Vor rund 540 Millionen Jahren begann auf der Erde eine bis heute andauernde Phase mit relativ stabilen Sauerstoffkonzentrationen in der Atmosphäre. Wissenschaftler aus Dänemark und vom GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel haben zusammen mit Kollegen aus Großbritannien und China jetzt eine mögliche Erklärung für diese Stabilisierung gefunden - im Sediment der Meeresböden. Die Studie ist in der internationalen Fachzeitschrift Nature Geoscience erschienen [siehe Artikelhinweis unten].
Das Meer gilt als Ursprung des Lebens. Und das Leben im Meer beeinflusst bis heute entscheidend die Lebensumstände auf der Erde. So produzieren Kleinstorganismen in den oberen Wasserschichten, das so genannte Phytoplankton, einen großen Teil des Sauerstoffs, den wir zum Leben benötigen. Jetzt haben Forscher der Syddansk Universitet in Odense (DK) zusammen mit Kollegen des GEOMAR Helmholtz-Zentrums für Ozeanforschung Kiel sowie weiteren Partnern aus Großbritannien, Dänemark und China eine Verbindung zwischen Organismen, die im Sediment der Meeresböden leben, und der atmosphärischen Sauerstoffkonzentration nachgewiesen. "Vor 540 Millionen brachte die Evolution die ersten größeren Organismen hervor, die den Meeresboden durchwühlen, zum Beispiel Würmer. Diese Tiere griffen in die Stoffkreisläufe der Ozeane ein, was letztendlich auch die Atmosphäre beeinflusste", sagt der Biogeochemiker Dr. Andrew Dale vom GEOMAR, Co-Autor der Studie, die in der internationalen Fachzeitschrift Nature Geoscience erschienen ist.
In einem biogeochemischen Modell haben die Autoren die Entwicklung der Biologie und ihre Folgen vor 540 Millionen Jahren nachgestellt. "Der Übergang vom Erdzeitalter des Präkambrium zum Kambrium ist durch eine rasante Entwicklung in der Evolution gekennzeichnet. Viele noch heute bekannte biologische Baupläne sind damals entstanden", erklärt Dr. Dale, "deshalb ist diese Zeit so spannend."
Genauso wie heute, betrieben Algen und andere Kleinstorganismen schon damals Photosynthese im Meerwasser. Dabei wird Kohlenstoff gebunden und Sauerstoff freigesetzt, der in die Meere und die Atmosphäre gelangt. Das Plankton benötigt zum Wachstum aber auch Phosphate als Nährstoffe. "Ohne ausreichende Phosphat-Versorgung kein Phytoplankton und damit keine Sauerstoff-produktion", erklärt Dr. Dale.
In ihren Modellierungen fanden die Autoren für die Zeit vor 540 Millionen Jahren folgende Kette von Ereignissen: Als erstmals massenhaft das Sediment durchwühlende Tiere auf der Erde in Erscheinung traten, vergrößerte sich die Kontaktfläche zwischen Sedimenten und dem sehr sauerstoffreichen Wasser erheblich. Bakterien, die im Sediment leben, wurden dadurch angeregt, verstärkt Phosphate in ihren Zellen zu speichern. "Diese Prozesse kennen wir aus aktuellen Versuchen mit ähnlichen Bakterien", sagt Dr. Dale. Die Phosphate fehlten damit im Wasser der Ozeane, was wiederum das Planktonwachstum begrenzte. Damit sank auch die Sauerstoffproduktion des Phytoplanktons und damit der Sauerstoffgehalt der Atmosphäre.
Gleichzeitig hatte der Prozess eine selbstregulierende Komponente. Denn auch die im Sediment lebenden Organismen benötigen Sauerststoff. Sank dessen Gehalt im Meerwasser zu stark, konnten Würmer und andere Organismen das Sediment nicht mehr so intensiv durchmischen, die Phosphatkonzentrationen im Wasser stiegen wieder, das Phytoplankton vermehrte sich und produzierte wieder mehr Sauerstoff. Ein Gleichgewicht stellte sich ein.
"Deshalb stellen wir die These auf, dass tierische Aktivitäten in den Sedimenten der Ozeane eine stabilisierenden Effekt auf die Sauerstoffkonzentrationen der Atmosphäre hatten", erklärt der Kieler Biogeochemiker. Anhand von Laborversuchen, die die Bedingungen des Urozeans möglichst nahe kommen sollen, soll diese These in zukünftigen Untersuchungen überprüft werden.
Zusatzinformationen:
R. A. Boyle, T. W. Dahl, A. W. Dale, G. A. Shields-Zhou, M. Zhu, M. D. Brasier, D. E. Canfield und T. M. Lenton:
Stabilization of the coupled oxygen and phosphorus cycles by the evolution of bioturbation.
In: Nature Geoscience; online veröffentlicht am 03. August 2014, DOI 10.1038/ngeo2213
Quelle: GEOMAR, Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung, Kiel
Aktualisiert am 02.09.2014.
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