Retard-Formulierungen, die Pharmaka über einen verlängerten Zeitraum freisetzen, sind noch lange nicht das Ende "intelligenter" Wirkstoffträger. Moderne Arzneistoffe sollen zielgenau im erkrankten Organ, dem Biorhythmus folgend oder nur bei bestimmten physiologischen Zuständen freigesetzt werden. Ein amerikanisch-koreanisches Team stellt in der Zeitschrift Angewandte Chemie nun "Mikrofläschen" vor, deren "Korken" einen Inhaltsstoff erst bei Überschreiten einer definierten Temperatur freisetzen.
Unsere Biorhythmen können die Reaktion auf ein Arzneimittel zeitabhängig ändern. Auch bestimmte Beschwerden und Symptome können mit dem Biorhythmus variieren. So gibt es für Betablocker, Chemotherapeutika und Cortisonpräparate inzwischen zeitgesteuerte Einnahmeempfehlungen. Eine "intelligente" Steuerung der Freisetzung von Pharmaka gemäß den veränderten physiologischen Gegebenheiten ist eine Weiterführung dieses Gedankens.
Insbesondere die Temperatur könnte hierbei als Regler interessant sein. Denn unsere Körpertemperatur ändert sich im Tagesverlauf und als Antwort auf bestimmte physiologische Zustände oder Phasen einer Krankheit. Ein "intelligenter" Blutdrucksenker etwa könnte freigesetzt werden, wenn Körpertemperatur und Blutdruck aufgrund von Stress steigen. Bei einer Entzündung ist die Temperatur an der erkrankten Stelle meist erhöht, ein Medikament könnte gezielt in erhitzten Bereichen freigesetzt werden. Oder die erkrankte Körperstelle, z.B. ein Tumor, könnte lokal erwärmt und Chemotherapeutika dann nur hier freigesetzt werden und so weniger Nebenwirkungen verursachen.
Bisherige Ansätze für temperaturgesteuerte Mikrogefäße litten allerdings entweder an einer zu langsamen Beladung der Kapseln, zu geringer Fracht oder einer vorzeitigen Freisetzung des Wirkstoffs. Younan Xia und ein Team vom Georgia Institute of Technology, der Emory University in Atlanta (USA) sowie der Yonsei University in Seoul (Korea) haben jetzt eine neue Art von verkorkten "Mikrofläschchen" für Arzneistoffe entwickelt, die bei einer definierten Temperatur schmelzen und den Inhalt freigegeben.
Zur Herstellung der Käpselchen betten die Forscher die untere Hälfte von Polystyrolkügelchen in einen dünnen Polymerfilm ein und tränken sie mit einer Toluol-Wasser-Mischung. Da sich Toluol und Wasser nicht gut mischen, diffundiert Toluol in die Kügelchen hinein. Anschließend werden die Kügelchen schockgefroren und gefriergetrocknet. Das Toluol wird herausgezogen und tritt an der Oberseite der Kügelchen aus, wo es eine Öffnung und einen Hohlraum hinterlässt. Nun können die Gefäße rasch und einfach befüllt werden.
Zum Verkorken wird ein Film des Kork-Materials auf einen Träger gezogen und auf die Unterlage mit den Gefäßen gedrückt. Ethanol-Dampf bringt das Korkmaterial dazu, im Bereich der Gefäße zusammenzufließen und diese hermetisch zu verschließen. Über das Mischungsverhältnis des Korkmaterials, Tetradecanol und Laurinsäure, lassen sich Schmelztemperaturen im physiologisch interessanten Bereich einstellen.
Über den Autor:
Dr. Younan Xia ist der Brock Family Chair sowie GRA Eminent Scholar in Nanomedizin am Georgia Institute of Technology sowie der Emory University. Seine Forschungsinteressen gelten Nanomaterialien und Biomaterialien, dem Transport und der gesteuerten Freisetzung von Wirkstoffen, der Nanomedizin und der regenerativen Medizin sowie der Katalyse. Von der American Chemical Society wurde er kürzlich mit einem National Award in the Chemistry of Materials ausgezeichnet.
Zusatzinformationen:
Dr. Dong Choon Hyun, Dr. Ping Lu, Dr. Sang-Il Choi, Prof. Unyong Jeong, Prof. Younan Xia:
Microscale Polymer Bottles Corked with a Phase-Change Material for Temperature-Controlled Release.
In: Angewandte Chemie; online veröffentlicht am 20. August 2013, DOI 10.1002/ange.201305006
Quelle: Angewandte Chemie, Pressemitteilung Nr. 35 aus 2013
Aktualisiert am 19.09.2013.
Permalink: https://www.internetchemie.info/news/2013/sep13/verkorkte-mikroflaschen.php
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