Drei Jahre lang beschäftigte sich ein Forscherteam der kanadischen Universität von Alberta mit der umfassenden Analyse des Bluserums - bislang waren nicht mehr als eine Handvoll chemischer Substanzen im Blut bekannt, jetzt ist die Zahl der bekannten Verbindungen auf über 4000 angewachsen.
"Zur Zeit wirft ein Arzt, der das Blut eines kranken Patienten bewertet, den Blick auf etwa 10 bis 20 chemische Verbindungen", bemerkt David Wishart, Biochemiker in Alberta. Die 4229 identifizierten Blutkomponenten eröffnen den Medizinern ein großes Potenzial an Diagnose- und Heilungsmöglichkeiten.
Die Blutchemikalien oder Metabolite werden routinemäßig von den Ärzten analysiert, um Erkrankungen wie Diabetes oder Nierenversagen zu diagnostizieren. Wishart und seine Kollegen eröffnen mit ihrer Forschung die Möglichkeit zur Diagnose Hunderter von anderen Krankheiten, die durch ein Ungleichgewicht der Blutwerte gekennzeichnet sind.
Das Wissenschaftlerteam aus mehr als 20 Forschern an sechs verschiedenen Instituten nutzte modernste Technologie zur Überprüfung der bisherigen Erkenntnisse und zur Durchführung eigener Labormessungen, um neue Wege zur Erforschung der Blutchemie aufzuzeigen.
"Es ist die vollständigste chemische Charakterisierung des Blutes, die jemals durchgeführt wurde", so David Wishart. "Wir kennen jetzt die normalen Werte aller im Blut nachweisbaren Stoffe. Ärzte können die Messungen als Bezugspunkt für das Monitoring des aktuellen wie des zukünftigen Gesundheitszustandes eines Patienten nutzen."
Der Forscher führt weiter aus, dass Änderungen der Blutzusammensetzung erstes Anzeichen eines medizinischen Problems sein können. Die Blutchemie ändere sich als erstes, wenn sich der Gesundheitszustand eines Menschen ändere.
Die Blutserum Metabolom Datenbank von Wishart und seinem Team ist mit der vollständigen Liste der Blutchemikalien im Internet frei zugänglich (open access). Ärzte ist jetzt das Wissen von Hunderten von Blut-Forschungsprojekten aus der ganzen Welt erschlossen. Mit dieser neuen Datenbank können Ärzte spezifische Anomalien mit medizinischen Fragestellungen in Verbindung bringen.
Wishart glaubt, dass die Übernahme seiner Forschung nur langsam erfolgen werde, in Kooperation mit den Krankenhäusern nach Aufstellung neuer Suchprotokolle und neuer Instrumentenausstattung vielleicht für ein paar Hundert der mehr als 4000 identifizierten Verbindungen.
"Die Menschen studieren das Blut seit mehr als 100 Jahren", erläutert Wishart. "Durch die Kombination der Forschung aus der Vergangenheit mit unseren neuen Erkenntnisse haben wir der Wissenschaft der Chemie des Blutes von einem Schlüsselloch-Blickwinkel zu einem riesigen Panoramafenster verholfen."
Tabelle:
Im Blutserum nachgewiesene chemische Verbindungsklassen und Anteil der Einzelsubstanzen (Quelle [1])
Chemische Verbindungsklasse | Anzahl | Chemische Verbindungsklasse | Anzahl | |
Phospholipide | 2177 | Indole und Indol-Derivate | 12 | |
Glycerolipide | 1070 | Polyamine | 11 | |
Hydrocarbonsäuren | 129 | Purin und Derivate | 11 | |
Aminosäuren | 114 | Retinoide | 11 | |
Steroide und Derivate | 109 | Acyl-Glycine | 10 | |
Verschiedene andere | 77 | Acyl-Phosphate | 10 | |
Fettsäuren | 65 | Alkane und Alkene | 10 | |
Alkohole und Polyole | 40 | Cyclische Amine | 9 | |
Minerale und Elemente | 40 | Zuckerphosphate | 9 | |
Kohlenhydrate | 35 | Glucuronoside | 8 | |
Nukleoside | 24 | Ketosäuren | 8 | |
Nukleotide | 24 | Leukotriene | 8 | |
Prostanoide | 23 | Pyridoxale und Derivate | 7 | |
Aromatische Säuren | 22 | Ketone | 6 | |
Carnitine | 22 | Porphyrine | 6 | |
Polyphenole | 22 | Cobalamin Derivate | 4 | |
Catecholamine und Derivate | 21 | Aldehyde | 3 | |
Peptide | 21 | Chinone und Derivate | 3 | |
Gallensäuren | 19 | Sphingolipide | 3 | |
Dicarbonsäuren | 17 | Alkohol-Phosphate | 2 | |
Glycolipide | 15 | Biotin und Biotin-Derivate | 2 | |
Aminoalkohole | 14 | Pyrimidine und Derivate | 2 | |
Aminoketone | 14 | Tricarbonsäuren | 2 | |
Pterine | 14 | Aminosäure-Phosphate | 1 | |
Anorganische Ionen und Gase | 12 | Coenzym A Derivate | 1 |
Die Forschungsergebnisse wurden in der Fachzeitschrift PLoS ONE veröffentlicht [siehe unten].
Zusatzinformationen:
Nikolaos Psychogios, David D. Hau, Jun Peng, An Chi Guo, Rupasri Mandal, Souhaila Bouatra, Igor Sinelnikov, Ramanarayan Krishnamurthy, Roman Eisner, Bijaya Gautam, Nelson Young, Jianguo Xia, Craig Knox, Edison Dong, Paul Huang, Zsuzsanna Hollander, Theresa L. Pedersen, Steven R. Smith, Fiona Bamforth, Russ Greiner, Bruce McManus, John W. Newman, Theodore Goodfriend, David S. Wishar:
The Human Serum Metabolome.
In: PLoS One; e16957; online veröffentlicht am 16. Februar 2011, DOI 10.1371/journal.pone.0016957
Quelle: Universität von Alberta, Kanada
Aktualisiert am 01.03.2011.
Permalink: https://www.internetchemie.info/news/2011/mar11/blutserum-metabolom.php
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