Ergothionein ist eine organisch-chemische Verbindung aus der Klasse der natürlichen, nichtproteinogenen Aminosäuren und ein Thioharnstoff-Derivat des Histidins, das ein Schwefel-Atom am Imidazol-Ring und folgende Strukturformel aufweist:
Die Substanz wurde 1909 entdeckt und erstmals beschrieben (Charles Tanret); der Name leitet sich von der englischen Bezeichnung ergot für Mutterkornpilze (Gattung Claviceps) ab.
In reinem Zustand liegt Ergothionein als weißer, geruchloser Feststoff vor, der gut wasserlöslich ist. Die Verbindung liegt chemisch als so genanntes Betain vor, also als Inneres Salz; d. h., das Molekül weist - analog zu anderen Aminosäuren - gleichzeitig eine positive und eine negative Ladung auf. Weitere Besonderheit ist die Gleichgewichtslage der Thion-Thiol-Tautomerie: In wäßriger Lösung und in physiologisch relevanten pH-Bereichen liegt das Ergothionein bevorzugt in der Thion-Form (oben im Formelbild) vor:
Vorkommen und biologische Bedeutung
Ergothionein in der L(+)-Form wird offenbar ausschließlich von Pilzen, Cyanobakterien und Mykobakterien synthetisiert - für die direkte Biosynthese der Verbindung in Tieren und höheren Pflanzen gibt es bisher keinerlei Anzeichen oder Beweise. Trotzdem tritt die mit EGT abgekürzte Substanz weit verbreitet, wenn auch in sehr kleinen Mengen, in den meisten Zellen und Geweben von Pflanzen und Säugetieren auf. So finden sich auch in einer breiten Palette von Lebensmitteln Spuren von Ergothionein - insbesondere in schwarzen und roten Bohnen, rohem Fleisch, Leber, Niere und Getreide.
Gelegentlich wird Ergothionein in der Literatur als Vitamin beschrieben. Doch trotz der relativ breiten Gewebeverteilung wird EGT derzeit nicht als essentielle Nahrungskomponente angesehen: Es liegen keine Berichte über Mangelerscheinungen nach EGT-freier Nahrungsaufnahme vor. Hingegen zeigen Untersuchungen an Ratten, die mit Ergothionein-freier Nahrung gefüttert wurden, keinerlei erkennbaren physiologischen Veränderungen, noch gab es Anomalien bei der Fortpflanzung, bei der Wachstumsrate etc. bis in die zweite Generation hinein.
L-Ergothionein zeigt zellschützende und - zumindest außerhalb des Körpers - antioxidative Eigenschaften. So verlangsamt die Substanz beispielsweise die Verfärbung von rohem Fleisch und Fisch. Neuere Forschungen lassen vermuten, dass EGT dem oxidativen Stress in Zellen entgegenwirkt. Interessanterweise wird die Verbindung von strikt anaeroben Organismen, wie dem grünen Schwefelbakterium Chlorobium limicola biosynthetisiert, die auf eine sauerstofffreie Umgebung angewiesen sind.
Verwendung
L-Ergothionein ist unter Nennung der INCI-Bezeichnung Ergothioneine auf der Liste der Inhaltsstoffe als antixodativer Zusatz in kosmetischen Artikeln zugelassen. Darüber hinaus enthalten einige spezielle Nahrungsergänzungsmittel die Verbindung und fokussieren ebenfalls auf die antioxidativen Eigenschaften.
Datenblatt: L-Ergothionein
Quellen und weitere Informationen:
[1] - Ergothioneine.
CosIng, Europäische Stoffdatenbank für Inhaltsstoffe der Kosmetika.
[2] - Donald B. Melville, William H. Horner, Rose Lubschez:
Tissue Ergothioneine.
In: Journal of Biological Chemistry, (1954), open access.
[3] - Irwin K.Cheah, BarryHalliwell:
Ergothioneine; antioxidant potential, physiological function and role in disease.
In: Biochimica et Biophysica Acta (BBA) - Molecular Basis of Disease, (2012), DOI 10.1016/j.bbadis.2011.09.017, open access.
[4] - Reto Burn, Dr. Laëtitia Misson, Dr. Marcel Meury, Prof. Florian P. Seebeck:
Anaerobic Origin of Ergothioneine.
In: Angewandte Chemie, (2017), DOI 10.1002/ange.201705932.
Kategorie: Naturstoffe
Aktualisiert am 21.11.2018.
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