Auf der Suche nach neuen Wirkstoffen konzentrieren sich Ärzte und
Wissenschaftler zunehmend auf Stoffe aus Pflanzen der traditionellen
Heilkunde. Rund drei Viertel der heute gebräuchlichen natürlichen
Pharmawirkstoffe entstammen Pflanzen der traditionellen Volksmedizin
in verschiedenen Teilen der Welt. Es ist wahrscheinlicher, neue
Substanzen mit interessantem Wirkprofil in traditionellen Heilpflanzen
zu finden als in der Feld-, Wald- und Wiesenbotanik.
Prof. Dr. Thomas Efferth aus dem Deutschen Krebsforschungszentrum
konzentriert seine Wirkstoffsuche auf die Heilkräuter der
traditionellen chinesischen Medizin, deren Anwendungsspektrum
besonders gut dokumentiert ist. Gemeinsam mit Kollegen aus Mainz,
Düsseldorf, Graz und Kunming in China startete er eine systematische
Wirkstoffsuche in 76 chinesischen Medizinalpflanzen, denen Heilkraft
gegen bösartige Tumoren oder Geschwulstkrankheiten zugeschrieben wird.
Erste Ergebnisse dieser Studie wurden nun veröffentlicht.
Extrakte aus 18 der untersuchten Pflanzen hemmen das Wachstum einer
Krebszell-Linie in der Kulturschale deutlich. "Mit dieser Erfolgsrate
von rund 24 Prozent liegen wir weit über den Ergebnissen, die bei der
Suche in großen chemischen Substanz-Bibliotheken zu erwarten wären",
erläutert Thomas Efferth.
Die Wissenschaftler trennten in der Folge alle wirksamen Extrakte
immer weiter chemisch auf und verfolgten die wirksame Komponente nach
jedem Trennschritt per Zelltest.
Die chemische Struktur der Wirkstoffe wird durch Kernspinresonanz- und
Massenspektroskopie aufgeklärt. "Wir kombinieren hier
Naturstoffforschung mit modernsten analytischen und
molekularbiologischen Methoden", erklärt Efferth. "Besonders
vielversprechend erscheinende Pflanzeninhaltsstoffe werden sofort in
weiterführenden Tests untersucht." Dazu gehören etwa Substanzen aus
dem "Rangoon-Schlinger", einer rot blühenden Zierpflanze, oder aus dem
Rotwurzel-Salbei: Letzterer enthält drei Inhaltsstoffe mit starker
Antitumorwirkung. Die Substanzen hemmten das Wachstum einer speziellen
Tumorzelllinie, die durch die Überproduktion eines Transportproteins
in der Zellwand besonders resistent gegen viele gängige Zellgifte ist.
Ein ganzes Spektrum der Standard- Krebsmedikamente dagegen versagt bei
dieser Zelle.
"Von den chemisch sehr vielfältigen Naturstoffen sind viele
interessante, noch unbekannte Wirkmechanismen zu erwarten. Derzeit
gleichen wir die Wirksamkeit der Substanzen auf 60 verschiedene
Krebszelllinien mit den Genaktivitätsprofilen dieser Zellen ab. So
können wir feststellen, welche Genprodukte das zelluläre Angriffsziel
für unsere Wirkstoffe sind. Damit lassen sich möglicherweise ganz neue
Achillesfersen der Krebszelle aufdecken", beschreibt Efferth das
weitere Vorgehen.
Das Deutsche Krebsforschungszentrum hat die Aufgabe, die Mechanismen
der Krebsentstehung systematisch zu untersuchen und
Krebsrisikofaktoren zu erfassen. Die Ergebnisse dieser
Grundlagenforschung sollen zu neuen Ansätzen in Vorbeugung, Diagnose
und Therapie von Krebserkrankungen führen. Das Zentrum wird zu 90
Prozent vom Bundesministerium für Bildung und Forschung und zu 10
Prozent vom Land Baden-Württemberg finanziert und ist Mitglied in der
Helmholtz-Gemeinschaft Deutscher Forschungszentren e.V.
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