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Und sie existiert doch: Der Kohlensäure auf der Spur

Kohlensäure erstmals gasförmig isoliert und spektroskopisch untersucht.




Abbildung: Und sie existiert doch! Kohlensäuremoleküle wurden aus der Gasphase in einer festen Edelgasmatrix bei weniger als 10 K eingefangen und IR-spektroskopisch untersucht. Auch die 2H- und 13C-Isotopologe wurden vermessen, und daraus konnte das Vorliegen einer 1:10:1-Mischung von zwei Monomerkonformationen und dem ringförmigen Dimer (H2CO3)2 gefolgert werden. Diese Daten sind wertvoll, um gasförmige Kohlensäure im Weltraum aufzuspüren. [Bildquelle: Angewandte Chemie, Wiley-VCH]
Kohlensäure

Bisher hat sie sich hartnäckig allen Detektionsversuchen widersetzt: gasförmige Kohlensäure soll laut gängiger Lehrbuchmeinungen gar nicht existieren, da sie unmittelbar in Wasser und Kohlendioxid zerfällt - und daher auch nur als Spurenkomponente detektierbar sein kann.

Ein Team um Hinrich Grothe von der TU Wien und Thomas Loerting von der Universität Innsbruck hat nun endlich den Gegenbeweis erbracht.

Wie die österreichischen Wissenschaftler in der Zeitschrift Angewandte Chemie berichten, konnten sie gasförmige Kohlensäure isolieren und spektroskopische Daten sammeln.

Wer ein Mineralwasser mit Kohlensäure bestellt, der meint eigentlich ein Getränk, das Kohlendioxid enthält. Bis vor gar nicht allzu langer Zeit war man sogar davon überzeugt, dass es Kohlensäure (H2CO3) als stabiles Molekül überhaupt nicht gibt. Inzwischen weiß man, dass in einem kohlensäurehaltigen Getränk doch Kohlensäure enthalten ist - allerdings nur in sehr, sehr geringer Konzentration. Bisher hat sich das Molekül den meisten Versuchen einer Isolierung und direkten Detektion entzogen. Als Festkörper konnte es jedoch bereits von einigen wenigen Wissenschaftlern erzeugt werden. Man nimmt zudem an, dass feste Kohlensäure in Zirrus-Wolken der Erdatmosphäre und im Weltraum vorkommt.

Die österreichischen Wissenschaftler konnten nun zeigen, dass es auch gasförmige Kohlensäure gibt und dass sie bei Temperaturen bis - 30 °C stabil ist. Für die Experimente wurde feste Kohlensäure durch Säure-Base-Reaktionen bei sehr tiefen Temperaturen erzeugt und dann bis auf - 30 °C erwärmt. Die verdampfenden Moleküle wurden in einer Matrix aus dem Edelgas Argon eingefangen und wieder stark abgekühlt. So entsteht eine Art gefrorenes Abbild der gasförmigen Kohlensäure, das die Forscher infrarotspektroskopisch untersuchen konnten.

Die Spektren zeigten, dass gasförmige Kohlensäure in drei verschiedenen Formen vorkommt. Die Wissenschaftler fanden zwei Monomere, die sich in ihrer Konformation, also der räumlichen Anordnung ihrer einzelnen Atome, unterscheiden, sowie ein Dimer aus zwei über Wasserstoffbrücken verbundenen Molekülen.

Die gewonnenen detaillierten spektroskopischen Daten sind von großem Interesse für die Astronomie, denn sie könnten den Nachweis gasförmiger Kohlensäure im Weltraum erleichtern, wo sie beispielsweise im Schweif von Kometen oder auf dem Mars vermutet wird.

 

Pressemitteilung der Universität Innsbruck:

Kohlensäure: Erstmals gasförmig isoliert

Wissenschaftler der Universität Innsbruck und der TU Wien haben erstmals im Labor gasförmige Kohlensäure hergestellt und isoliert. Die Chemiker um Thomas Lörting (Innsbruck) und Hinrich Grothe (Wien) konnten die gasförmigen Moleküle mittels Infrarotspektroskopie exakt charakterisieren.

Lehrbücher und Medien verbreiten es immer wieder: Stabile Kohlensäure gibt es praktisch nicht. Sie lasse sich in reiner Form nicht erzeugen und zerfalle beim Verdampfen sofort in Kohlendioxid und Wasser. Innsbrucker Chemiker um Erwin Mayer (Institut für Allgemeine, Anorganische und Theoretische Chemie) haben dieses alte Dogma der Chemie schon vor einigen Jahren umgestoßen. Sie gehören heute zu den wenigen Wissenschaftlern weltweit, die reine Kohlensäure im Labor herstellen können. Nun haben sie erstmals auch gasförmige Kohlensäure erzeugt und mit Unterstützung der Forschungsgruppe um Hinrich Grothe von der TU Wien die Moleküle auch nachgewiesen. "Die Moleküle der Kohlensäure treten in der Gasphase in drei unterschiedlichen Formen auf: entweder als Dimer aus zwei Molekülen oder in zwei Arten von Monomeren", erläutert Thomas Lörting vom Institut für Physikalische Chemie das Resultat der aufwändigen Untersuchung.

 

Überraschendes Ergebnis

Für das Experiment wurde die Kohlensäure im Labor an der Universität Innsbruck erzeugt und in flüssigem Stickstoff gekühlt von Doktorand Jürgen Bernard nach Wien transportiert. Am Institut für Materialchemie der TU Wien wurden die Proben dann bis auf minus 30 Grad Celsius erwärmt. "Dabei gingen die Kohlensäuremoleküle in die Gasphase über", erklärt Lörting das überraschende Ergebnis. Denn viele Experten waren bisher davon ausgegangen, dass Kohlensäure sofort in Kohlendioxid und Wasser zerfällt. Die österreichischen Forscher haben die gasförmige Kohlensäure in einer Matrix aus dem Edelgas Argon gefangen und stark abgekühlt. "Dadurch entstand ein gefrorenes Abbild der gasförmigen Kohlensäure, das wir mittels eines evakuierbaren und hochauflösenden Infrarotspektrometers an der TU Wien untersuchen konnten", erzählt Hinrich Grothe. "Das dabei erzeugte Spektrum ist so genau, dass wir die Spektrallinien den einzelnen Schwingungen von einzelnen Molekülen zuordnen konnten." Theoretische Unterstützung erhalten die Chemiker bei den experimentellen Arbeiten schon seit mehr als einem Jahrzehnt von der Arbeitsgruppe von Klaus Liedl, die mittels Computermodellen bei der Interpretation der experimentellen Daten hilft. Weitere Berechnungen wurden von Oscar Galvez vom CSIC Madrid durchgeführt.

 

Infrarotspektrum für die Forschung

Das Experiment ist nicht nur für die Grundlagenforschung von großer Bedeutung, es liefert auch wichtige Daten für die Astronomie. Der Nachweis von gasförmiger Kohlensäure in der Atmosphäre von Himmelskörpern wird durch die in der Studie veröffentlichten, sehr detaillierten Spektren der gasförmigen Kohlensäure erleichtert. "Die Bedingungen im Weltraum legen es nahe, dass im Schweif von Kometen oder auf dem Planeten Mars gasförmige Kohlensäure gefunden werden müsste," erzählt Thomas Lörting. "Allerdings sind die derzeit gemessenen Infrarotspektren aus dem All noch zu ungenau, um sie mit den Ergebnissen aus dem Labor wirklich vergleichen zu können."

Die Innsbrucker Chemiker um Lörting und Liedl sind Mitglieder der Forschungsplattform Material- und Nanowissenschaften der Universität Innsbruck und wurden bei ihren Forschungen vom österreichischen Wissenschaftsfonds FWF und vom European Research Council (ERC) unterstützt. Das neue Infrarotspektrometer der Wiener Chemiker um Grothe wurde vom materialwissenschaftlichen Schwerpunkt der TU Wien finanziert. Die Kooperation der TU Wien mit dem CSIC Madrid wurde vom Österreichischen Austauschdienst (ÖAD) unterstützt.

 

Siehe auch:

- Gezähmte Kohlensäure (2016)


Zusatzinformationen:

Jürgen Bernard, Markus Seidl, Dr. Ingrid Kohl, Prof. Dr. Klaus R. Liedl, Prof. Dr. Erwin Mayer, Dr. Óscar Gálvez, Prof. Dr. Hinrich Grothe, Prof. Dr. Thomas Loerting:
Spektroskopische Beobachtung von matrixisolierter Kohlensäure, abgeschieden aus der Gasphase.
In: Angewandte Chemie; online veröffentlicht am 22. Dezember 2010, DOI 10.1002/ange.201004729

Quelle: Angewandte Chemie, Pressemitteilung Nr. 46/2010

 


Aktualisiert am 04.01.2011.



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