Das Flammschutzmittel HBCD darf künftig nicht mehr hergestellt und verwendet werden.
Dies beschlossen VertreterInnen aus über 160 Ländern Ende Mai an einer UN-Chemikalienkonferenz in Genf.
Die Empa hat durch zahlreiche Forschungsarbeiten dazu beigetragen, dass der Stoff, der als Flammhemmer für Plastik, Elektronik und Textilien, vor allem aber in Dämmplatten für Gebäudeisolationen eingesetzt wurde, nun durch die Stockholm-Konvention für persistente organische Schadstoffe (POPs) geregelt wird.
Das Flammschutzmittel HBCD darf künftig nicht mehr hergestellt und verwendet werden. Dies beschlossen VertreterInnen aus über 160 Ländern Ende Mai an einer UN-Chemikalienkonferenz in Genf. Die Empa hat durch zahlreiche Forschungsarbeiten dazu beigetragen, dass der Stoff, der als Flammhemmer für Plastik, Elektronik und Textilien, vor allem aber in Dämmplatten für Gebäudeisolationen eingesetzt wurde, nun durch die Stockholm-Konvention für persistente organische Schadstoffe (POPs) geregelt wird.
Es ist ein langwieriger Prozess, bis ein Schadstoff als solcher identifiziert, seine schädigenden Wirkungen aufgeklärt und er weltweit verboten ist. Dies weiss auch Norbert Heeb, Chemiker in der Empa-Abteilung "Analytische Chemie". Er war daran beteiligt, die genauen Strukturen von HBCD - (Abkürzung für Hexabromcyclododecan) aufzudecken. Die Substanz entpuppte sich bei genauem Hinsehen nämlich als eine ganze Gruppe von Verbindungen. Zusammen mit Forscherinnen und Forschern der ETH Zürich, der Eawag und der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW) veröffentlichte er mehrere Studien, die zeigen, wie HBCD aufgebaut ist, welche Formen sich in der Umwelt anreichern und als persistente organische Schadstoffe (POPs) gelten.
Seit den 1980er-Jahren wurden HBCD als Flammhemmer in Plastik, Textilien, Möbeln, Elektronik und Isolationsmaterialien verwendet. Über 20‘000 Tonnen wurden davon jährlich weltweit produziert, der grösste Teil davon für Polystyrol-Dämmplatten zur Gebäudeisolation. Jeder Kubikmeter extrudiertes Polystyrol enthielt bis zu ein Kilogramm HBCD; beachtliche Mengen schlummern auch in Schweizer Häusern.
Vom ersten Verdacht zum weltweiten Verbot
Seit Längerem bestand begründeter Verdacht, dass HBCD als Umweltgift Fische und Säugetiere schädigen können. HBCD sind genügend fettlöslich, um sich entlang der Nahrungskette anzureichern und bauen sich in der Umwelt so langsam ab, dass sie über grosse Strecken transportiert werden können; mittlerweile werden HBCD auch in arktischen Gebieten nachgewiesen. Aufgabe der UN-Experten war es nun, zu bewerten, ob HBCD die in der Stockholm-Konvention definierten Kriterien für POPs erfüllen. Neben den exakten chemischen Strukturen mussten auch Abbaubarkeit (Persistenz), Bioakkumulation, das Potential für Ferntransport und schädigende Wirkungen einzelner HBCD-Stereoisomere wissenschaftlich aufgeklärt werden.
Komplexe Stereochemie
Zunächst deckten Forscherinnen und Forscher der Empa und der ETH Zürich auf, dass technisches HBCD in Wirklichkeit ein Gemisch aus mindestens acht verschiedenen Stereoisomeren ist. Stereoisomere sind Substanzen, die zwar die gleiche chemische Zusammensetzung aufweisen, sich jedoch durch die räumliche Anordnung ihre Atome unterscheiden. Sechs der acht Stereoisomere besitzen unterscheidbare Spiegelbilder, sie sind chiral, und verhalten sich zueinander wie die rechte zur linken Hand. Bei zwei weiteren Stereoisomeren sind Bild und Spiegelbild dagegen identisch - man spricht von Meso-Formen: Solche Moleküle besitzen zwar Stereozentren, sind aber dennoch achiral. Heeb und seine Kollegen folgerten bereits früh, dass sich einzelne Stereoisomere nicht nur in ihrer dreidimensionalen Gestalt, sondern auch in ihrer Toxizität und ihrem Umweltverhalten unterscheiden könnten. Dies wurde inzwischen von anderen Forschungsgruppen bestätigt. Ausserdem zeigten die Empa-Arbeiten an flammgeschützten Polystyrolen, dass sich HBCD bereits während der Verarbeitung der Materialien in bislang unbekannte, möglicherweise ebenfalls toxische Folgeprodukte umwandeln.
Zusammen mit KollegInnen der Eawag konnten die Empa-WissenschaftlerInnen auch zeigen, dass HBCD - vermutlich durch atmosphärischen Transport - in Schweizer Gewässer und somit in Fische und Sedimente gelangten. Da flammgeschützte Textilien, Teppiche, Plastik und elektronische Geräte vor allem in Innenräumen eingesetzt werden, überrascht es nicht, dass HBCD auch im Hausstaub auftaucht. Nicht nur durch den Kontakt mit Hausstaub, auch durch den Konsum fettreicher tierischer Nahrungsmittel nimmt der Mensch HBCD auf. Ein Team um den Empa-Forscher Andreas Gerecke konnte zeigen, dass das Zuschneiden von Polystyrolplatten mit Heizdrähten HBCD freisetzt, die an winzige Plastikpartikel gebunden sind. Diese Partikel können eingeatmet werden und so ebenfalls zu einer erhöhten HBCD-Belastung führen.
Klare Beweislage: Schuldig im Sinne der Anklage
Die Befunde waren letztlich eindeutig: 30 Jahre nach Beginn der industriellen Produktion und Anwendung auf der ganzen Welt hat das Expertengremium der Stockholm-Konvention HBCD als POPs klassiert und damit den Grundstein für das weltweite Verbot gelegt. Der Beschluss wurde formal am 9. Mai 2013 umgesetzt und tritt mit einer etwa einjährigen Übergangsphase in Kraft. Norbert Heeb meint dazu: "Einmal mehr müssen wir nach besseren Alternativen suchen. Und die vielen Gebäude, die mit HBCD-haltigen Polystyrolen isoliert wurden, sind zu einer Altlast geworden, die uns in Zukunft noch hohe Entsorgungskosten bescheren dürften."
Zusatzinformationen:
Quelle: Empa, Eidgenössische Materialprüfungs- und Forschungsanstalt, Schweiz
Aktualisiert am 26.08.2013.
Permalink: https://www.internetchemie.info/news/2013/aug13/hbcd-verbot.php
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