Ein besonderer Fluorit, der Stinkspat (Antozonit) jedoch sorgt seit fast 200 Jahren für Diskussionsstoff. Das Mineral verströmt beim Zerkleinern einen intensiven Geruch.
Nun konnten Wissenschaftler der Technischen Universität München (TUM) und der Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU) im Stinkspat erstmals direkt natürliches, elementares Fluor nachweisen. Über ihre Ergebnisse berichteten sie in der Fachzeitschrift Angewandte Chemie [siehe Literatur-Hinweis unten].
Fluor ist das reaktivste aller chemischen Elemente und nur mit größter Vorsicht zu handhaben. Es ist so aggressiv, dass selbst Laborglasgeräte ihm nicht widerstehen können und sogar Ziegelsteine mit Fluorgas brennen. Dabei findet elementares Fluor breite industrielle Anwendung vom Korrosionsschutz, über Diffusionsbarrieren in Kraftstofftanks bis hin zur Erzeugung von Schwefelhexafluorid, das beispielsweise als Isolator in Hochspannungsschaltern dient.
Aufgrund seiner extremen Eigenschaften waren Chemiker bislang überzeugt davon, dass Fluor in der Natur nicht elementar, sondern nur als Fluorid-Ion vorkommen kann, wie zum Beispiel in Mineralien wie Fluorit (CaF2), auch als Flussspat bezeichnet. Eine besondere Varietät des Fluorits, der beispielsweise in der Grube Maria in Wölsendorf in der Oberpfalz vorkommende, so genannte Stinkspat, sorgte seit fast 200 Jahren für Streit in der Fachwelt. Beim Zerkleinern verströmt er einen stechend unangenehmen Geruch.
Eine Reihe bedeutender Chemiker, darunter auch Friedrich Wöhler (1800-1882) und Justus von Liebig (1803-1873), diskutierten verschiedene Substanzen als Ursachen für den Geruch. Aus einfachen Riechproben, chemischen Nachweisen bis hin zu aufwändigen massenspektrometrischen Untersuchungen zogen Wissenschaftler im Laufe der Jahre die unterschiedlichsten Schlussfolgerungen. So wurden neben elementarem Fluor auch Iod, Ozon, Phosphor-, Arsen-, Schwefel- und Selenverbindungen, Chlor, hypochlorige Säure und fluorierte Kohlenwasserstoffe für den Geruch verantwortlich gemacht. Ein direkter Nachweis, dass Fluor im Stinkspat eingeschlossen ist und nicht etwa erst beim Zerkleinern entsteht, fehlte allerdings bislang.
Nun gelang es einem Wissenschaftlerteam um Florian Kraus, Leiter der Arbeitsgruppe Fluorchemie - ehemals am Department Chemie der Technischen Universität München -, und um Jörn Schmedt auf der Günne, Leiter der Emmy-Noether Arbeitsgruppe für Festkörper-NMR am Department Chemie der Ludwig-Maximilians-Universität München, erstmals elementares Fluor im Stinkspat direkt und zweifelsfrei nachzuweisen. Mit Hilfe der 19F-Kernmagnetresonanz-Spektroskopie (NMR-Spektroskopie) konnten sie das Fluor in-situ, also zerstörungsfrei in seiner natürlichen Umgebung identifizieren und so der langen Diskussion um die Ursache des Geruchs im Stinkspat ein Ende setzen.
"Es ist nicht verwunderlich, dass Chemiker so lange an der Existenz von elementarem Fluor im Stinkspat zweifelten", erklären die Forscher. "Denn dass elementares Fluor und Kalzium, die normalerweise sofort miteinander reagieren, hier nebeneinander vorliegen, ist tatsächlich kaum zu glauben." Im Fall des Stinkspats liegen jedoch besondere Verhältnisse vor: Das elementare Fluor entsteht durch feine Uraneinschlüsse im Mineral, die konstant ionisierende Strahlung abgeben und so den Fluorit in Kalzium und elementares Fluor aufspalten. Das Fluor liegt dann, durch nicht-reaktiven Fluorit vom Calcium getrennt, in kleinen Einschlüssen vor und bleibt so in elementarer Form erhalten. Durch die ionisierende Strahlung kommt es zur Ausbildung von Calcium-Clustern und damit zur dunklen Farbe des Stinkspats.
Presseinformation: Angewandte Chemie
Elementares Fluor (F2) in natürlichem Mineral erstmals direkt nachgewiesen
Warum stinkt der so genannte Stinkspat, ein Fluorit-Mineral, das unter anderem in der Oberpfalz gefunden wird, so unangenehm stechend beim Zerkleinern? Münchner Wissenschaftler haben des Rätsels Lösung gefunden und damit nicht nur eine etwa 200 Jahre währende kontroverse Diskussion beendet, sondern gleichzeitig eine als unumstößlich geltende Lehrbuchmeinung revidiert: In der Zeitschrift Angewandte Chemie zeigen die Forscher, dass elementares Fluor den Gestank verursacht. Damit ist nun eindeutig belegt, dass Fluor entgegen bisherigen Annahmen doch elementar in der Natur vorkommt.
Elementares Fluor (F2) ist ein extrem reaktives Gas, das so gut wie alle Materialien angreift, sogar Laborglasgeräte zerfrisst es. Chemisch gebundene Fluoratome in anorganischen oder organischen Verbindungen sind - wohl dosiert - dagegen harmlos und ausgesprochen nützlich, etwa in fluoridhaltiger Zahnpasta, in Flammschutzmitteln oder in Teflon. Kein Wunder, dass Chemiker bislang überzeugt waren, dass Fluor in der Natur nicht elementar vorkommen kann, sondern nur als Fluorid-Ion, beispielsweise in Mineralien wie Fluorit (Flussspat, CaF2).
Eine spezielle Sorte des Fluorits kommt unter anderem in der Grube Maria in Wölsendorf in der Oberpfalz vor. Was an diesem Mineral so auffällig ist, ist sein unangenehmer Geruch, der einem in die Nase sticht, sobald man diesen so genannten Stinkspat zerkleinert. Aber was verursacht den Gestank? Seit fast 200 Jahre ist sich die Fachwelt darüber uneinig. Eine Reihe bedeutender Chemiker, darunter auch Friedrich Wöhler (1800-1882) und Justus von Liebig (1803-1873), diskutierten verschiedene Substanzen als Ursachen für den Geruch.
Florian Kraus von der TU München sowie Jörn Schmedt auf der Günne und Martin Mangstl von der Ludwig-Maximilians-Universität München haben nun gemeinsam den Direktnachweis erbracht: Elementares Fluor ist der Schuldige, der den unangenehmen Geruch verursacht. Mit Hilfe der 19F-Kernmagnetresonanz-Spektroskopie (NMR-Spektroskopie) konnten sie erstmals direkt zeigen, dass elementares Fluor im Stinkspat enthalten ist.
Aber wie kann das sein bei einem derart reaktiven Gas? Wie die Forscher erläutern, enthält Stinkspat winzige Mengen an Uran, das zusammen mit den entstandenen radioaktiven Tochternukliden permanent Strahlung in das umgebende Mineral abgibt. Fluorit wird dadurch in Calcium und elementares Fluor gespalten. Es entstehen Calciumcluster, die dem Stinkspat seine dunkelviolette Farbe verleihen. Das Fluor liegt in Form von kleinen Einschlüssen vor, wo es durch nicht-reaktiven Fluorit vom Calcium abgeschirmt wird - und bleibt so in elementarer Form erhalten.
Zusatzinformationen:
Dr. Jörn Schmedt auf der Günne, Martin Mangstl, Priv.-Doz. Dr. Florian Kraus:
Elementares Fluor F2 in der Natur - In-situ-Nachweis und Quantifizierung durch NMR-Spektroskopie..
In: Angewandte Chemie; online veröffentlicht am 04. Juli 2012, DOI 10.1002/ange.201203515
Quelle: Technische Universität München, TUM
Aktualisiert am 05.07.2012.
Permalink: https://www.internetchemie.info/news/2012/jul12/elementares-fluor-natur.php
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