Überblick über das MPQ Experiment zur
Echtzeitbeobachtung von Elektronentransports in einem
Festkörperkristall.
Abbildung © Barbara Ferus,
Ludwig-Maximilians-Universität München
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Moderne Elektronik beruht auf dem
kontrollierten Elektronentransport durch Nanometer-Schaltkreise. Sie
findet sich z.B. in Computern, Kommunikationsgeräten und
Messinstrumenten. Die Motivation, immer schnellere Elektronik zu
entwickeln, kommt aus vielen Richtungen. Schnellere Computer und
empfindlichere Geräte würden es erlauben, Naturkatastrophen besser
vorherzusagen. Leistungsstärkere Rechner führen zu immer
ausgefeilteren Untersuchungsmethoden und erlauben dadurch immer
tiefere Einblicke in die Funktionsweise der Natur.
Hochgeschwindigkeits-Kommunikationssysteme werden es vielleicht eines
Tages Spezialisten erlauben, ferngesteuert Operationen durchzuführen,
und modernste elektronische Geräte in der Medizintechnik werden die
Gesundheitsversorgung insgesamt effizienter machen, um nur einige
Auswirkungen zu nennen.
In modernen elektronischen Schaltkreisen werden die Elektronen von
einer Mikrowellenspannung durch Nanostrukturen gejagt, der elektrische
Strom wird dadurch innerhalb von Nanosekunden an- und abschaltet. Die
durch den Mikrochip vorgegebene Schaltzeit bestimmt beispielsweise die
Zahl der Rechenoperationen, die ein Computer pro Sekunde ausführen
kann.
Ultimativ ist die Schaltgeschwindigkeit begrenzt durch die Zeit, die
die Elektronen brauchen, um durch die Strukturen zu laufen, in denen
deren Strom ein und ausgeschaltet wird. Je kleiner die Struktur, desto
höher die erreichbare Schaltgeschwindigkeit und die Dichte des
Informationsflusses. Unter anderem aus diesem Grund möchte man
Schaltkreise immer kleiner gestalten. Die Entfernung zwischen
benachbarten Atomen in einem Kristallgitter oder in einem Molekül ist
vermutlich die kürzeste Strecke, über die elektrischer Strom
Information übertragen kann. Die Zeit die ein Elektron benötigt, um
atomare Abstände zu überwinden, ist naturgemäß in Attosekunden
getaktet. Dies impliziert, dass die Richtung des elektrischen Stromes
in Schaltkreisen atomarer Dimensionen prinzipiell mehr als eine
Billion Mal in der Sekunde gewechselt werden könnte, d. h. mit einer
Frequenz von bis zu mehreren Petahertz, das ist hunderttausend mal
öfter als es die heutige Elektronik erlaubt!
Der erste Schritt auf dem langen Weg zur ultimativen
Petahertz-Elektronik, in der die Schaltfrequenz des elektrischen
Stromes allein durch die Zeit begrenzt ist, die ein Elektron für den
Weg zwischen benachbarten Atomen in einem Kristall oder Molekül
braucht, ist die Entwicklung von Techniken für die
Echtzeit-Beobachtung des elektrischen Ladungstransport in atomaren
Strukturen. Dieser erste Schritt wurde kürzlich erfolgreich am MPQ
demonstriert. Die Forscher konnten die Bewegung von Elektronen durch
wenige Atomlagen an die Oberfläche eines Festkörperkristalls in
Echtzeit verfolgen.
Gemeinsam mit Mitarbeitern der Universitäten Bielefeld und Hamburg,
sowie der TU Wien schickten die MPQ-Forscher einen extrem
ultravioletten Lichtpuls von 300-Attosekunden Dauer sowie einen
Infrarot-Laserpuls aus wenigen, gut kontrollierten Schwingungen des
elektrischen Feldes, auf die Oberfläche eines Wolfram-Kristalls. Die
sich daraus ergebenden Prozesse sind in Abbildung 1 zu sehen. Der
Attosekunden-Puls dringt in den Kristall ein. Dort werden einige der
im Puls transportierten Lichtpartikel, sg. Photonen, absorbiert,
wodurch sowohl lose gebundene Elektronen, die für die Leitung des
elektrischen Stroms verantwortlich sind, als auch fest im Rumpf der
Kristallatome gebundenen Elektronen freigesetzt werden. Beide Arten
von Elektronen werden gleichzeitig angeregt, und eilen danach mit
unterschiedlichen Geschwindigkeiten aus einer Tiefe von einigen
Atomlagen an die Oberfläche. Die Leitungselektronen bewegen sich
schneller fort als die Rumpfelektronen (und werden in Abb. 1 als
schnelle bzw. langsame Elektronen bezeichnet). Sobald die Elektronen
an der Oberfläche angekommen sind, wird ihre ursprüngliche
Geschwindigkeit durch das elektrische Feld des Laserpulses
modifiziert, und diese Änderung kann mit einem Flugzeit-Detektor
nachgewiesen werden. Da sich die Feldstärke des Laserpulses extrem
schnell mit der Zeit ändert (eine halbe Schwingung des Laserwelle
dauert 1250 Attosekunden), hängt die Höhe der Geschwindigkeitsänderung
empfindlich vom Zeitpunkt ab, zu dem die Elektronen die Oberfläche
erreichen.
Das ultraschnell oszillierende Laserfeld dient also - indem es die
Elektronengeschwindigkeit kontrolliert verändert - als eine
Attosekunden-Stoppuhr, mit der das MPQ-Forscherteam feststellen
konnte, dass die Leitungselektronen etwa 110 Attosekunden früher als
die Rumpfelektronen die "Ziellinie" (nämlich die Kristalloberfläche)
erreichen. Daraus folgt, dass die freigesetzten Leitungselektronen
sich innerhalb des Kristalls doppelt so schnell bewegen wie die aus
den Atomrümpfen herausgerissenen Elektronen. Das MPQ Experiment
demonstriert die technische Möglichkeit, elektrischen Ladunsgtransport
durch Atomlagen eines Festkörpers in Echtzeit zu beobachten.
Der Einsatz der Attosekundenmesstechnik zur Echtzeitbeobachtung des
Elektronentransports durch atomare Strukturen ebnet den Weg zur
Entwicklung der ultraschnellen Schaltkreise der Zukunft, in denen die
Richtung des elektrischen Stromes Tausend bis Hundert Tausend Mal
schneller geändert werden kann, als in den schnellsten Mikrochips der
Gegenwart.
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