Das Ras-Protein ist ein molekularer Schalter, mit dem eine ganze Reihe von zellulären Prozessen an- oder abgeschaltet werden kann. Dabei wechselt es zwischen einem inaktiven und einem aktiven Zustand. Im aktiven Zustand kann das Protein mit sogenannten Effektor-Proteinen wechselwirken, die Prozesse wie Zellwachstum und -entwicklung in Gang setzen. Ist das Ras-Gen allerdings an bestimmten Stellen mutiert, wird aus dem Protoonkogen ein Onkogen - der Schalter für das Zellwachstum wird dauerhaft "angeschaltet" und die Zellen vermehren sich unkontrolliert. Entsprechend finden sich in etwa 30 % aller menschlichen Tumoren Mutationen im Ras-Protein (onkogenes Ras). Es werden deshalb große Anstrengungen unternommen, um die molekularen Grundlagen der Schalterfunktion von Ras-Proteinen zu verstehen und Medikamente gegen onkogenes Ras zu entwickeln.
Wissenschaftlern unter Federführung von Prof. Dr. Dr. Hans Robert Kalbitzer am Institut für Biophysik und Physikalische Biochemie der Universität Regensburg ist es in diesem Zusammenhang gelungen, einen neuen Ansatzpunkt zur Hemmung der unkontrollierten Ras-Effektor-Wechselwirkung zu entwickeln. Die Forscher konnten nachweisen, dass Metall-Cyclene eine vielversprechende Grundlage zur pharmakologischen Unterdrückung der vom Ras-Protein abhängigen Signalübertragungen in der Zelle darstellen.
Sie nutzen dabei aus, dass das durch GTP-Bindung (Guanosintriphosphat) aktivierte Ras-Protein in zwei Konformationen bzw. Anordnungen vorkommt. Nur eine der Konformationen ist in der Lage, das Proliferationssignal bzw. das Signal für die Zellentwicklung weiterzuleiten. Die andere, seltene Konformation hat andere biologische Funktionen. Durch die Bindung von Zn2+-Cyclen kann die für die Signalweiterleitung ungeeignete Konformation 1(T), die Effektoren nur schwach bindet, auf Kosten der anderen Konformation 2(T) stabilisiert werden. Die Signalweiterleitung ist dann unterbrochen. Eine 3D-Struktur des Komplexes von Ras mit Zn2+-Cyclen konnte mit Hilfe der NMR-Spektroskopie bestimmt werden und bildet die Grundlage für das rationale Design von neuen, besser bindenden Substanzen.
So identifizierten die Forscher zwei Bindungsstellen am Ras-Protein, an denen die Zn2+-Cyclene mit unterschiedlicher Anziehungskraft anbinden. Eine dieser Bindungsstellen befindet sich im Bereich des aktiven Zentrums des Proteins. Die Bindung des Zn2+-Cyclen-Komplexes an das menschliche Ras-Protein stabilisiert dabei einen Ras-Proteinzustand mit schwacher Affinität für Effektoren, was den Komplex zu einer Leitsubstanz für weitere Studien zur Unterdrückung der Ras-Effektor-Wechselwirkung macht.
Erste Ergebnisse der Regensburger Forscher sind in der renommierten Fachzeitschrift "Angewandte Chemie" erschienen (siehe unten). Die derzeitigen Arbeiten der Wissenschaftler konzentrieren sich im Rahmen eines DFG-Graduiertenkollegs "Medizinische Chemie" der Universität Regensburg auf das Design von neuen, geeignet modifizierten Molekülen, die den selben Wirkmechanismus wie Zn2+-Cyclen haben, aber eine wesentlich höhere Bindungsstärke und Selektivität zum Ras-Protein aufweisen. Inzwischen wurden neue Substanzen mit besseren pharmakologischen Eigenschaften gefunden. Mögliche Anwendungsbereiche der Forschungsergebnisse liegen in der Entwicklung neuartiger molekularer Therapien gegen unterschiedlichste Krebsarten.
Zusatzinformationen:
Ina C. Rosnizeck, Thorsten Graf, Michael Spoerner, Jens Tränkle, Daniel Filchtinski, Christian Herrmann, Lothar Gremer, Ingrid R. Vetter, Alfred Wittinghofer, Burkhard König, Prof. Hans Robert Kalbitzer:
Stabilisierung eines niederaffinen Zustands für Effektoren im menschlichen Ras-Protein durch Cyclenkomplexe.
In: Angewandte Chemie; Volume 122, Issue 22, Seiten 3918 bis 3922, 17. Mai 2010, DOI 10.1002/ange.200907002
Quelle: Universität Regensburg
Aktualisiert am 26.10.2010.
Permalink: https://www.internetchemie.info/news/2010/oct10/ras-protein-hemmung.php
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