Eine Gruppe von Astronomen, der auch Forscher des Max-Planck-Instituts für Astronomie angehören, hat eine neue Methode zur Untersuchung der Atmosphären von Exoplaneten (Planeten, die andere Sterne umkreisen als die Sonne) entwickelt und getestet. Damit werden solche Messungen erstmals auch Beobachtern mit vergleichsweise kleinen Teleskopen (Spiegeldurchmesser einige Meter) zugänglich. Die ersten Beobachtungen mit der neuen Methode lieferten grundlegend neue Erkenntnisse über die Eigenschaften von Exoplanetenatmosphären. Die Ergebnisse wurden am 4. Februar 2010 in der Fachzeitschrift Nature veröffentlicht.
Untersuchungen der chemischen Zusammensetzung der Atmosphären von Exoplaneten bedienen sich der Spektroskopie: der systematischen Untersuchung des Lichts, das ein Sternensystem bei den verschiedenen Farben (Wellenlängen) aussendet. Bislang wurden für solche Untersuchungen Weltraumteleskope oder die größten und fortschrittlichsten bodengebundenen Teleskope der Welt benötigt . Jetzt macht eine neue Methode zur Datenauswertung, die eine Gruppe von Astronomen aus den Vereinigten Staaten, Großbritannien und Deutschland entwickelt und getestet hat, die Exoplaneten-Spektroskopie deutlich kleineren (und weiter verbreiteten) bodengebundenen Teleskopen zugänglich.
Für die Entwicklung der neuen Methode benötigten die Forscher gut zwei Jahre - danach aber konnten sie die spektroskopischen Beobachtungen an dem Exoplaneten HD 189733 b, die sie 2007 mit einem 3-Meter-Teleskop vorgenommen hatten, angemessen auswerten und in der Atmosphäre des Planeten das Vorkommen spezifischer Moleküle wie Methan und Kohlendioxid nachweisen. Der Planet, ein Gasriese ähnlich dem Jupiter, umkreist 63 Lichtjahre von der Erde entfernt den Stern HD 189733 A im Sternbild Fuchs (Vulpecula). Dabei konnten die Astronomen einen Teil des Spektrums aufnehmen, der mit heutigen Weltraumteleskopen nicht beobachtet werden kann.
Von der Erde aus gesehen verschwindet der Planet HD 189733 b periodisch hinter seinem Heimatstern. Das Spektrum des Planeten lässt sich bestimmen, indem man das von dem System direkt vor einer solchen "Planetenfinsternis" empfangene Licht mit dem während der Finsternis empfangenen Licht vergleicht. Allerdings sorgen Turbulenzen in der Erdatmosphäre (die auch für das nächtliche Funkeln der Sterne verantwortlich sind) für Störungen, deren Einfluss sich nur schwer berücksichtigen lässt. Jeroen Bouwman vom Max-Planck-Institut für Astronomie erklärt: "Mit einer neu entwickelten Kalibrationsmethode können wir die Lichtveränderungen, die sich durch die Planetenfinsternis ergeben, von den Lichtveränderungen durch atmosphärische Turbulenzen und von Störsignalen des Detektors unterscheiden." Zuvor waren Messungen dieser Art nur mit Hilfe von Weltraumteleskopen möglich gewesen, deren Beobachtungszeit freilich streng rationiert ist. Nun sind sie mit bodengebundenen Teleskopen mit Spiegeldurchmessern bis hinunter zu einigen Metern durchführbar, von denen es weltweit einige Dutzende gibt - und dies ohne die Notwendigkeit spezialisierter Spektrografen.
Der Erstautor der Studie, Mark Swain vom Jet Propulsion Laboratory der NASA (ein ehemaliger Gastwissenschaftler am MPIA) erklärt weiter: "Dass wir unsere neuen Ergebnisse mit einem vergleichsweise kleinen, bodengebundenen Teleskop gewinnen konnten, ist sehr aufregend. Denn es bedeutet, dass die größten bodengebundenen Teleskope mit Hilfe unserer neuen Methode in der Lage sein müssten, die Atmosphären erdähnlicher Planeten zu untersuchen." Untersuchungen der chemischen Eigenschaften erdähnlicher Planeten sind ein wichtiger Schritt für die Suche nach bewohnbaren Exoplaneten, oder sogar nach Spuren von Leben auf solchen Planeten - ein Schlüsselziel der modernen Astronomie, das derzeit freilich noch in weiter Ferne liegt. Koautor Thomas Henning, Direktor am Max-Planck-Institut für Astronomie, fügt hinzu: "Hier zeigt sich das Potenzial von neuen Instrumenten wie dem Spektrografen LUCIFER, der derzeit am Large Binocular Telescope in Arizona installiert wird."
Die ersten Beobachtungen mit der neuen Methode haben bereits interessante Ergebnisse zu den Eigenschaften von Exoplaneten-Atmosphären erbracht. Bisherige Modelle basierten auf der Annahme, dass Veränderungen in der Atmosphäre vergleichsweise langsam ablaufen. Den Forschern war bewusst, dass dies eine zu starke Vereinfachung ist. Allerdings reichten die verfügbaren Beobachtungsdaten noch nicht aus, um zwischen solchermaßen vereinfachten und realistischeren Modellen zu unterscheiden konnten. Die neuen Daten lassen genau solch eine Unterscheidung zu, und ermöglichen es den Astronomen auf diese Weise, neue, realistischere Modelle für Exoplanetenatmosphären zu entwickeln.
Fragen und Antworten
Was ist ein Spektrum?
Jeder Regenbogen führt uns vor Augen, dass sich weißes Licht in verschiedene Grundfarben zerlegen lässt. Astronomen führen diese Zerlegung des Lichts in verschiedene Farben (oder "Wellenlängenanteile") mit ihren Instrumenten künstlich herbei - allerdings unterscheiden sie dort, wo wir lediglich fünf oder sechs Regenbogenfarben unterscheiden, hunderter feiner Farbnuancen, die zusammen das Spektrum eines Objekts bilden: eine Übersicht, welche Mengen an Licht der Himmelskörper in jedem der enggefassten Farbbereiche abstrahlt. Außerdem nutzen Astronomen nicht nur das sichtbare Licht, das wir beim Regenbogen sehen, sondern weit größere Bereiche des elektromagnetischen Spektrums. Das bei den hier beschriebenen Beobachtungen aufgenommene Spektrum liegt im Bereich des Infrarotlichts. Die Eigenschaften der Spektren - besonders viel Licht in einigen, besonders wenig in anderen Farbbereichen - geben Aufschluss über die chemische Zusammensetzung der beobachteten Materie. Infrarotspektren sind hier besonders nützlich, um zu sehen, welche Moleküle beispielsweise in einer Planetenatmosphäre vertreten sind. Insgesamt ist die Spektroskopie, das Aufzeichnen von Spektren, ein Schlüsselwerkzeug der Astronomie: Spektren zeigen uns, woraus ferne Himmelskörper bestehen.
Wie kann man bei einer Planetenfinsternis das Spektrum eines Exoplaneten beobachten?
Mit jedem Umlauf läuft der Planet von der Erde aus gesehen einmal vor dem Stern entlang (die "primäre Eklipse") und einmal dahinter (die "sekundäre Eklipse"). Mit heutigen Instrumenten ist es für die allermeisten Exoplaneten unmöglich, Planet und Heimatstern getrennt abzubilden - die beiden Himmelskörper stehen zu nahe beisammen, und das Licht des Sterns ist zu hell (tatsächlich sind Spektralmessungen, bei denen der Planet separat anvisiert wurde, bislang nur einmal gelungen, vgl. diese MPIA-Pressemitteilung. Bedeckungen bieten mehrere Möglichkeiten, Informationen über das Spektrum des Planeten zu gewinnen: Während der primären Eklipse wird ein geringer Teil des Sternenlichts vom Planetenscheibchen abgeschirmt. Ein noch geringerer Teil des Sternenlichtes hat, bevor es uns erreicht, die Atmosphäre des Planeten durchquert ("Transmissionsspektroskopie"); daraus, welche Farbanteile dieses Lichts in der Atmosphäre absorbiert wurden ("Absorptionslinien"), lässt sich auf die Anwesenheit bestimmter Molekülsorten in der Planetenatmosphäre schließen.
Auch aus dem Vergleich des beobachteten Lichts des Systems direkt vor und während der sekundären Eklipse lassen sich Rückschlüsse auf das Spektrum ziehen: Das direkt vor der sekundären Eklipse aufgefangene Licht setzt sich aus Sternenlicht, aus von dem Planeten reflektierten Sternenlicht und aus von dem Planeten direkt ausgesandten Licht zusammen. Während der sekundären Eklipse, wenn der Planet hinter dem Stern verschwunden ist, erreicht uns nur noch das Sternenlicht. Zieht man ein vorher aufgenommenes Spektrum von einem während der Eklipse aufgenommenen Spektrum ab, erhält man das Spektrum des Planetenlichts. (Reflektiertes Licht spielt dabei vor allem bei Beobachtungen mit sichtbarem Licht eine Rolle; für Messungen von Infrarotlicht, wie bei den hier beschriebenen Ergebnissen, liefert die Wärmestrahlung des Planeten den größten Beitrag.)
Wie wurden die hier beschriebenen Messungen durchgeführt?
Zuvor konnten Spektralmessungen während der Bedeckung eines Exoplaneten durch seinen Heimatstern (oder umgekehrt) nur mit Weltraumteleskopen durchgeführt werden. Um zu bodengebundenen Teleskopen zu gelangen, muss das Licht ferner Himmelskörper die Erdatmosphäre durchqueren; Turbulenzen in der Atmosphäre prägen dem Licht winzige Störeinflüsse auf, die sich von Augenblick zu Augenblick verändern, und es ist sehr schwierig, die zeitlichen Änderungen des Licht des fernen Sternensystems aufgrund der Bedeckungen und diese zeitlich veränderlichen Störungen auseinanderzuhalten. Andererseits muss man den Zeitverlauf der Bedeckungen sehr präzise verfolgen, will man das Licht des Planeten und das des Sterns auseinanderhalten.
Die neue Auswertungsmethode nutzt aus, dass es zwischen den durch die Bedeckung bedingten und den störenden zeitlichen Änderungen systematische Unterschiede gibt - zum einen im zeitlichen Verlauf, zum anderen in der Art und Weise, wie die verschiedenen Wellenlängen des Lichts von den Änderungen betroffen sind. Das neue Verfahren wurde im Laufe von gut zwei Jahren entwickelt, nachdem die Forscher im Jahre 2007 ihre Beobachtungen mit einem bodengebundenen Teleskop vorgenommen hatten. Wichtiger Teil der Entwicklungsarbeit war die Anwendung auf die Daten von Weltraumteleskopen - dort spielt zwar die Erdatmosphäre keine Rolle, aber das Verfahren hilft, um Störeinflüsse der verwendeten Detektoren auszugleichen.
Die Messungen untersuchten Bereiche des Infrarotspektrums (das "L-Band" bei Wellenlängen von 3 bis 4 Mikrometern), die mit den derzeit verfügbaren Weltraumteleskopen nicht beobachtet werden können. Erst das James Webb Space Telescope, das 2014 starten soll, wird Beobachtungen in diesem Wellenlängenbereich vom Weltraum aus durchführen können.
Was sind die Konsequenzen für die Exoplaneten-Atmosphärenmodelle?
Modelle für Exoplaneten-Atmosphären müssen eine große Vielzahl möglicher Planeten beschreiben, und sind daher notwendigerweise stark vereinfacht - etwa im Vergleich mit den detaillierteren Modellen für die Atmosphären spezifischer Planeten (oder gar mit Modellen für die Erdatmosphäre). Eine Standardannahme herkömmlicher Exoplaneten-Atmosphärenmodelle ist "lokales thermodynamisches Gleichgewicht" (LTG) - die Annahme, dass sich jeder Atmosphärenregion eine eindeutige Temperatur zuordnen lässt. Das geht nur, wenn sich die Bedingungen überall in der Atmosphäre nur vergleichsweise langsam ändern; dynamische Vorgänge wie Konvektion, Turbulenz und bestimmte chemische Reaktionen sind dabei von vornherein ausgeschlossen. Die Forscher wissen, dass sie es hier mit sehr vereinfachten Modellen zu tun zu haben. Allerdings gab es bislang keine Beobachtungsdaten, die genau genug gewesen wären, um LTG-Modelle von realistischeren Modellen zu unterscheiden. Das hat sich mit den neuen Daten geändert, denn diese sind eindeutig nicht mit den LTG-Modellen vereinbar. Besonders deutlich ist eine Abweichung, die die Wissenschaftler von anderer Stelle her kennen: Ein Strahlungsmaximum, das sich in unserem eigenen Sonnensystem bei Titan, dem größten Saturnmond, nachweisen lässt. Derzeit ist noch nicht klar, wie sich dieses Maximum ergibt. Zweifelsfrei liegt hier aber eine Unvereinbarkeit mit den LTG-Modellen vor, und die neuen Daten werden den Theoretikern dabei helfen, neuere und realistischere Modelle zu entwerfen und zu überprüfen.
Welche Eigenschaften hat das Planetensystem von HD 189733?
HD 189733, oder V452 Vulpeculae, ist ein Doppelsternsystem, das aus zwei Zwergsternen besteht: dem Stern HD 189733 A (Spektraltyp K, unserer Sonne nicht unähnlich) und dem roten Zwergstern HD 189733 B. Die beiden Sterne umkreisen sich in einer Entfernung von mehr als 200 Astronomischen Einheiten (mehr als dem fünffachen Abstand des Pluto von der Sonne). Das System ist 63 Lichtjahre von der Erde entfernt und befindet sich im Sternbild Vulpecula, oder Fuchs.
Im Jahre 2005 wurde der Exoplanet HD 189733 b entdeckt, der den Stern HD 189733A alle 2,2 Tage umkreist (wie allgemein üblich wird durch Hinzufügen eines Kleinbuchstabens benannt, die Sterne des Doppelsternsystems dagegen mit Großbuchstaben). Von der Erde aus gesehen läuft der Planet mit jedem Umlauf einmal vor und einmal hinter seinem Heimatstern vorbei.
HD 189733 b ist ein so genannter "heißer Jupiter": seine Masse ist rund 13% größer als die des Jupiters, und er hat eine Oberflächentemperatur von rund 850 Grad Celsius. Der Planet umkreist seinen Heimatstern auf einer sehr engeren Umlaufbahn, in einer Entfernung, die nur rund einem Zehntel des Abstandes des innersten Planeten unseres eigenen Sonnensystems, Merkur, von der Sonne entspricht. Der Planet HD 189733 b rotiert exakt so, dass er seinem Stern immer die gleiche Seite zuwendet (ähnlich wie es beim Erde-Mond-System der Fall ist: Wir sehen immer die gleiche Seite des Mondes). Der Planet ist vergleichsweise gut untersucht: Mit dem Weltraumteleskop Spitzer gelang es 2007, Wasserdampf in seiner Atmosphäre nachzuweisen und eine grobe Temperaturkarte seiner Oberfläche zu erstellen. Mit dem Weltraumteleskop Hubble konnten 2008 Methan und Kohlendioxid in seiner Atmosphäre nachgewiesen werden.
Mit welchen Teleskopen wurde beobachtet?
Als bodengebundenes Teleskop kam das Infrarotteleskop IRTF (Infrared Telescope Facility) der NASA zum Einsatz, das sich am Mauna Kea-Observatorium auf Hawai'i befindet. Es nahm 1979 den wissenschaftlichen Beobachtungsbetrieb auf und ist mit einem Hauptspiegeldurchmesser von 3 Metern ein vergleichsweise kleines Gerät, vergleicht man es mit den heutigen 8-Meter-Spiegelteleskopen wie dem Very Large Telescope der Europäischen Südsternwarte. Dass es sich weder um ein sehr modernes noch um ein sehr großes Teleskop handelt, ist ein wichtiger Umstand: Zum einen wird Exoplanetenchemie damit für eine ganze Reihe von Teleskopen zugänglich, denn derzeit gibt es 40 Teleskope, die so groß oder noch größer sind als das IRTF. Zum anderen verspricht dieser erste Text spektakuläre Messungen mit den größten heutigen Teleskopen und ihren Nachfolgern.
Vergleichsdaten, mit denen die neue Methode getestet wurde, wurden mit dem Weltraumteleskop Spitzer der NASA aufgenommen. Das Spitzer-Teleskop ist seit 2003 im Einsatz und hat einen Spiegeldurchmesser von 85 Zentimetern. Auch Messungen mit dem Weltraumteleskop Hubble (NASA/ESA) wurden herangezogen.
Was bedeutet die Bezeichnung HD 189733?
HD 189733 ist der Stern Nummer 189733 im Henry Draper Catalogue, einem Sternkatalog, der im frühen 20ten Jahrhundert veröffentlicht wurde.
Zusatzinformationen:
Mark R. Swain, Pieter Deroo, Caitlin A. Griffith, Giovanna Tinetti, Azam Thatte, Gautam Vasisht, Pin Chen, Jeroen Bouwman, Ian J. Crossfield, Daniel Angerhausen, Cristina Afonso, Thomas Henning:
A ground-based near-infrared emission spectrum of the exoplanet HD?189733b.
In: Nature; 463, 637-639, 04. Februar 2010, DOI 10.1038/nature08775
Quelle: Max-Planck-Institut für Astronomie, MPIA, Heidelberg
Aktualisiert am 04.02.2010.
Permalink: https://www.internetchemie.info/news/2010/feb10/exoplaneten-spektroskopie.php
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