Dabei ist eigentlich die Brownsche Bewegung, wie man die Zitterbewegung winziger gelöster Partikel in Flüssigkeiten nennt, ein lange bekanntes Phänomen, das bereits Anfang des 19. Jahrhunderts von dem Botaniker Robert Brown eingehend untersucht wurde. Ihre Ursache blieb jedoch lange Zeit ein Rätsel. Schließlich gelang es Albert Einstein 1905 zu zeigen, dass es anstelle der vermuteten geheimnisvollen Lebenskraft ein kleiner "Atomantrieb" ist, nämlich die Wärmebewegung der Atome in ihrer Umgebung, die die mikroskopischen Partikel scheinbar zum Leben erweckt und sie in wildem Zick-Zack-Kurs tanzen lässt. Einsteins Erklärung für diese sogenannte Brownsche Bewegung markierte den Durchbruch in eine neue Welt der Atome und Moleküle.
Die Theorie der Brownschen Bewegung hat seitdem nicht nur einen unvergleichlichen Siegeszug durch viele Teilgebiete der Physik angetreten. Sie ließ sich auch auf eine Vielzahl von auf den ersten Blick völlig unzusammenhängenden Fragestellungen in der Biologie oder auch in der Klimaforschung übertragen, bis hin zur Beschreibung der Preisentwicklung an der Börse.
Der Fall, dass die Brownschen Teilchen einmal nicht mit ihrer Umgebung im thermischen Gleichgewicht sein könnten, blieb dabei bisher weitgehend unbeachtet. Genau dieser Fall tritt aber in zahlreichen Anwendungen in der modernen Nanotechnologie und Biologie nun immer häufiger auf, wo die Manipulation und Detektion von Nanoteilchen mit Laserlicht inzwischen an der Tagesordnung ist. "Ein heißes Partikel besitzt, vereinfacht gesagt, einen stärkeren Atomantrieb und erfährt eine geringere Reibung. Deshalb bewegt es sich schneller", erläutert Daniel Rings, der als Doktorand maßgeblich an der Entwicklung der Theorie der "heißen Brownschen Bewegung" beteiligt war. Die Bewegungsgeschwindigkeit wird, wie schon Einstein wusste, durch die Temperatur und die Zähigkeit der umgebenden Flüssigkeit bestimmt. Für ein geheiztes Partikel ist dieser Zusammenhang aber nicht mehr so einfach, da die Temperatur und Zähigkeit in seiner Umgebung ja nicht mehr räumlich konstant sind. Die erhöhte Temperatur treibt das Partikel schneller voran - die niedrigere Zähigkeit verringert die Reibung, aber welche Temperatur und welche Viskosität (Zähigkeit) sind jetzt entscheidend?
Dem Team um die Professoren Frank Cichos und Klaus Kroy von der Universität Leipzig ist es nun gelungen, nicht nur eine analytische theoretische Beschreibung für die heiße Brownsche Bewegung zu entwickeln, sondern diese auch direkt mit Hilfe einer neuen experimentellen Methode zu überprüfen. Dabei werden wenige Nanometer kleine Goldpartikel durch einen fokussierten Laserstrahl geheizt und gleichzeitig ihre Brownsche Bewegung mit einem zweiten Laser verfolgt. Dabei machten die Wissenschaftler aus der Not eine Tugend und nutzen die Erwärmung der Teilchen aus, um diese überhaupt erst sichtbar zu machen. "Wir wissen jetzt, dass nicht die Temperatur und die Viskosität an der Partikeloberfläche entscheidend sind, sondern die von der Theorie berechneten effektiven Werte" so Rings. Und Prof. Cichos, der die Experimente betreut hat, fügt begeistert hinzu: "Das Spannende ist, dass uns die Theorie damit neue Möglichkeiten aufzeigt, wie wir die Bewegung dieser Nanoheizquellen gezielt manipulieren können. Wir fangen ja gerade erst an zu verstehen, welche neuen Phänomene und Technologien uns die heiße Brownsche Bewegung eröffnen wird".
Zusatzinformationen:
Daniel Rings, Romy Schachoff, Markus Selmke, Frank Cichos, and Klaus Kroy:
Hot Brownian Motion.
In: Physical Review Letters; 105, 090604, 26. August 2010, DOI 10.1103/PhysRevLett.105.090604
Quelle: Universität Leipzig
Aktualisiert am 02.09.2010.
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