OSNABRÜCK/BERLIN - Ein Team von Physikern der Universität Osnabrück und Mikrobiologen der Humboldt-Universität zu Berlin (HU) ist es gelungen, den Mechanismus der Vitaminaufnahme durch die Zellhülle von Bakterien zu entschlüsseln. Dabei können Sie nicht nur erklären, wie die Vitaminabgabe im Inneren der Zelle funktioniert, sondern eröffnen auch Perspektiven darauf, wie zukünftig Krankheitserreger attackiert werden könnten. Die Forschungsergebnisse sind in der aktuellen Onlineausgabe der Zeitschrift Journal of Biological Chemistry der American Society for Biochemistry and Molecular Biology erschienen [vgl. Literaturhinweis unten].
Die Energy-coupling factor-Transporter wurden erst vor wenigen Jahren als völlig neue Gruppe von biologischen Transportsystemen entdeckt. Sie versorgen viele pathogene Krankheitserreger mit den lebensnotwendigen Substanzen, die diese aufgrund eingeschränkter Stoffwechselleistungen selbst nicht herstellen können. Den Begriff Energy-coupling factor (Abkürzung: ECF) prägten amerikanische Biologen bereits Ende der 1970er Jahre. Sie vermuteten, dass unterschiedliche Vitamintransporter von einer gemeinsam genutzten, damals noch unbekannten Komponente angetrieben werden.
In den letzten fünf Jahren haben Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler durch die Aufklärung der Raumstruktur von ECF-Transportern eine wesentliche Basis für die jetzigen Untersuchungen gelegt. Dabei wurden von einem Team von Mikrobiologen unter der Leitung von Prof. Thomas Eitinger (HU) und Prof. Erwin Schneider viele Kopien eines ECF-Transporters aus der Zellhülle von Bakterien isoliert und mit Hilfe eines menschlichen Apolipoproteins in kleine Fettscheibchen verpackt, die als Nanodiscs bezeichnet werden. "Eine solche Präparation in Nanodiscs ermöglichte es uns, die ECF-Transportermoleküle in einer natürlichen Umgebung mittels spektroskopischer Methoden zu analysieren", erläutert Prof. Heinz-Jürgen Steinhoff vom Fachbereich Physik der Universität Osnabrück.
Der Vitamintransport verläuft in mehreren Teilschritten: Im ersten Schritt wird das universelle Energiespeichermolekül Adenosintriphosphat (ATP) an den Transporter gebunden. Durch eine folgende Drehbewegung des Proteins wird die Vitaminbindestelle von außen zugänglich. Nach Spaltung von ATP rotiert der Transporter zurück und das Vitamin wird im Zellinneren freigesetzt. "Mittels Anheftung paramagnetischer Sonden an die Transportermoleküle konnten wir kleinste Bewegungsänderungen der Komponenten relativ zueinander aufspüren und diese den einzelnen Teilreaktionen zuordnen", erklärt Prof. Steinhoff.
Vermutlich arbeiten alle ECF-Transporter nach einem grundsätzlich ähnlichen Funktionsprinzip. Die jetzt vorliegenden Kenntnisse über diesen Mechanismus sind eine Grundlage, um ECF-Transporter als mögliche Achillesferse in Krankheitserregern zu attackieren, zu denen beispielsweise Streptokokken, Staphylokokken, der Produzent des Botulinustoxins und der Tetanuserreger zählen.
Zusatzinformationen:
Friedrich Finkenwirth, Michael Sippach, Heidi Landmesser, Franziska Kirsch, Anastasia Ogienko, Miriam Grunzel, Cornelia Kiesler, Heinz-Jürgen Steinhoff, Erwin Schneider und Thomas Eiting:
ATP-Dependent Conformational Changes Trigger Substrate Capture and Release by an ECF-Type Biotin Transporter.
In: The Journal of Biological Chemistry; online erschienen am 19. Mai 2015, DOI 10.1074/jbc.M115.654343
Quelle: Universität Osnabrück
Aktualisiert am 22.06.2015.
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