Die wachsende Menge an gelatinösem Plankton könnte helfen, das CO2-Problem zu mindern. Denn in Feld- und Laborexperimenten zeigten Forscher des GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel, dass tote Quallen und Manteltiere weitaus schneller absinken als Phytoplankton und Meeresschnee.
Sie konsumieren Plankton und im Wasser schwebende Partikel besonders zügig und tragen damit in besonderem Maße zum Export von Biomasse und Kohlenstoff in die tieferen Schichten des Ozeans bei.
Die Ozeane nehmen etwa 25 Prozent des durch menschliche Aktivitäten freigesetzten Kohlendioxids (CO2) auf. Seit Beginn der Industrialisierung haben sie bereits die Hälfte des anthropogenen CO2 absorbiert. Millionen mikroskopisch kleiner Plankton-Organismen machen diesen unschätzbaren Service überhaupt erst möglich: Verschiedene Arten verwandeln im Meerwasser gelöstes Kohlendioxid aus der Atmosphäre durch Photosynthese in organischen Kohlenstoff und anderes biologisch verwertbares Material.
Quallen und pelagische Tunikaten, im Wasser schwimmende Manteltiere, leben von kleinerem Plankton. Wenn sie am Ende ihrer Lebenszyklen zum Meeresboden sinken, nehmen sie Kohlenstoff mit hinab, speichern ihn in der Tiefe oder geben ihn als Nahrung weiter. So kann sich in den oberen Schichten neues Kohlendioxid lösen. Darüber hinaus bauen kalkbildende Organismen anorganischen Kohlenstoff in ihren Kalkschalen ein. Auch sie unterstützen die biologische Pumpe.
Um die Effizienz der biologischen Kohlenstoffpumpe besser abschätzen zu können, benötigen Wissenschaftler Informationen über die Sink-Geschwindigkeiten der unterschiedlichen Organismen. Gemeinsam mit Kollegen aus Deutschland, Spanien, Großbritannien und den Vereinigten Staaten führte Dr. Mario Lebrato, Biologischer Ozeanograph in der Arbeitsgruppe von Prof. Andreas Oschlies am GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel, daher Feld- und Laborexperimente mit gelatinösem Plankton durch. In ihrem neuesten Artikel im internationalen Fachmagazin "Limnology and Oceanography" geben die Forscher erstmals die Sink-Geschwindigkeiten für organische Überreste von Quallen und pelagische Tunikaten an. Diese Informationen ergänzen einen früheren Artikel im der selben Fachzeitschrift zur Exporteffizienz dieser Tiere für Biomasse. In der Kombination ergibt sich erstmals eine belastbare Abschätzung für die globalen Exportkapazitäten von gelatinösem Plankton.
Für ihre Experimente sammelten die Forscher verschiedene Arten von Scyphozoen (Schirm- oder Scheibenquallen), Ctenophoren (Rippenquallen) und Thaliaceen, (Salpen) in der Ostsee, im Mittelmeer, im Atlantik und im Südpolarmeer. Den Sinkprozess beobachtete und filmte Dr. Pedro de Jesus Mendes vom OceanLab Bremen in mit Meerwasser gefüllten Kunststoff-Zylindern. Anschließend wurden die Verhältnisse von organischem Kohlenstoff und Stickstoff der trockenen Biomasse sowie deren Gewicht gemessen. Der Kieler Exzellenzcluster "Ozean der Zukunft", das European Project on Ocean Acidification (EPOCA), das Deutsche Verbundprojekt zur Ozeanversauerung BIOACID (Biological Impacts of Ocean Acidification) und das amerikanische National Science Foundation Office for Polar Programs unterstützen die Arbeiten.
"Die Sinkgeschwindigkeit des gelatinösen Planktons ist viel, viel höher als wir erwartet hatten, etwa 500 bis 1.600 Meter pro Tag", resümiert Lebrato. "Und, was Forscher, die sich mit der biologischen Kohlenstoffpumpe beschäftigen, wirklich erstaunte: Sie ist höher als die des nicht-kalkbildenden Phytoplanktons und des Meeresschnees - den wichtigsten Quellen für sinkende Partikel und organischen Kohlenstoff für den inneren Ozean." Durch schnelleres Herabsinken erreichen die Biomasse und ihre Bestandteile die Tiefe ohne weiter zersetzt zu werden. Dort setzt mikrobieller Abbau CO2 frei, das am Boden ohne Kontakt zur Atmosphäre über Jahrtausende gespeichert werden kann. Außerdem erhalten benthische Organismen durch das schnelle Herabsinken hochwertigere Nahrung. Auf Festlandsockeln und in Hanglagen kann Biomasse den Meeresboden innerhalb eines Tags oder noch zügiger erreichen.
Innerhalb der untersuchten Arten hatten Scyphozoen im Durchschnitt den höchsten Kohlenstoffgehalt (26,97 Prozent), gefolgt Thaliaceen (17,20 Prozent) und Ctenophoren (1,40 Prozent). Der Kohlenstoffgehalt des gelatinösen Planktons ist im Durchschnitt zwar niedriger als der des Phytoplanktons oder von Meeresschnee. Aber seine großen Populationen, die sich über Hunderte von Quadratkilometern in den Ozeanen ausbreiten, können in Kombination mit der hohen Sink-Geschwindigkeit große Mengen an Kohlenstoff zum Meeresboden transportieren.
"Unser Datensatz gibt einen ersten Überblick und Vergleichsmöglichkeiten für Modellierer und Experimentierer. Spätere Studien können die Bedeutung von gelatinösem Plankton für den Kohlenstoffexport und die Effizienz der biologischen Pumpe weiter vertiefen", urteilt Lebrato. "Wir werden häufig gefragt, wie viel organischen Kohlenstoff und CO2 das gelatinöse Plankton weltweit in die Tiefe tragen könnte, ob seine Kapazitäten denen von Phytoplankton und Meeresschnee ähneln. Und ob eine Zunahme von Quallen in der Zukunft den Export von organischem Kohlenstoff und die CO2-Speicherung fördern könnte. Weil bis vor kurzem nur wenige Menschen glaubten, dass die Quallen eine wichtige Rolle im Kohlenstoffkreislauf spielen könnten, wurden diese Tiere von den großen biogeochemischen Forschungsprogramme ausgeschlossen. In der Folge sind die verfügbaren Daten bis jetzt mager, und wir stehen erst am Anfang, die grundlegenden Eigenschaften zu begreifen, die es uns ermöglichen, ein besseres Verständnis der Rolle von Quallen und pelagischen Tunikaten im den globalen Kohlenstoffkreislauf zu begreifen."
Zusatzinformationen:
Mario Lebrato, Pedro de Jesus Mendes, Deborah K. Steinberg, Joan E. Cartes, Bethan M. Jones, Laura M. Birsa, Roberto Benavides und Andreas Oschlies:
Jelly biomass sinking speed reveals a fast carbon export mechanism.
In: Limnology and Oceanography; 58(3), 2013, 1113-1122, DOI 10.4319/lo.2013.58.3.1113
Mario Lebrato, Kylie A. Pitt, Andrew K. Sweetman, Daniel O. B. Jones, Joan E. Cartes, Andreas Oschlies, Robert H. Condon, Juan Carlos Molinero, Laetitia Adler, Christian Gaillard, Domingo Lloris, David S. M. Billett:
Jelly-falls historic and recent observations: a review to drive future research directions.
In: Hydrobiologia; Volume 690, Issue 1, pp 227-245, Juli 2012, DOI 10.1007/s10750-012-1046-8
Quelle: GEOMAR, Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel
Aktualisiert am 28.05.2013.
Permalink: https://www.internetchemie.info/news/2013/may13/quallen-kohlenstoffkreislauf.php
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