Drunter & Drüber
Für die Herstellung organischer Halbleiter werden dünne Filme eines
elektrisch leitenden organischen Materials auf eine Trägerfläche
aufgebracht. Dabei ist es wichtig, die Wechsel-wirkungen an den
Grenzflächen zwischen Trägermaterial und organischem Material zu
verstehen. Genau dazu gelang einem Team des Nationalen
Forschungsnetzwerks (NFN) "Interface controlled and functionalised
organic thin films" an der Montanuniversität Leoben ein wichtiger
Beitrag. Durch aufwändige Berechnungen konnte gezeigt werden, dass ein
dünner Film aus organischem Thiophen allein durch Van der Waals-Kräfte
auf einer Kupferoberfläche gehalten wird. Dabei konnte die
Adsorptionsenergie von dem Team mit -0.50 eV berechnet werden.
Der Sprecher des NFN, Prof. Helmut Sitter vom Institut für Halbleiter-
und Festkörperphysik der Johannes Kepler Universität (JKU) Linz,
erläutert: "Die Van der Waals-Kraft ist eine zwischen Atomen schwach
wechselwirkende Kraft, die durch unsymmetrische Ladungsverteilung in
den Atomen entsteht. Wie wir jetzt wissen, wird ihr Einfluss bei
extrem dünnen Materialfilmen, wie sie zur Herstellung organischer
Halbleiter verwendet werden, sehr bedeutend und kann allein zur
Bindung zwischen den Materialien ausreichen. Aufgrund ihrer Schwäche
wurde sie aber in zahlreichen Methoden, die zur Berechnung der
Wechselwirkung verschiedener Materialien verwendet werden, bisher
nicht oder nur untergeordnet berücksichtigt." Damit scheint auch eine
Erklärung gefunden, warum die häufig für diese Zwecke verwendete "generalized
gradient approximation" (GGA) das Bindungsverhalten in dünnen
Schichten bisher nicht befriedigend erklären konnte. Tatsächlich
könnten diese jetzt veröffentlichten Ergebnisse lang bekannte
Diskrepanzen zwischen verschiedenen experimentellen Daten und
Berechnungsmodellen für die Wechselwirkung von dünnen Schichten
erklären.
Publikationen, Preise, Produkte
Die neuen Daten erweitern das grundlegende Verständnis für die
Wechselwirkungen an Grenzflächen. Gleichzeitig zeigt der Einfluss der
Van der Waals-Kraft, dass in dem berechneten System keine Ladungen
zwischen den Atomen des organischen und des Trägermaterials
transferiert werden. Für die Herstellung und Funktion organischer
Halbleiter ist das von entscheidender Bedeutung.
Wie nahe an der praktischen Anwendung die TeilnehmerInnen des NFN auch
sonst forschen, belegen mehrere Veröffentlichungen in dem Journal
Advanced Materials in diesem Jahr. Eine dieser Publikationen führte
sogar zur Verleihung des Innovationspreises des Landes Oberösterreich
an das Institut für Experimentalphysik der JKU. Da wundert es auch
nicht mehr, dass bereits drei Spin-off-Unternehmen auf Grundlage der
Erkenntnisse des NFN gegründet wurden, die fast ausschließlich von
AbsolventInnen der beteiligten Institute geführt werden. Eines dieser
Unternehmen, Nanoident, erhielt von Ernst & Young Österreich die
Auszeichnung "Entrepreneur Of The Year 2007".
All dies ist zusammen mit einer Veröffentlichung des NFN in SCIENCE im
Sommer dieses Jahres für Prof. Sitter ein schöner Beleg für die
erfolgreiche Integration von Grundlagenforschung, angewandter
Forschung und Technologietransfer im Rahmen eines vom FWF geförderten
Nationalen Forschungsnetzwerks.
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