnung immer wieder vom Tier auf den Menschen überspringen, wie die Erfahrungen mit dem H5N1-Vogelgrippevirus oder jüngst mit dem Schweinegrippevirus belegen. Obwohl der Mensch meist keine Immunität gegen solche Erreger hat, ist sein Körper den Eindringlingen nicht schutzlos ausgeliefert. Er verfügt über eine rasch mobilisierbare Abwehr, die dafür sorgt, dass sich die Influenzaviren nicht ungehemmt vermehren können.
Ein wesentliches Element dieses Schutzes besteht aus einem körpereigenen Protein, das eindringende Viren in der Zelle abfängt und daran hindert, Nachkommen-Viren zu produzieren. Unter normalen Umständen ist dieses Schutzprotein "Mx" gar nicht in den Zellen vorhanden. Es wird erst kurzfristig nach Bedarf hergestellt, und dann in großen Mengen. Der Befehl zur Herstellung wird durch den natürlichen Botenstoff Interferon vermittelt, der von virusinfizierten Zellen ausgeschieden wird und dem Organismus den Virusbefall ankündigt.
Dieser Interferon-induzierte Schutzmechanismus ist für das Überleben einer Infektion mit Influenzaviren unerlässlich, wie Forscher experimentell dokumentieren konnten. Wie genau das schützende Protein die Virusvermehrung blockiert, war jedoch bisher nur ungenügend verstanden, weil dessen Struktur trotz jahrelanger Anstrengungen von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern verschiedener Forschungseinrichtungen nicht aufgeklärt werden konnte.
Den Virologen Prof. Dr. Otto Haller, Alexander von der Malsburg und Prof. Dr. Georg Kochs aus Freiburg ist es in Zusammenarbeit mit den Strukturbiologen Dr. Oliver Daumke, Song Gao, Susann Paeschke und Prof. Dr. Joachim Behlke vom MDC gelungen, strukturelle Einsichten zu gewinnen und daraus Voraussagen zur Wirkungsweise des antiviralen Proteins abzuleiten.
Das als "Mx" bezeichnete Protein ist eine molekulare Maschine, die ihre volle Kraft erst nach Aneinanderlagerung der Einzelmoleküle zu einem hochmolekularen Verbund entfaltet, wobei sich Ringstrukturen ausbilden. Ein zentrales Element der Ringbildung besteht in der besonderen Faltung eines Teils von "Mx", der als Stiel bezeichnet wird.
Nach der genauen Struktur dieses Stiels wird seit Jahren gefahndet. Die beiden Forschergruppen entschlüsselten nun erstmals die Stiel-Struktur auf atomarer Ebene. Die jetzt bekannte Struktur erklärt den Aufbau von "Mx" und erlaubt testbare Voraussagen zur Funktionsweise des antiviralen Moleküls.
Zusammen mit Ergebnissen aus früheren biochemischen Untersuchungen wird jetzt klar, dass "Mx" mit der Stiel-Struktur eine Art Fußangel bildet, die wichtige Bestandteile des Influenzavirus in der infizierten Zelle fesselt und inaktiviert. Dass es dennoch bei dem Auftreten neuer Grippeviren zu Epidemien oder gar Pandemien kommen kann, hängt mit der Aggressivität und Massivität dieser Erreger zusammen. Die Forscher sind zuversichtlich, mit ihren neuen Erkenntnissen über das schützende "Mx"-Protein die Grundlage für die Entwicklung neuer antiviraler Medikamente gegen die gefährlichen Influenzaviren gelegt zu haben. Sie sind zudem sicher, dass die an "Mx" gewonnenen Erkenntnisse auch das Verständnis für weitere Mitglieder dieser Proteinfamilie erhöhen.
Zusatzinformationen:
Song Gao, Alexander von der Malsburg, Susann Paeschke, Joachim Behlke, Otto Haller, Georg Kochs, Oliver Daumke:
Structural basis of oligomerization in the stalk region of dynamin-like MxA.
In: Nature; online veröffentlicht am 28. April 2010, DOI 10.1038/nature08972
Quelle: Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin, MDC, Berlin-Buch
Aktualisiert am 28.04.2010.
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