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Globale Verschmutzung der Erdatmosphäre mit Antimon steigt

Antimon-Messungen von Schnee- und Eisproben aus einer entlegenen Gegend in der kanadischen Hocharktis zeigen, dass die Anreicherung dieses potenziell toxischen Elements in Aerosolen in den letzten dreißig Jahren um 50% angestiegen ist.




Der Einfluss menschlicher Aktivitäten auf Antimon (chemisches Symbol Sb) in der Umwelt ist in seinem Ausmaß mit dem Einfluss von Blei (chemisch Pb) vergleichbar. So wie Blei ist auch Antimon ein globaler Schadstoff.

Welches chemische Element kommt fünfzig Mal seltener an der Erdoberfläche vor als Blei, wurde von der Menschheit bereits seit Jahrtausenden genutzt, steht im Verdacht, Mozart vergiftet zu haben und wird auch für die Herstellung von PET-Flaschen für die Getränkeindustrie verwendet? Wenn Sie auf Antimon getippt haben, liegen Sie damit richtig.

Obgleich es heute vorwiegend als Flammenhemmstoff bei Kunststoffen verwendet wird, gibt es für Antimon zahlreiche andere Verwendungszwecke in der Industrie, unter anderem in Bleilegierungen zur Härtung von Autobatterien oder Geschosskugeln, und es wird in Bremsbelägen verwendet. Denken Sie daran, wenn Sie das nächste Mal Auto fahren: Jedes Mal beim Bremsen werden mikroskopisch kleine Partikel mit viel Antimon von den Bremsbelegen abgerieben und an die Luft abgegeben. In den Aerosolen der Stadtluft findet sich heutzutage mehr Antimon als jedes andere Spurenelement. Im Vergleich zu anderen potenziell toxischen Metallen wie zum Beispiel Blei, Cadmium, Quecksilber oder Arsen, ist über die Quellen, das Verhalten und letztendlich die Wirkung von Antimon in der Umwelt sehr viel weniger bekannt. Am Institut für Umwelt-Geochemie der Universität Heidelberg beschäftigen sich derzeit Wissenschaftler mit diesen Themen und haben bereits einige überraschende Ergebnisse erzielt.

Unter Verwendung einer speziellen Ausrüstung zur Entnahme tiefer Torfkerne aus Mooren in der Schweiz hat Dr. Michael Krachler analytische Methoden und Verfahren für die Messung von Antimon in den ältesten und ursprünglichsten Torfproben entwickelt. Proben mit einem Alter von sechstausend bis neuntausend Jahren weisen die niedrigsten Konzentrationen an Antimon auf und diese gelten als Vertreter des natürlichen "Hintergrundwertes" von Antimon in Staubpartikeln, die vor so langer Zeit aus der Luft auf der Oberfläche des Moores abgelagert wurden. Der erste Nachweis einer Verschmutzung der Erdatmosphäre mit Antimon - als Antimon sich zum ersten Mal im Vergleich zu den natürlichen Werten der Luft angereichert hatte - findet sich in den Proben, die auf das Zeitalter der Römer zurückgehen, einem Zeitabschnitt in der Geschichte der Menschheit, als Bleierze in großem Umfang abgebaut und verhüttet wurden. Bleierze sind im Allgemeinen sehr reich an Antimon und die Torfmoore zeigen, dass die Geschichte der Umweltverschmutzung mit Antimon parallel zu der Verunreinigung mit Blei verlaufen ist.

Zum Vergleich mit historischer Verschmutzung weisen Torfproben aus einer oberflächennahen Schicht des Moores, welche die letzten Jahrhunderte der Torfbildung darstellt, eine bei weitem größere Anreicherung mit Antimon auf. Tatsächlich erscheint das natürliche Vorkommen von Antimon in diesen Proben klein neben der Abgabe von Antimon an die Luft aus Verhüttung, Schmelze und Verarbeitung von unedlen Metallen sowie durch Verfeuerung von Kohle seit der industriellen Revolution. Die Auswirkungen der Verschmutzung mit Antimon aus menschlichen Aktivitäten kann sogar deutlich in den Torfkernen entdeckt werden, die aus entfernten Mooren in Schottland, den Shetland Inseln und den Faröern stammen. Die Verschmutzung der Luft mit Antimon besitzt nicht nur eine sehr lange Geschichte, sondern erstreckt sich sogar auf die abgelegensten Gegenden in Europa. Nimmt man alle diese neuen Erkenntnisse zusammen, so zeigen sie, dass die Auswirkungen der Emissionen von Antimon in die Umwelt durch die Menschen mit den Auswirkungen von Blei vergleichbar sind.

Wie umfassend ist die Verschmutzung der Erdatmosphäre mit Antimon? Um diese Frage zu beantworten, hat sich Dr. Krachler mit James Zheng, einem Glaziologen vom Geological Survey of Canada (GSC) in Ottawa, zusammen geschlossen. Der Gletscherforscher James Zheng beschäftigte sich mit der Untersuchung radioaktiver Niederschläge aus Atombombenversuchen durch die Untersuchung von Schnee- und Eisbohrkernen aus der Hocharktis.

Für diese neue Studie über Antimon und andere Spurenmetalle reiste James Zheng nach Devon Island in der kanadischen Hocharktis. Auf der Spitze eines Gletschers in 1800 Metern Höhe über dem Meeresspiegel grub James Zheng vorsichtig per Hand ein fünf Meter tiefes Schneeprofil. Er musste extrem vorsichtig sein, die Schneeproben nicht zu verschmutzen. Um älteres Material aus tieferen Schnee- und Eisschichten zu gewinnen, bohrte James Zheng mit seiner Spezialausrüstung aus Titan einen 65 Meter tiefen Eisbohrkern. Letztes Jahr brachte er Hunderte von Proben aus 160 Jahren Schneebildung zu chemischen Analysen an die Universität Heidelberg.

Verlässliche Messungen von Antimon in Schnee und Eis aus der Arktis stellen eine gewaltige Herausforderung dar; zum Teil deshalb, weil die Konzentrationen in den Proben so gering sind, aber auch, weil die Gefahr einer Verunreinigung so groß ist. Am Institut für Umwelt-Geochemie der Universität Heidelberg ist Dr. Michael Krachler für das Reinluftlabor verantwortlich, das sicherlich eines der saubersten Labore dieser Art ist: ein einzigartiges Labor mit hochwertiger Infrastruktur und einer spezialisierten Ausstattung, das Dr. Krachler die Messung von Spurenmetallen bis zu den weltweit niedrigsten Nachweisgrenzen ermöglicht.

Die von ihm erzielte Nachweisgrenze von Antimon liegt zum Beispiel bei 30 Femtogramm pro Gramm: das entspricht ungefähr dem Vergleich mit einem Eiswürfel, der aus einem Gletscher mit einem Gewicht von hundert Millionen Tonnen entnommen wurde. Doch kann Dr. Krachler auch Scandium messen, ein seltenes Metall, das nie zuvor in polarem Eis bestimmt wurde. Scandium ist ein nützliches Element zum Vergleich mit Antimon, da es keine industriellen Verwendungszwecke von Scandium gibt und das gesamte im Schnee vorkommende Scandium ausschließlich aus atmosphärischen Bodenstaubpartikeln stammt.

Im Vergleich zu den natürlichen Vorkommen von Antimon in Bodenstaubpartikeln weisen alle Proben von 1842 bis 2004 eine Anreicherung von Antimon mit um 25 bis 125 Mal höheren Werten auf. Mit anderen Worten heißt das, dass die natürlichen Quellen von Antimon nur für einen winzigen Bruchteil des in diesen Proben vorhandenen Antimons verantwortlich sein können. Und vielleicht ist sogar noch bedeutsamer, dass die Anreicherung von Antimon in den arktischen Aerosolen in den letzten dreißig Jahren um ungefähr 50% angestiegen ist. Die Proben aus dem Schneeprofil wurden mit großer Sorgfalt genommen und ebenso vorsichtig untersucht; sie stellen 10 Jahre Schneebildung dar, wobei Sommer- und Winterschichten deutlich sichtbar voneinander unterschieden werden können. Durch die äußerst sorgfältige Entnahme der Proben Schicht für Schicht haben die Wissenschaftler herausgefunden, dass Antimonkonzentrationen in den Wintermonaten weitaus höher sind, wenn die Luftmassen hauptsächlich aus Nordeuropa und Asien zugeführt werden.

Im Unterschied dazu enthalten Schneeschichten aus den Sommermonaten, wenn die Luftmassen in dieser Gegend der Arktis hauptsächlich in Kanada ihren Ursprung haben, sehr viel weniger Antimon. Die Ergebnisse haben weitreichende Auswirkungen für die Qualität der Luft weltweit, da sie zeigen, dass der wirtschaftliche Aufschwung, den Asien gerade in jüngster Zeit erlebt, nicht nur Konsequenzen auf lokaler und regionaler Ebene bewirkt, sondern auch globale Auswirkungen besitzt.


Zusatzinformationen:

William Shoty, Bin Chen und Michael Krachler:
Lithogenic, oceanic and anthropogenic sources of atmospheric Sb to a maritime blanket bog, Myrarnar, Faroe Islands.
In: Journal of Environmental Monitoring; erschienen am 07. November 2005, DOI 10.1039/b509928p

Michael Krachler, James Zheng, Roy Koerner,Christian Zdanowicz, David Fisher und William Shotyk:
Increasing atmospheric antimony contamination in the northern hemisphere: snow and ice evidence from Devon Island, Arctic Canada.
In: Journal of Environmental Monitoring; online veröffentlicht am 19. Oktober 2015, DOI 10.1039/b509373b

Quelle: Universität Heidelberg

 


Aktualisiert am 11.11.2005.



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